Hölle am Himmel. Will Berthold
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Hölle am Himmel - Will Berthold страница 14
»Ladys und Gentleman«, sprach eine Stewardeß in das Mikrofon: »Im Namen unseres Flugkapitäns Nobis und seiner Crew darf ich Sie begrüßen und Ihnen einen angenehmen Flug wünschen.«
Es hörte sich an, als käme die Stimme vom Tonband, aber das hätte sich die Jet-Air so wenig erlaubt, wie Speisen aus der Konservendose, es sei denn, ein Häppchen Kaviar – jährlich insgesamt vier Tonnen.
Zu dieser frühen Stunde ging es am Himmel bereits lebhaft zu. Der letzte Mittwoch des Monats Mai versprach, ein Rekordtag für den Luftverkehr zu werden. Und in den Zeitungen, die von den flotten Stewardessen des Jumbos ›Happy Day‹ angeboten wurden, konnten die Passagiere lesen, daß dank der strikten Sicherheitsmaßnahmen die Zahl der Flugzeugentführungen zurückgegangen war.
Die Boeing 747 startete auf die Minute pünktlich um 7 Uhr 59 in New York. Ausgebucht bis auf den letzten Platz. Beladen bis an die Grenze des zulässigen Höchstgewichts. Der Jumbo, Spezialanfertigung für die Jet-Air-Intercontinental, mußte erst viele Tonnen Treibstoff durch die Düsentriebwerke jagen, bevor er auf 12000 Meter Höhe kam. Dann schwenkte er auf die vorgeschriebene Luftstraße ein und nahm Kurs auf Frankfurt. Jim, der Erste Offizier, gab die Position an die Bodenstation durch. Er trug ein Sonntags-Gesicht, denn für ihn sollte dieser Flug ein letzter Test vor seiner Ernennung zum Captain sein.
Um zehn Uhr war die Welt am Himmel noch in Ordnung. Keine Verspätung. Kein Unfall. Keine Panne. Und schon gar kein Alarmruf. Chefpilot Nobis hatte seine Armbanduhr bereits auf Mitteleuropäische Zeit umgestellt; sie zeigte 16 Uhr an, und das hieß, daß er gegen 21 Uhr in der Main-Metropole landen würde.
In fünf Stunden. Mutschka würde ihn abholen. Wie immer. Aber zum erstenmal war er nicht allein. Und diesmal würde es eine für ihn entscheidende Begegnung werden; eine Zwischenlandung, die vermutlich eine Art Endstation für Martin bedeutete. Würden sich Brenda, seine zukünftige Frau, und die alte Dame vertragen? Immer wieder probte er in Gedanken das Zusammentreffen, das sicher nicht so unproblematisch verlaufen würde, wie dieser Jet-Air-Flug 111.
Nach zwei Stunden Flugzeit erhob sich der Diplomat Smith von einem Sessel in der Ersten-Klasse-Kabine und stieg über die Wendeltreppe nach oben in die Lounge. Er nahm an der Bar einen Drink, rauchte eine Zigarette und nickte einem anderen Passagier zu wie einem flüchtigen Bekannten.
Smith, alias Dossola, sah auf die Uhr.
Er wartete noch zwei Minuten.
Dann erhob er sich und ging auf die Cockpit-Tür zu. Mit diesen Schritten wurden die Insassen des Jumbo einem ungewissen Schicksal ausgeliefert. Aus einer simplen Atlantik-Überquerung, auf acht Stunden programmiert, sollte ein Flug in die Hölle werden.
An der Art, wie die Cockpit-Tür aufgerissen wurde, erkannte der Flugkapitän, daß es Scherereien geben würde.
»Guten Morgen, meine Herren«, sagte der Eindringling mit italo-amerikanischem Akzent.
Martin drehte sich unwillig um.
Schon im ersten Moment witterte er die Kälte, die von diesem verpfuschtem Typ ausging.
»Wer sind Sie?« fuhr er ihn an. »Und was haben Sie hier zu suchen?«
»Ich heiße Smith«, erwiderte der Unbekannte und schloß behutsam die Cockpit-Tür hinter sich. »Henry Smith. Ich möchte Sie bitten, mich vorübergehend als Ihren Chef zu betrachten.«
Er sprach wie ein Schurke, der einen Gentleman spielt; er hatte kleine, fischige Augen, schmale, blutleere Lippen, eine stark vorspringende Nase wie eine Messerspitze und Schnittnarben hinter beiden Ohren. Um sie zu bemerken, mußte man schon genau hinsehen, und dazu würde Martin künftig reichlich Gelegenheit haben.
»Entführung?« fragte er.
»Sie begreifen rasch«, erwiderte der Luftpirat. Der Mann war unbewaffnet, und Martin mußte seinen Co-Piloten Jim mit den Augen bremsen, sich nicht auf den Kidnapper zu stürzen.
Die Stunde X. Nicht unerwartet, doch überraschend. Sie hatten sie hundertmal am grünen Tisch erörtert und noch öfter im Sandkasten durchgespielt. Grundsätzlich stellte der Chefpilot Nobis seinen Flugkapitänen frei, das Cockpit während des Fluges zu verschließen; er selbst hielt nichts davon, denn eine Pistole, an die Schläfe einer Stewardeß oder einer anderen Geisel gesetzt, würde zwangsläufig die Tür aufsprengen. Die meisten Flugkapitäne schlossen sich freiwillig der Auffassung ihres Chefpiloten an, aber alle Meinungen waren bislang bloße Theorie geblieben. Nun begann die Praxis bereits mit der Frage, warum dieser sicherdreiste Halunke keine Waffe im Anschlag hielt.
»Ich muß Ihnen mitteilen, daß Sie bis auf weiteres die Toilette am Oberdeck nicht mehr benutzen können«, sagte der Luftpirat. Er lächelte schief; sein Mund wurde krumm wie ein Kleiderbügel. »Wir haben an diesem Örtchen eine Bombe eingebaut und können sie jederzeit auch aus der Ferne zünden … Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, wird Ihnen Ihre Bodenstation gleich das Modell unserer recht witzigen Höllenmaschine erläutern. Wir lassen gerade in Ihrem New Yorker Hauptquartier den Plan hinterlegen, und …«
»Was heißt wir?« erwiderte Martin gereizt. »Wie viele Entführer haben sich hier eigentlich eingeschlichen?«
»Fragen stelle ich«, erwiderte Mr. Smith. »Es sind zum Beispiel 73 Mütter mit 107 Kindern an Bord. Außerdem ein Kardinal, sechs Bischöfe, ein Oberrabbiner und zwei Patriarchen. Dazu tragen Sie als Kapitän die Verantwortung für drei US-Senatoren und mehrere bekannte Wissenschaftler. Glücklicherweise sind auch Herren Ihres Vorstands auf dem Weg zur Hauptversammlung an Bord; sogar Mr. Lovestone, Ihr Präsident. Außerdem eine ganze Reihe prominenter Wirtschaftsführer und natürlich auch Brenda Fairday, Ihre Verlobte, und …«
Der Mann kannte die Passagierliste besser als der Flugkapitän, und Martin erfaßte, daß er es weder mit einem Verrückten oder einem Amokläufer noch mit einem Einzeltäter zu tun hatte, sondern daß eine ganze Bande nach raffiniertem Plan vorging.
Seine Gefühle mußte er ausschalten; er hatte sich ausschließlich auf die Sicherheit der Passagiere einzustellen.
»Ich will unser Verhältnis nicht unnötig belasten«, fuhr der Gangster in seinem zynisch-höflichen Ton fort, »aber wir würden nicht zögern, diesen Jumbo in die Luft zu sprengen, falls Sie sich unseren Wünschen ernsthaft widersetzen sollten.«
»Was wollen Sie eigentlich, Sie Selbstmörder?«
»Das erfahren Sie gleich«, erwiderte Henry Smith. »Ich möchte nur, daß Sie von vornherein Ihre Situation richtig sehen. Entweder sind Sie schon bald wieder ein freier Mann – oder …«, er sprach betont nebensächlich, »vielleicht aber auch schon in zwei Minuten tot.«
»Sie aber auch«, zischte ihn Martin an.
»Wir haben nichts zu verlieren«, entgegnete der Pirat gelassen, »aber Millionen zu verdienen.«
»Ich beuge mich der Gewalt, so lange Sie nicht verlangen, daß ich die Flugbestimmungen verletze. Verstehen Sie denn überhaupt etwas von der Fliegerei?«
»Natürlich nicht soviel wie Sie«, sagte der Entführer, »aber genug, daß Sie mich nicht hinters Licht führen können.« Ein schräges Lächeln kroch langsam über sein Gesicht, von links nach rechts. »Im übrigen haben wir wohl ein gemeinsames Interesse am Überleben, nicht?«
»Zur