Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд

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Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt - Хэлли Рубенхолд

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      Hallie Rubenhold

      Covent Garden Ladies

      Ein Almanach für den Herrn von Welt

      Aus dem Englischen

      von Clemens Brunn und

      Maximilien Vogel

      Saga

      Vorwort zur deutschen Ausgabe

      Als die englische Originalausgabe dieses Buches im Frühjahr 2005 erschien, konnte ich nicht vorhersehen, dass Covent Garden Ladies einen solchen Erfolg haben würde. Mit Freude stellte ich in den wenigen seither vergangenen Jahren fest, dass die Geschichten der vergessenen Frauen von Covent Garden und ihres Lebens im 18. Jahrhundert sehr viele Leser zu bewegen vermochten. Bemerkenswerterweise hat das Buch die Anregung zu einer Gemäldeausstellung und zu einer Fernsehdokumentation gegeben und bildete den Ausgangspunkt für die Historienserie City of Vice des Senders Channel 4. Doch habe ich überhaupt nicht daran gedacht, dass diese stark London-zentrierte Geschichte auch die Fantasie nichtbritischer Leser in ihren Bann schlagen könnte.

      Es hat mich sehr geehrt, als Wolf-Rüdiger Osburg vom Osburg Verlag mit dem Wunsch nach einer deutschen Übersetzung an mich herantrat. Er hatte erkannt, dass das Drama, die Tragödie und Komödie, von Covent Garden Ladies nicht nur von einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit handelt, sondern darüber hinaus auch vom menschlichen Wesen überhaupt. Ich möchte ihm wie auch meinen Übersetzern Clemens Brunn und Maximilien Vogel sowie meinem Lektor Bernd Henninger dafür danken, dass sie diese deutsche Ausgabe möglich gemacht haben.

      Hallie Rubenhold

      London, 15. Dezember 2008

      Kapitel 1

      Der Vorhang öffnet sich

      Auch wenn der Ort vielleicht nicht wiederzuerkennen ist – wir befinden uns in Covent Garden. Der Anblick wirkt wohl etwas unvertraut, ohne das Markthallengewölbe aus Stahl und Glas und ohne all den Touristentrubel. Es gibt keine Straßenmusikanten, keine Fahrradrikschas und auch keine Läden, die billigen Plastikkrimskrams verhökern. Mitte des 18. Jahrhunderts ist da nur der unverbaute, nackte Platz mit Pflastersteinen, Schmutz und offenen Abwasserkanälen.

      Es herrscht ein buntes Treiben, selbst schon im ersten Morgenlicht. Um diese frühe Stunde brummt der Platz vor Londoner Leben. Obst- und Gemüsehändler, Fuhrmänner, Balladensänger, Scherenschleifer und Milchmädchen umwogen einander im täglichen Reigen ihrer Arbeit. Unter breitkrempigen Strohhüten balancieren Frauen mit roten Ellbogen fruchtgefüllte Körbe auf ihren Hüften. Männer schuften in wollenen Gehröcken oder Lederschürzen, den Dreispitz über die schläfrigen Augen gezogen. Barfüßige Kinder jagen Hunde. Alte Männer humpeln an behelfsmäßigen Stöcken, die genauso krumm sind wie ihre Rücken. Die zahnlosen, runzligen Frauen sind viel jünger, als sie aussehen. Viele aus den Reihen derer, die – gegen die Morgenkälte dick eingemummt – zum Feilschen hierhergekommen sind, gehören zum Heer der Londoner Dienstboten. Mit schwer gefüllten Körben werden sie zu den Häusern ihrer Arbeitgeber zurückgeeilt sein, noch bevor Herr und Herrin aus den Federn sind.

      Natürlich hat dieses Fest fürs Auge auch Nase und Ohr etwas zu bieten. Der mit frischen und faulenden Produkten vollgestapelte Markt verströmt den süßlichen Geruch von Kohl und Äpfeln. Auch die feuchte Schärfe von Pferdeäpfeln lastet überall, genauso der gelbe Kohlenrauch und der Duft von brennendem Holz. Die eher unvermuteten Odeurs jedoch dünsten die trüben Pfützen aus. In Ermangelung eines funktionierenden Abwassersystems stöhnt London unter dem eigenen Gestank. Die Wohlhabenden haben ein besonderes Geschick darin entwickelt, die jähen olfaktorischen Angriffe durch den Hauch von Verwesung und menschlicher Exkremente abzuwehren, indem sie ihre Nasen hinter parfümierten Taschentüchern und Blumensträußchen verstecken. Die Armen wiederum haben schlicht gelernt, mit diesen Unannehmlichkeiten zu leben. Seit langem hat die arbeitende Klasse entdeckt, dass ein Lied helfen kann, Not und Entbehrung zeitweise vergessen zu machen, und ihre Weisen erfüllen die Luft. Viele der auf dem Platz gepfiffenen oder gesummten Melodien waren zuvor in einem der beiden umliegenden Theater zu hören. Musik ist eine tragende Säule der Abendunterhaltung im Covent Garden Theatre am Ostrand des Platzes wie auch im konkurrierenden Theatre Royal in der Drury Lane. Seit je ist dieser Teil der Stadt, bei Tag und bei Nacht, ein Ort der Instrumente und Stimmen gewesen. Wenn die Bühnenlichter gelöscht sind, stimmt stattdessen der Markt sein Konzert von Klängen an. Straßenverkäufer schreien ihre Waren aus, ihre Rufe fließen misstönend ineinander. Zwischen dem Singsang ihrer Aufforderungen zum Kauf von Quitten und Apfelsinen schäkern und scherzen sie, fordern einander übermütig heraus. Andere Arten von Musik überlagern ihre Verkündigungen – das städtische Geklapper von Pferdehufen, das Quietschen und Aufschlagen von Holzrädern, zuschlagende Türen, rollende Fässer, plärrende Säuglinge, das Quieken und Brüllen von Tieren. Es gibt keine leise tickenden Maschinen, keinen Strom und keine automatisierten Abläufe, die Mensch und Vieh die Arbeiten abnehmen würden; nur das Ächzen und Schwitzen der Kreatur.

      Bei aller Geschäftigkeit des Marktplatzes erschöpft sich die Bedeutung von Covent Garden indes keineswegs im emsigen Treiben des morgendlichen Handels. Nicht jeder kommt hierher, um die Früchte für Pasteten und Desserts zu kaufen. Wenn sich der Morgen in den Nachmittag wandelt und die Verkäufer ihre letzten Waren an den Mann gebracht haben, erwacht allmählich das lukrativere Gewerbe des Platzes, und das Zentrum des Geschehens verlagert sich vom umzäunten Gemüsehandel in der Mitte hinter die Steinfassaden der Randgebäude.

      Nach Norden eröffnet sich der Blick auf einige der berüchtigteren Lokalitäten. Ganz im nordöstlichen Winkel liegt, leicht vom Arkadengang verdeckt, einer der Hauptschauplätze unseres Geschehens. Unter einem prächtigen, frei hängenden Kneipenschild, auf dem das Konterfei von Englands berühmtem Barden prangt, befindet sich der Eingang zu einem Wirtshaus, das als »The Shakespear’s Head« bekannt ist. Die schändlichen Details über die Vorgänge in seinen dämmrigen Zimmern wollen wir für später aufheben. Nebenan, südlich vom Shakespear’s Head, befindet sich das Bedford Coffee House, ein um ein winziges Quäntchen reputableres Etablissement. Seine distinguierte Klientel aus Literaten- und Theaterkreisen, die ihm ein gewisses modisches Flair verleiht, erhebt dieses Haus minimal über den zweifelhaften Leumund seines Nachbarn. Gegenüber vom Shakespear, nach Norden hin, befindet sich das vornehme Haus der Kupplerin Mrs. Jane Douglas. Die Betrunkenen aus den Gasthäusern sorgen dafür, dass Mutter Douglas’ Mädchen die Kunden nie ausbleiben, und so blüht das Geschäft bis weit in die 1760er Jahre hinein. In späterer Zeit richten die Damen des Kupplergewerbes ihr Augenmerk dann auf die schickeren Viertel: zunächst Soho, dann St. James’s, Mayfair und Piccadilly. Im Augenblick jedoch geht das Geschäft recht gut für Jane Douglas und ihre Zunftschwestern von Covent Garden, die es sich in diesem sündigen Winkel eingerichtet haben. Auch die Inhaber von Haddock’s Bagnio, direkt südlich der Ecke Russell Street ebenfalls am Platz gelegen, können sich nicht über magere Umsätze beklagen. Dass man hier unter einem Dach ein türkisches Bad, eine Mahlzeit und die Gesellschaft einer käuflichen Dame genießen kann, ist eine neue Attraktion, die in adligen Kreisen gut ankommt. Jede Nacht kann man diese Herrschaften zwischen Haddock’s und der benachbarten Bedford Arms Tavern (nicht zu verwechseln mit dem Bedford Coffee House oder der Bedford Head Tavern in der Maiden Lane) herumtorkeln sehen. In puncto fleischliche Zerstreuungen ist hier also fürwahr viel geboten, und so ist es auch verzeihlich, wenn man darüber die Pfarrkirche St. Paul’s Covent Garden in all ihrer strengen Schönheit übersieht, die die Westseite des Platzes einnimmt. Von hier aus hat sie seit über hundert Jahren schweigend das Geschehen verfolgt.

      Doch auch unter dem strafenden Blick von St. Paul’s scheint sich der Platz mit dem sündigen Treiben bestens arrangiert zu haben. Im näheren Umkreis drängen sich noch viele weitere liederliche Etablissements; alle benachbarten Straßen sind regelrecht verseucht mit Bordellen, wüsten Spelunken, lärmenden Kaffeehäusern

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