Die Erde. Emile Zola

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Die Erde - Emile Zola

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aufgestiegen und feiner geworden war. Alle hatten Stellungen am Salzhof bekleidet: einer als Speicherverwalter in Chartres, ein anderer als Oberaufseher in Châteaudun; und Isidore, der frühzeitig Waise geworden war, besaß etwa sechzigtausend Francs, als er, mit sechsunddreißig Jahren durch die Revolution um seinen Posten gebracht, auf den Einfall kam, mit dem Diebesgut dieser räuberischen Republikaner, die den Nationalbesitz zum Verkauf stellten, sein Glück zu machen. Er kannte die Gegend vortrefflich, er witterte, berechnete, bezahlte dreißigtausend Francs – kaum ein Fünftel des wirklichen Wertes – für die hundertfünfzig Hektar von La Borderie, alles, was vom ehemaligen Gut der Rognes-Bouquevals übriggeblieben war. Kein Bauer hatte gewagt, seine Taler aufs Spiel zu setzen; einzig und allein Bürger – Juristen und Geldleute – zogen Nutzen aus der revolutionären Maßnahme. Übrigens war das lediglich eine Spekulation, denn Isidore beabsichtigte durchaus nicht, sich ein Gehöft auf den Hals zu laden, sondern er wollte es zu seinem richtigen Preis weiterverkaufen, sobald die Wirren beendet wären, und auf diese Weise sein Geld verfünffachen. Aber das Direktorium kam, und die Entwertung des Grundbesitzes ging weiter: er konnte nicht mit dem erträumten Gewinn verkaufen. Seine Erde hielt ihn fest, er wurde ihr Gefangener, und zwar dermaßen, daß er, da er starrköpfig war und nichts von ihr fahrenlassen wollte, auf den Gedanken kam, sie selber zu bewirtschaften, weil er hoffte, dadurch endlich aus seinem Vermögen den erhofften Gewinn zu schlagen. Um diese Zeit heiratete er die Tochter eines benachbarten Hofbesitzers, die ihm fünfzig Hektar mit in die Ehe brachte; von da an hatte er zweihundert Hektar, und so geschah es, daß dieser Bürger, der vor drei Jahrhunderten aus dem Bauerngeschlecht hervorgegangen war, wieder zum Bauern wurde, aber zum Großbauern, zum Aristokraten des Bodens, der an die Stelle des früheren allmächtigen Feudalbesitzers trat.

      Alexandre Hourdequin, sein einziger Sohn, war 1804 geboren worden. Er hatte erbärmliche Studien am Gymnasium in Châteaudun begonnen. Die Erde versetzte ihn in Leidenschaft, er zog es vor, zurückzukehren, um seinem Vater zu helfen, und enttäuschte damit einen weiteren Traum des Alten, der angesichts des trägen Glücks am liebsten alles verkauft hätte, um seinem Sohn in irgendeinem freien Beruf zum Zuge zu verhelfen. Der junge Mann war siebenundzwanzig Jahre alt, als er durch den Tod des Vaters Herr auf La Borderie wurde. Er war für die neuen Methoden; als er sich verheiratete, galt seine Hauptsorge nicht dem Streben nach Grundbesitz, sondern dem Streben nach Geld, denn seiner Ansicht nach mußte es dem Kapitalmangel zugeschrieben werden, wenn das Gehöft dahinkümmerte; und er fand die begehrte Mitgift, eine Summe von fünfzigtausend Francs, die ihm eine Schwester des Notars Baillehache mit in die Ehe brachte, ein reifes Fräulein, das fünf Jahre älter als er, ungemein häßlich, aber sanftmütig war. Da begann zwischen ihm und seinen zweihundert Hektar ein langes Ringen, das zuerst vorsichtig, nach und nach infolge der Rechenfehler fieberhaft ausgetragen wurde, ein Ringen zu jeder Jahreszeit, an jedem Tag, das ihm, ohne ihn zu bereichern, gestattet hatte, das üppige Leben eines dicken sanguinischen Mannes zu führen, der entschlossen war, niemals seine Begierden zu zügeln. Seit einigen Jahren standen die Dinge noch schlechter. Seine Frau hatte ihm zwei Kinder geschenkt: einen Jungen, der sich aus Haß gegen die Landwirtschaft freiwillig zum Militär gemeldet hatte und der gleich nach Solferino zum Hauptmann befördert worden war; ein feingliedriges und reizendes Mädchen, seine große zärtliche Liebe, die Erbin von La Borderie, da sein undankbarer Sohn auf Abenteuer aus war. Zuerst verlor er mitten in der Ernte seine Frau. Im folgenden Herbst starb seine Tochter. Das war ein furchtbarer Schlag. Der Hauptmann ließ sich nicht einmal mehr ein einziges Mal im Jahr blicken, der Vater fand sich unvermittelt allein, die Zukunft war ihm hinfort verschlossen, und ihm fehlte der Ansporn, für sein Geschlecht zu arbeiten. Aber wenn die Wunde auch in der Tiefe blutete, er blieb auf den Beinen, blieb heftig und herrschsüchtig. Angesichts der Bauern, die über seine Maschinen grinsten, die den Ruin dieses Bürgers herbeiwünschten, der verwegen genug war, sich in ihrem Beruf zu versuchen, wurde er starrsinnig. Und was sollte er übrigens tun? Er wurde immer mehr der Gefangene seiner Erde: die angehäufte Arbeit und das hineingesteckte Kapital schlossen ihn jeden Tag enger ein, fortan war kein anderer Ausweg möglich, als durch ein Unheil da herauszukommen.

      Hourdequin mit seinen vierschrötigen Schultern und seinem breiten hochroten Gesicht, der von seiner bürgerlichen Verfeinerung nur kleine Hände zurückbehalten hatte, war stets ein despotisches Mannestier für seine Mägde gewesen. Sogar als seine Frau noch da war, wurden alle genommen; und das ganz natürlich, ohne weiteres, wie eine ihm zustehende Sache. Wenn sich auch armer Bauern Töchter, die schneidern gehen, mitunter retten, so entgeht doch keine von denen, die sich auf den Gehöften verdingen, dem Mann, den Knechten oder dem Herrn. Frau Hourdequin lebte noch, als Jacqueline auf La Borderie aus Barmherzigkeit eingestellt wurde: Vater Cognet, ein alter Trunkenbold, verprügelte sie, und sie war so ausgemergelt, so schäbig, daß man durch ihre Lumpen hindurch die Knochen im Leibe sah. Obendrein hielt man sie für so häßlich, daß die Bengels hinter ihr her johlten. Man hätte sie auf keine fünfzehn Jahre geschätzt, obwohl sie fast achtzehn war. Sie half der Magd, man beschäftigte sie mit niederen Verrichtungen, mit Geschirrspülen, mit Hofarbeit, mit dem Säubern der Tiere, wobei sie, die ohnehin schon dreckig war, vollends verschmutzte. Nach dem Tode der Hofbesitzersfrau jedoch schien sie sich etwas zu mausern. Alle Knechte legten sie um im Stroh; kein Mann kam auf das Gehöft, der ihr nicht über den Bauch rutschte; und eines Tages, als sie den Herrn in den Keller begleitete, der sie bis dahin verschmäht hatte, wollte auch er von diesem unsauberen häßlichen Fratz kosten; aber sie wehrte sich wütend, kratzte ihn, biß ihn so sehr, daß er gezwungen war, sie loszulassen. Von da an war ihr Glück gemacht. Sie leistete sechs Monate lang Widerstand, gab sich dann allmählich hin und ließ ihn um jedes Stückchen ihrer nackten Haut betteln. Vom Hof war sie mit einem Sprung als richtige Magd in die Küche gelangt; dann stellte sie zu ihrer Hilfe eine Göre ein; dann bekam sie, die nun ganz und gar Dame war, ein Dienstmädchen, das sie bediente. Nun hatte sich die kleine Schlampe von einst zu einem tiefbrünetten Mädchen entwickelt, das schlau und hübsch aussah und den festen Busen und die biegsamen und kräftigen Glieder einer Frau hatte, die mager wirkt, ohne es zu sein. Sie legte eine verschwenderische Gefallsucht an den Tag, troff vor Parfüm, obwohl sie dabei einen Bodensatz von Unsauberkeit behielt. Die Leute von Rognes und die Landwirte der Umgebung waren deshalb nicht weniger verwundert über das Abenteuer: war das denn menschenmöglich, daß sich ein reicher Knopp in ein so schwächliches Ding, das nicht schön, nicht üppig war, kurzum in die Cognette vernarrt hatte, in die Tochter von Cognet, von diesem Säufer, den man seit zwanzig Jahren auf den Landstraßen Steine klopfen sah! Ach, ein großartiger Schwiegervater! Eine famose Nutte! Und die Bauern begriffen nicht einmal, daß diese Nutte ihre eigene Rache war, die Rache des Dorfes am Gehöft, die Rache des elenden Arbeiters der Scholle am reich gewordenen Bürger, der es zum Großgrundbesitzer gebracht hatte. Hourdequin, der sich mit seinen fünfzig Jahren im kritischen Alter befand, war ihr verfallen, da seine Sinne gefangen waren und er physisch Jacqueline brauchte, wie man Brot und Wasser braucht. Wenn sie sehr nett sein wollte, umschlang sie ihn mit einer katzenhaften Liebkosung, ohne Bedenken, ohne Ekel überfütterte sie ihn mit Ausschweifungen, wie die Dirnen sie nicht wagen; und für eine dieser Stunden demütigte er sich, flehte er sie an zu bleiben, nach Zankereien, nach furchtbarem Aufbegehren des Willens, bei dem er drohte, sie mit derben Fußtritten rauszuschmeißen.

      Am Vorabend noch hatte er sie nach einem Auftritt geohrfeigt, den sie ihm gemacht hatte, weil sie in dem Bett schlafen wollte, in dem seine Frau gestorben war; und die ganze Nacht hatte sie sich ihm verwehrt, hatte ihm Klapse versetzt, sobald er näher kam; denn wenn sie sich auch weiterhin an den Knechten gütlich tat, ihn hielt sie knapp, peitschte ihn auf mit Enthaltsamkeit, um ihre Macht zu steigern. So wurde er denn auch an diesem Morgen, in dieser feuchten Stube, in diesem zerwühlten Bett, in dem er sie noch atmete, wieder von Wut und Begierde erfaßt. Seit langem witterte er ihre fortgesetzten Betrügereien. Mit einem Satz stand er auf, er sagte mit lauter Stimme: „Ah, du Luder, wenn ich dich schnappe!“ Rasch zog er sich an und ging hinunter.

      Jacqueline war durch das stumme Haus geflitzt, das kaum von der anbrechenden Morgendämmerung erhellt wurde. Als sie den Hof überquerte, stutzte sie, weil sie den Schäfer erblickte, den alten Soulas, der bereits auf war. Aber ihr Begehren hielt sie so sehr gepackt, daß sie sich darüber hinwegsetzte. Da war eben nichts zu machen. Sie mied den Stall mit den fünfzehn Pferden, in dem vier von den Fuhrknechten des Gehöftes schliefen, gingnach hinten

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