Meteorologie des Herzens. Michael Krüger

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Meteorologie des Herzens - Michael Krüger

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      Michael Krüger

      Meteorologie

      des Herzens

      Über meinen Großvater,

      Zbigniew Herbert,

      Petrarca und mich

       Mit einem Nachwort von Matthias Bormuth

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       Wo ich geboren wurde

       Es gibt noch eine andere Welt

       Gespräch mit Matthias Bormuth

       Ein Ich das querliegt zur Welt

       Zur Frühgeschichte des Petrarca-Preises

       Es gibt keine glückliche Insel

       Zbigniew Herbert In Erinnerungen und Briefen

       Nachwort

Wo ich geboren wurde

      1.

      Mein Großvater konnte über hundert Vögel

      an ihren Stimmen erkennen, nicht gerechnet

      die Dialekte, die in den Hecken gesprochen wurden,

      dunklen Schulen hinter dem Hof,

      wo die Braunkehlchen Aufsicht hatten.

      Mein Großvater war Spezialist für Kartoffeln.

      Mit den Händen grub er sie aus, zerbrach sie

      mit den Daumen, die weiß wurden,

      und ließ mich an der Bruchstelle lecken.

      Mehlig, gut für Schweine und Menschen.

      Auch nach der Enteignung wollte er unbedingt

      an Gott glauben, weshalb ich die Kartoffeln

      ausbuddeln mußte aus seinem ehemaligen Acker.

      Wie auf holländischen Bildern zogen

      schwere Wolken über den sächsischen Himmel,

      sie kamen aus Rußland und Polen

      und fuhren nach Westen, ihre Fracht wurde leichter,

      durchsichtiger und feiner, bis sie in Frankreich

      als Seide verkauft wurde. Im Westen, sagte er,

      finden Verwandlungen statt, wir werden verwandelt.

      Im Dorf fehlten einige seiner Freunde,

      die mußten in Rußland die Wolken beladen.

      2.

      Meine Großmutter benutzte die Brennschere,

      um ihre dünnen Haare zu wellen. Man muß

      dem Herrgott ordentlich frisiert gegenübertreten.

      Der kam meistens nachts, wenn ich schon

      schlafen sollte, setzte sich auf den Bettrand

      und unterhielt sich mit ihr auf sächsisch.

      Beide flüsterten, als hätten sie ein Geheimnis.

      Manchmal waren sie freundlich zueinander,

      dann wieder zankte sie mit ihm wie

      mit dem Großvater, wenn der sein Glasauge

      neben den Teller legte. Wenn man es falsch herum

      einsetzt, kann man nach innen sehen,

      in den Kopf hinein, wo die Gedanken leben,

      sagte er und stopfte seine Pfeife mit Eigenbau,

      der neben dem Tisch an der Wand hing, labbrige Blätter,

      von einem Faden durchzogen. Die Ärmel der Joppe

      des Großvaters waren von Brandlöchern genarbt.

      Wie deine Lunge, sagte die Großmutter, beides

      aus braunem Stoff. So vergingen die Tage.

      Abends gab es Kartoffeln mit Sauce oder ohne.

      Wenn auf dem Hof geschlachtet wurde, fand ich

      Wellfleisch auf meinem Teller, aber ich durfte nicht

      fragen,, wie es zu uns gefunden hatte.

      Wellfleisch kann fliegen, damit war alles gesagt.

      Ich stellte mir Gott als einen Menschen vor,

      der alles mit sich machen ließ.

      3.

      Mein Großvater las nicht mehr. Alle Bücher stehen

      in meinem Kopf, sagte er, aber ganz durcheinander.

      Dafür erzählte er gerne, am liebsten vom König,

      der sich angeblich für ihn interessiert hatte.

      Auf der Jagd sollte er ihm einen Hasen

      vor die Flinte treiben, aber der Großvater hatte

      das Tier unter seinem Mantel versteckt.

      Ich kann noch heute das Hasenherz schlagen hören,

      rief er und faßte sich an die Stelle, wo seine Uhr

      hing. Hasen haben ein schlechtes Herz,

      damit kann man keinen Staat machen. Vom Staat

      war

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