Die Witwe des Millionärs. Laura Lippman
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Читать онлайн книгу Die Witwe des Millionärs - Laura Lippman страница 17
»Sicher, wenn Sie das FBI oder auch nur die Polizei Baltimores um Hilfe bitten, könnten Sie nicht kontrollieren, was mit den Informationen geschieht, die Sie aufdecken«, sagte Tess unschuldig, als dächte sie laut nach. »Wenn sich herumspräche, dass die Story aus Versehen – Entschuldigung, dass sie zu früh – veröffentlicht wurde und dass es Ungenauigkeiten darin gäbe, könnte Wink Wynkowski vielleicht tatsächlich Unachtsamkeit nachweisen, was notwendig ist, damit eine Person des Zeitgeschehens Klage erheben kann. Auf jeden Fall wäre das ein interessantes Verfahren, wahrscheinlich das erste seiner Art.«
Reganhart zog die Augenbrauen hoch; dunkle gerade Linien, die sie aussehen ließen, als würde sie die ganze Zeit missbilligend schauen. »Vielleicht. Unsere Anwälte sagen, dass er Nachlässigkeit beim Umgang mit unseren Sicherheitssystemen nachweisen könnte. Aber das ist alles. Wir stehen zu unserer Story. Wir sind sogar durchaus stolz, diesen elenden Scharlatan vorgeführt zu haben.« Mit ihrem rabenschwarzen Haar, dem knallblauen Anzug und dem frechen Mundwerk erinnerte sie an den elenden Myna-Vogel, den man aus dem Zoo Baltimores hatte entfernen müssen, weil er Besucher beschimpfte.
»Aber wieso haben Sie so eine heiße Story nicht publizieren wollen?«, fragte Tess. »Mir ist schon klar, dass es keinen echten Wettbewerber gibt, aber Sie würden doch eine solche Geschichte bringen wollen, bevor Wynkowski seinen Letter of Intent mit der außerstädtischen Basketballmannschaft unterzeichnet. Es wäre doch schrecklich, erst zu berichten, dass die Stadt eine Mannschaft bekommt, und dann nachzuschieben, dass der Besitzer niemals den Prüfungen der NBA standhalten würde. Und was wäre, wenn die Stadt schon begonnen hätte, in die neue Sporthalle zu investieren, nur um dann festzustellen, dass Wink schon Angebote für seine Mannschaft einholte?«
Mabry schien sich für eine Sekunde zu konzentrieren, wie ein autistisches Kind, das einen Moment lang klar denken kann. »Nachrichten auszuwählen ist keine Wissenschaft, Miss Monaghan. Man muss Interessen abwägen. Männer können ihre Vergangenheit auch hinter sich lassen. Es ist nicht unsere Aufgabe zu beurteilen, ob Mr. Wynkowski als NBA-Eigentümer geeignet ist oder nicht. Oder die Entscheidungen vorwegzunehmen, die die Liga treffen wird. Wir wollen in diesem Sinne keine ›Mitspieler‹ sein. Wir mussten uns fragen, was relevant ist. Was ist fair? Ist es wirklich notwendig, Mr. Wynkowskis unangenehme, aber letztlich irrelevante Vergangenheit zu enthüllen? Und wenn wir das tun, sollte er dann nicht das Recht haben zu erfahren, wer ihm die Vorwürfe macht? Das vor allem war das Problem hier. Es ist immer noch das Problem, das mich beschäftigt.«
Mabry hatte gesagt, was er zu sagen hatte, und zog sich in seine private Welt zurück. Pfieffer hatte seit der Eröffnung nichts mehr von sich gegeben, hörte aber genau zu; er beobachtete das Zusammenspiel seiner Chefredakteure sehr interessiert. Colleen starrte Lionel an, während Jack Sterling auf einem Block herumkritzelte, der vor ihm lag. »Die Story ist also prima, und alle sind glücklich damit – außer natürlich Wink. Was soll ich jetzt tun?«
Wieder begannen Colleen Reganhart und Jack Sterling gleichzeitig zu sprechen. Wieder unterbrach sie ihn.
»Morgen werden unsere Ressortleiter Marvin Hailey und Guy Whitman Ihnen die Abläufe hier erklären und eine Liste der Personen aushändigen, mit denen Sie sprechen sollten. Wir gehen davon aus, dass Sie nicht herausfinden können, wer verantwortlich ist, aber wir schätzen, Sie können den Großteil der Leute ausschließen, die zur entsprechenden Zeit im Haus waren.«
»Kann Ihr Sicherheitssystem nicht wenigstens ausspucken, wer schon gegangen war?«
»Unglücklicherweise haben wir letzten Herbst eine neue Anlage bekommen, nachdem die alte, äh, geknackt wurde. Das neue System bricht dauernd zusammen, es läuft schon seit zwei Wochen gar nicht mehr, sodass wir die Türen mit Mülleimern aufhalten müssen. Aber ich bin sicher, Sie werden feststellen, dass die meisten unserer Angestellten zu Hause bei ihren Familien waren, als es zu dem Zwischenfall kam.« Reganhart ließ »Familien« klingen, als wäre es ein Schimpfwort. »Wir möchten, dass Sie mit allen relevanten Nachrichtenredakteuren sprechen, diese Gespräche auf Band aufzeichnen und dann die Bänder und die Abschriften an uns weitergeben. Alles, was Sie feststellen, ist Eigentum des Beacon. Ihr Vertrag wird zudem eine Vertraulichkeitsklausel beinhalten, die es untersagt, diese Angelegenheit mit anderen Nachrichtenorganisationen zu diskutieren – oder überhaupt irgendjemandem. Ihre Informationen gehören uns.«
Tess wollte nach den Filmrechten fragen, hielt sich dann aber zurück. »Möchten Sie, dass ich hier bei Ihnen arbeite oder in meinem Büro in Mount Vernon?«
»Uns wäre lieber, wenn Sie hier arbeiten«, sagte Jack Sterling, und diesmal gelang es ihm, schneller zu sein als Colleen Reganhart. »Sie bekommen ein Büro im zweiten Stock, wo die alten Pressen standen. Solange Ihr Vertrag läuft, haben Sie auch eine Ausweiskarte und eine befristete Identifikationskarte, also können Sie kommen und gehen, wie Sie wollen.«
»Was ist mit der Gewerkschaft? Wird sie die Angestellten nicht daran hindern, mit mir zusammenzuarbeiten?«
Colleen Reganhart erhob sich. »Wir kümmern uns um die Gewerkschaft.«
Pfieffer sprang auf, er stemmte die Hände in die Hüften, als wäre er bereit, eine Mannschaft anzufeuern, während sich Sterling reckte, wobei sein unterer Rücken hörbar knackte. Nur Lionel Mabry saß weiter da und starrte durchs Fenster eine braunbrüstige Taube auf dem Sims an. Selbst nach Taubenmaßstäben war das ein ekelhaftes, fies aussehendes Biest.
»Was für ein hübscher, hübscher Vogel«, säuselte Lionel vergnügt. »Das allererste Rotkehlchen.«
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