Das Werk des Staatsministers. Bo Balderson

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Das Werk des Staatsministers - Bo Balderson

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ans Formulieren von Regierungsvorlagen gewöhnt war und bei seiner Arbeit freie Hand hatte, weil Chefredakteur Västermark meistens draußen in Feld, Wald und Flur auf der Jagd nach seltenen Vögeln war, tat sein Bestes. Er fälschte die Wettervorhersagen (die immer häufiger zutrafen), in den Kleinanzeigen verheiratete er die falschen Personen miteinander (was niemandem auffiel), er richtete perfide anonyme Angriffe gegen die Regierung (worauf die Leserschaft mit hochachtungsvollen Briefen reagierte), und er druckte ständig neue Abschnitte aus der Schrift »Politik ist Wille« des Parteiführers ab. Hier glaubte er, endlich ein Mittel gefunden zu haben, wie der Widerstand der Leser zu brechen sei, da nach dem siebten Auszug per Post zwei Kündigungen des Abos eintrafen.

      Als die Abtrünnigen nach einigen Tagen der Ruhe bei ihm zu Hause anriefen und ihr Abo zurückverlangten, fuhr der Ombudsmann nach Stockholm und in die Staatskanzlei zurück, wo er es gewohnt war, dass sein Geschriebenes zu Gesetzen erhoben wurde und als allgemeine Richtschnur diente. Die Partei fand, dass man nun seinen Beitrag für Arvid Västermark geleistet habe, und die Zeit reif sei, »Arbetarkraft« einzustellen und die Versorgung eines verdienten, aber unrentabel gewordenen Mitglieds der gesamten Einwohnerschaft des Landes zu übertragen. Der Beschluss war auf einer Ratssitzung erfolgt, und der Staatsminister hatte gegengezeichnet.

      Jetzt hatte also Arvid Västermark, seit Monatsfrist Generaldirektor und Chef der Polizeibehörde, sein erstes Interview gegeben.

      Er unterstrich, dass verantwortungsvolle Aufgaben der Behörde anvertraut worden seien (jedoch vorsichtshalber ohne sie näher zu spezifizieren), er betonte, mit wieviel Geschick und Hingabe das Personal arbeitete, aber auch und vor allem, wie hoffnungslos unterbesetzt die Behörde sei.

      Seine Worte klangen, als wäre er schon sein Leben lang Generaldirektor gewesen.

      Doch nachdem der Reporter so mit den üblichen alten und verschimmelten Brotkanten abgespeist worden war, hatte Generaldirektor Västermark die Tür zur Speisekammer einen Spaltbreit geöffnet und etwas kalten Aufschnitt aus der Frischhaltebox geholt. Um zu demonstrieren, welchen Nutzen die Polizeibehörde bringen könnte, wollte er ein konkretes Beispiel anführen. Es galt einem jungen Mann mit einer verantwortungsvollen Arbeit innerhalb des öffentlichen Lebens. (Generaldirektor Västermark bat den Reporter und die Leser an dieser Stelle um Nachsicht, dass er sich etwas vage ausdrückte. Und ich hatte volles Verständnis dafür, dass sich ein Behördenchef, dem nur ein Bürovorsteher, zwei Bürosekretärinnen und drei Assistenten zur Verfügung standen, mit etwas Geheimniskrämerei entschädigen musste.) Der Oberpolizist hatte in einer ausländischen Zeitung gelesen, dass sich der junge Mann im Verlauf seiner Reise durch einen Ostblockstaat begeistert über das Gesellschaftssystem des Landes geäußert und den Wunsch ausgesprochen hatte, dass dies auch in Schweden eingeführt werden möge. Auf Grundlage dieser Zeitungsangaben war der Mann als Sympathisant der Kommunisten registriert worden. Bei seiner just begonnenen Durchsicht des Registers war Generaldirektor Västermark auf die Notiz gestoßen und hatte sofort konstatiert, hier liege eindeutig ein Fall von Meinungsregistrierung vor, eine Tatsache, die laut Beschluss des Reichstages nicht mehr vorkommen dürfe. Die Notiz wurde unverzüglich entfernt …

      Doch jetzt hatten die jungen Leute ihr Eis verzehrt, und Eva saß neben mir und zeigte mit abgelecktem Finger auf die Zeitung und Generaldirektor Västermarks verschrumpeltes Konterfei und fragte, wer dieser hässliche Wicht sei, er käme ihr bekannt vor, und Niklas Svennberg kam mit Neuigkeiten.

      »Ja, Herr Persson, Sie wissen vielleicht noch nicht, dass der Staatsminister heute den Generaldirektor und seinen Bürovorsteher zum Abendessen in die Staatskanzlei bestellt hat, Andersson heißt er, oder? Doch, doch. Västermark hat ein Sommerhaus auf Norrön, nur wenige Kilometer von Lindö entfernt, und weil Herr Andersson das Wochenende da draußen bei ihm verbracht hat, durfte auch er mitkommen. Und gleichzeitig hat der Staatsminister die Gelegenheit genutzt, andere Bewohner von Norrön einzuladen, denen er noch ein Abendessen schuldet. Das Ganze ergab sich etwas überraschend, und er hofft, Sie, Herr Persson, haben nichts dagegen.«

      Ein älterer, krankgeschriebener Pädagoge auf dem Weg zu einem Treffen mit sechzehn Nichten und Neffen, ihren doppelt so vielen Freunden und drei Hunden nörgelt nicht, wenn ihm die Gesellschaft von einem Haufen Erwachsener angeboten wird, von denen zwei Verbindung zur Polizei haben. Im Gegenteil, er begrüßt sie als eine disziplinierende Maßnahme.

      Den Gedanken tat ich auch laut kund.

      2

      So brachen wir also in Richtung Osten und Meer auf und fuhren durch fruchtbare Orte, wo Schuppen und Schafställe nach wie vor rot im Grünen leuchteten, wo aber die Wohnhäuser mit schweinchenrosa Platten beplankt waren, bestimmt von Nutzen gegen Wind und Rückenrheumatismus, aber weniger ein Genuss für das Auge eines Städters. Während Eva mich in Kenntnis über die trostlose Einstellung des schwedischen Staates zur Landwirtschaft setzte, veränderte sich das Aussehen der Landschaft in fast symbolischer Form, und wir fuhren ins Zukunftsland, wo Wochenendhäuser auf halbzugewucherten Koppeln zwischen Kiefernwäldern und kleinen Felsen hockten. Und schon lag das Meer im Sonnenschein mir glitzernd zu Füßen, und wir ließen die gebrechliche Brücke hinter uns. Ich dachte an den Wind und die Feuchtigkeit und die Kinder und außerdem an den Staatsminister, und schwere Beklemmung überkam mich.

      Doch Eva sprudelte, zeigte und winkte den seit Kindertagen bekannten Häusern und Lichtungen zu – und tatsächlich auch der einen oder anderen Kuh, so sehr war ihr die Nationalökonomin in Fleisch und Blut übergegangen. Niklas Svennberg vor uns lachte und sagte, sie habe alles erst vor ein paar Stunden gesehen, und Eva umschlang seinen Nacken und meinte, er habe überhaupt keine Ahnung …

      »Ah! Guck doch mal, der alte Mann da vorne will bestimmt mitgenommen werden, kennst du den? Sieht ziemlich ungefährlich aus … Meine Güte, das ist ja Arvid Västermark! Was macht der denn mitten im Wald …«

      Das Bremsmanöver platzierte den Generaldirektor an die Beifahrertür, der Kerl jedoch machte ein paar Schritte und stieg hinten bei uns ein, ich erinnere mich, dass ich dachte, dass bestimmt Eva ihn angezogen hatte. Nach unverfrorener Manier eines alten Zeitungsmannes drängelte er sich an mir vorbei und zwängte sich in die Mitte des Rücksitzes.

      »Verdammt nett, dass Sie angehalten haben! Ich will zu einem Haus hinter den Bootsschuppen … Ach, was für ein Glück, die Tochter des Staatsministers … Das ist ja Eva! Wie groß du geworden bist! Es ist schon ein paar Jahre her! Generaldirektor Arvid Västermark … Svennberg? Ja, aber wir sind uns auch schon mal begegnet … Ja, ich gehöre zu den alten Fossilen, die kein Auto haben, aber ich werde morgen von einem Gast nach Norrtälje mitgenommen und habe dort einiges zu erledigen. Dann fiel mir ein, dass ich zu Fuß hier raus gehen muss, und ich nahm den Weg an der Küste entlang und hoffte, ein Exemplar der Brandseeschwalbe zu entdecken. Ich hörte es in Norrtälje munkeln, dass hier in der Gegend ein Paar gesichtet worden sei. Sehr selten ist dieser Vogel, es ist tatsächlich nicht bewiesen, dass er so weit im Norden brütet. Aber natürlich kein Schimmer, und nun fand ich, war es genug. Am Anfang war ich in Begleitung von Lisa Lind, einer Nachbarin auf Norrön, ja, du kennst sie bestimmt, nicht wahr, Eva? Aber sie war schon nach einer Stunde müde und wollte per Anhalter versuchen …«

      Manchmal verändern und stören die Farben, wenn die grauen Gestalten des Papiers zu Leben erwachen und man ihnen in der Wirklichkeit begegnet. Doch Arvid Västermark, ehemaliger Chefredakteur der »Arbetarkraft«, jetzt Generaldirektor der Polizeibehörde, sah den Fotos in der Zeitung ähnlich. Etwas grau irgendwie, ohne verwirrende Farbeffekte. Im Haarschopf rang Weiß mit Grau um die Vormacht; einige Nadeln und ein kleinerer Fichtenzweig fielen farblich nicht sonderlich auf, verstärkten nur den Eindruck eines sturmbeschädigten, aber lebenstüchtigen Vogelnestes, den die Frisur bot. Das Gesicht war mager, verschrumpelt und leicht gelbstichig, wie ein Buch, das man draußen im Regen vergessen und in der Sonne hatte trocknen müssen. Eine graue Windjacke über einem weißen Hemd, am Hals offen, und graue Flanellhosen saßen locker und wie zufällig, als wären

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