Die Erde. Emile Zola

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Die Erde - Emile Zola

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verschloß, hauchte sie erschauernd und atemlos mit sehr leiser Stimme:

      „Ich bin’s, großer Dummkopf. Hab keine Angst ... Schnell, schnell, beeilen wir uns!“

      Aber er erschrak, nie und nimmer wollte er an dieser Stelle, in seinem Bett, weil er fürchtete, überrascht zu werden. Die Leiter zum Heuboden war dort in der Nähe, sie kletterten hinauf, ließen die Klappe offen, legten sich um im Heu.

      „Oh, großer Dummkopf, großer Dummkopf!“ sagte Jacqueline, vor Wonne vergehend, immer wieder mit ihrem kehligen Gurren, das ihr aus dem Schoß emporzusteigen schien.

      Seit fast zwei Jahren war Jean Macquart auf dem Gehöft. Als er aus dem Militärdienst ausschied, war er mit einem Kameraden, einem Tischler wie er, nach Bazoches-le-Doyen geraten, und er hatte bei dessen Vater, einem kleinen Dorftischler, der zwei oder drei Gesellen beschäftigte, wieder zu arbeiten begonnen; aber er spürte, daß er nicht mehr mit Lust und Liebe dabei war, die sieben Jahre Militärdienst hatten ihn ungelenkig gemacht, hatten ihn aus der Bahn gebracht, hatten ihm Säge und Hobel so sehr verekelt, daß er ein anderer Mensch geworden zu sein schien. Einst in Plassans schlug er tüchtig ein aufs Holz; obwohl es ihm nicht leichtfiel, etwas zu lernen, und er gerade nur lesen, schreiben und rechnen konnte, war er doch sehr nachdenklich, sehr arbeitsam und hatte den Willen, sich außerhalb seiner furchtbaren Familie eine unabhängige Stellung zu schaffen. Der alte Macquart hielt ihn in Abhängigkeit wie ein Mädchen, schnappte ihm seine Liebchen vor der Nase weg, ging jeden Sonnabend zur Tür seiner Werkstatt, um ihm seinen Lohn zu stehlen. Als die Schläge und die Erschöpfung seine Mutter umgebracht hatten, folgte er deshalb dem Beispiel seiner Schwester Gervaise, die eben mit einem Liebhaber nach Paris ausgekniffen war: er rückte seinerseits aus, um nicht diesen Faulpelz, seinen Vater, ernähren zu müssen. Und nun erkannte er sich nicht mehr wieder, nicht, daß er nun auch faul geworden wäre, aber das Soldatendasein hatte seinen Gesichtskreis geweitet: die Politik zum Beispiel, die ihn früher gelangweilt hatte, beschäftigte ihn heute sehr, brachte ihn dazu, über Gleichheit und Brüderlichkeit Betrachtungen anzustellen. Außerdem hatte er sich das Bummeln angewöhnt durch das beschwerliche und müßige Wachestehen, das schläfrige Leben in den Kasernen, das wilde Herumgehetze des Krieges. Da fielen ihm die Werkzeuge aus den Händen, er sann nach über seinen Feldzug in Italien, und ein großes Bedürfnis nach Ruhe machte ihn benommen, das Verlangen, sich im Gras auszustrecken und die Zeit zu vergessen.

      Eines Morgens brachte ihn sein Meister wegen Instandsetzungsarbeiten nach La Borderie. Dort war für einen reichlichen Monat Arbeit vorhanden: Fußböden in den Zimmern zu legen, so ziemlich überall Türen und Fenster festzumachen. Er war glücklich und zog die Erledigung sechs Wochen lang hin. Unterdessen starb sein Meister, und der Sohn, der sich verheiratet hatte, ließ sich im Heimatort seiner Frau nieder. So war Jean als Tischler auf La Borderie geblieben, wo man immer verfaultes Holz entdecken würde, das zu ersetzen war, und er arbeitete dort tageweise auf eigene Rechnung; als dann die Ernte begann, griff er mit zu und blieb noch sechs Wochen, so daß ihn der Hofbesitzer schließlich ganz behielt, als er sah, wie sich Jean so gut in der Landwirtschaft einarbeitete. In weniger als einem Jahr wurde der ehemalige Tischlergeselle ein guter Ackerknecht, karrte, pflügte, säte, mähte in diesem Frieden der Erde, in dem er endlich sein Bedürfnis nach Ruhe zu stillen hoffte. Es war also aus mit Sägen und Hobeln! Und er schien für die Felder geboren zu sein mit seiner weisen Bedächtigkeit, seiner Liebe zu geregelter Arbeit, diesem Temperament eines Zugochsen, das er von seiner Mutter hatte. Er war anfangs ganz hingerissen, er genoß die Flur, die die Bauern nicht sehen, er genoß sie im Gedanken an das, was in ihm haftengeblieben war von gefühlsseligen Schriften, die er gelesen hatte, Vorstellungen von Schlichtheit, Tugend, vollkommenem Glück, so wie man sie in den moralischen Kindergeschichtchen findet.

      In Wahrheit bewirkte ein anderer Grund, daß es ihm auf dem Gehöft gefiel. Zu der Zeit, da er die Türen ausbesserte, war die Cognette gekommen und hatte in seinen Hobelspänen die Beine breitgemacht. Es war tatsächlich sie, die ihn dazu verleitete, weil sie durch die kräftigen Glieder dieses starken Burschen verlockt wurde, dessen regelmäßiges und massiges Gesicht ein stämmiges Mannestier erkennen ließ. Er gab nach, fing dann wieder an, weil er fürchtete, als ein Trottel zu gelten, wurde nun übrigens vom Verlangen nach diesem lasterhaften Weib gequält, das wußte, wie man die Männer reizt. Im Grunde verwahrte sich seine angeborene Anständigkeit dagegen. Das war schlecht, mit der Liebsten von Herrn Hourdequin zu gehen, dem er Dankbarkeit schuldete. Zweifellos fand er Ausreden: sie war nicht die Frau des Herren, sie diente ihm als Flittchen; und da sie ihn ja in allen Ecken betrog, dann schon lieber selber das Vergnügen daran haben, als es den anderen zu lassen. Aber diese Entschuldigungen hinderten nicht, daß sein Unbehagen in dem Maße wuchs wie er sah, daß sich der Hofbesitzer immer mehr verliebte. Sicher würde das böse enden.

      Jean und Jacqueline erstickten ihren Atem im Heu; da hörte er, der auf der Hut geblieben war, das Holz der Leiter knakken. Mit einem Satz war er aufgestanden; und auf die Gefahr hin, sich zu Tode zu stürzen, ließ er sich durch das Loch fallen, das zum Hinunterwerfen des Futters diente. Herrn Hourdequins Kopf tauchte gerade auf der anderen Seite in Höhe der Klappe auf. Mit ein und demselben Blick sah er den Schatten des fliehenden Mannes und den Bauch der Frau, die noch hingesielt dalag und die Beine breit machte. Eine solche Wut trieb ihn, daß er nicht auf den Gedanken kam, hinunterzusteigen, um den Galan zu erkennen, und er Jacqueline, die sich auf den Knien aufrichtete, mit einer Ohrfeige, die einen Ochsen hätte töten können, wieder zu Boden warf.

      „Ah, du Hure!“

      Sie heulte, in einem Wutschrei stritt sie das ab, was offensichtlich war.

      „Das stimmt nicht!“

      Er hielt an sich, um nicht mit Fersentritten diesen Bauch einzuschlagen, den er gesehen hatte, diesen ausgebreiteten Schoß eines läufigen Tieres.

      „Ich habe ihn gesehen! – Sag, daß es stimmt, oder ich bring dich um!“

      „Nein, nein, nein, es stimmt nicht!“

      Als sie sich dann endlich wieder auf die Füße gestellt und den Rock heruntergeschlagen hatte, wurde sie unverschämt, herausfordernd, war entschlossen, ihre Allmacht auszuspielen.

      „Und übrigens, was schert dich das denn? Bin ich etwa deine Frau? – Da du nicht willst, daß ich mich in dein Bett lege, steht es mir frei, mich hinzulegen, wo es mir gefällt.“ Ihr Taubengurren klang wie geiler Hohn. „Los, geh weg da, damit ich runtergehen kann ... Heute abend hau ich ab.“

      „Sofort haust du ab!“

      „Nein, heute abend ... Nimm dir doch Zeit zum Überlegen.“ Er bebte, war außer sich und wußte nicht, an wem er seinen Zorn auslassen sollte. Wenn er schon nicht mehr den Mut hatte, sie unverzüglich auf die Straße zu setzen, mit welcher Freude hätte er den Galan rausgeschmissen! Aber wo ihn nun fassen? Von den offenen Türen geführt, war er schnurstracks zum Heuboden hochgestiegen, ohne in die Betten zu schauen; und als er wieder hinuntergekommen war, zogen sich die vier Fuhrknechte im Pferdestall an, desgleichen Jean hinten auf seinem Hängeboden. Welcher von den fünfen? Dieser ebensogut wie jener, und die fünf hintereinander vielleicht. Er hoffte allerdings, daß sich der Mann verraten würde; er gab seine Anweisungen für den Vormittag, schickte niemand auf die Felder, ging selber nicht hinaus, ballte die Fäuste, strich mit scheelen Blicken im Gehöft herum und hatte Lust, irgend jemand zusammenzuschlagen.

      Um sieben Uhr nach dem Frühstück ließ dieses gereizte Inspizieren durch den Herrn das Haus erzittern. Auf La Borderie gab es die fünf Pferdeknechte für fünf Pflüge, drei Drescher, zwei Schweizer oder Hofleute, einen Schäfer und einen kleinen Schweinehirten, im ganzen zwölf Leute Gesinde, die Magd nicht mitgerechnet. Zuerst fuhr Hourdequin in der Küche die Magd an, weil sie die Ofenschaufeln nicht wieder an die Decke gehängt hatte. Danach strich er in den zwei Scheunen herum, in der Haferscheune und in der Kornscheune, die riesig, hoch wie eine Kirche war und fünf Meter breite Tore hatte, und

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