Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет
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Wir glaubten Grund zur Annahme zu haben, dass unsre Führer keine Unterthanen dieses Königs waren, sondern im Zwiespalt mit ihm gelebt und uns als Sühne gebracht hatten, um damit ihren Frieden mit einem Feinde zu machen, der für sie zu stark war. Wir erhielten endlich Befehl, in die Verzäunung zu treten, und gelangten in ein grosses offenes Gebäude, das wie die andern aus Binsen und Zweigen zusammengefügt war. In der Mitte hockte ein wild aussehender alter Neger, von vier jungen Negerinnen bedient — ein grobknochiger, magerer, sehr grosser Mensch, in dessen grimmigem Gesichte sich eine teuflische Wildheit ausdrückte, während jede Bewegung seiner Arme und Beine zeigte, welche gewaltige Muskelkraft sich unter seiner losen Haut barg. Ich hatte nie zuvor ein lebendes Urbild von so roher Kraft und viehischer Barbarei gesehen. Auf einer Matte vor ihm war allerlei Mundvorrath aufgestellt, hinter ihm befanden sich mehrere hässliche Wilde, die seine Waffen hielten, und zu jeder Seite, in grösserer Entfernung, standen Reihen von Negern, die mit gesenkten Köpfen und gekreuzten Armen seiner Befehle harrten. Der Häuptling oder König sowohl, als die vier Weiber, waren in Kleidern von blauem Baumwollenzeug, wie er im Lande gefertigt wurde, gehüllt; das heisst, ein Stück lief um die Lenden herum und fiel bis auf die Knöchel nieder, während ein anderes über die Schulter geschlagen war. Alle Uebrigen, wie im Durchschnitt die Einwohner, trugen, mit wenigen Ausnahmen, nicht die mindeste Leibesbedeckung; auch erinnert sich der Leser, dass wir uns in der gleichen Lage befanden. Die Weiber hatten um den Hals mehrere Schnüre von goldenen Kügelchen, die weiter und weiter wurden, bis die letzte Schnur fast auf den Magen herabhing; auch trugen sie nach dem Beispiel des Königs grosse Goldspangen um Arme, Handgelenke und Beine. Die Negerinnen waren jung und von nicht unangenehmem Aeusseren; sie stierten uns mit neugierigem Erstaunen an, während der König uns finstere Blicke zuwarf, ob denen uns das Blut in den Adern erstarrte. Endlich erhob sich Letzterer vom Boden, nahm einem der hinten stehenden Männer seinen Säbel ab und ging auf uns zu, die wir mit gesenkten Häuptern und athemlos vor Furcht unserem Schicksal entgegen sahen. Ich stand zufälligerweise vorn; er fasste mit einem Griffe, ob dem mir aller Muth entsank, meinen Arm und drückte mit der Hand, in welcher er den Säbel hielt, meinen Kopf noch tiefer hinunter, ohne Zweifel, um mir denselben abzuhauen. Aber jetzt umringten ihn die Weiber, die sich gleichfalls vom Boden erhoben hatten, und suchten durch Bitten und Liebkosungen ihn zu bewegen, dass er seine Absicht, wenn er wirklich eine solche hatte, nicht in Vollzug setze. Ihre Vorstellungen trugen auch endlich den Sieg davon; die Jüngste nahm dem grämlichen König seinen Säbel ab, und dann führten sie ihn nach seinem Sitz zurück, worauf die Weiber auf uns zukamen, um ihre Neugierde zu befriedigen. Sie betasteten uns Arme und Leib und stellten viele Fragen an diejenigen, welche uns hieher gebracht hatten; auch schienen sie sehr erstaunt zu sein über die Länge meiner Haare, die ich in einen Zopf gebunden trug. Sie nahmen ihn in die Hand, zerrten etliche Male sehr scharf daran, um sich zu überzeugen, ob er wirklich auf meinen Kopf gewachsen sei, und die Wahrnehmung, dass die Sache sich wirklich so verhielt, erfüllte sie mit grossem Erstaunen. Nachdem sie ihre Neugierde befriedigt hatten, schienen sie auch unsere Lage in Betracht zu ziehen, denn sie erbaten sich jetzt die Erlaubniss des alten Königs, uns Nahrung reichen zu dürfen, und brachten uns dann eine Kalabasche mit Kuschkusch, d. h. zu dickem Brei gekochtem Guinea-Korn. Da unsere Hände noch immer gebunden waren, so konnten wir nur durch Schütteln der Köpfe unsere Unfähigkeit, von ihrer Güte Gebrauch zu machen, an den Tag legen. Sie verstanden, was wir meinten, und zerschnitten unverweilt unsere Bande; auch äusserte die jüngste von den Vieren das lebhafteste Mitleid mit meinem kläglichen Zustande, als sie bemerkte, dass meine Arme in Folge des langen Gefesseltseins ganz abgestorben und unbrauchbar waren. Sie rieb sanft meine Handgelenke und zeigte in ihrem Angesichte alle Merkmale des Mitleids — ein Beispiel, hinter dem die übrigen drei nicht zurückblieben. Ich war jedoch der jüngste unter dem Haufen der Gefangenen und schien daher ihre Geneigtheit in besonderem Grade zu wecken. Bald nachher wurden wir Alle in ein anstossendes Zelt oder in eine Hütte gebracht, wo man uns den ganzen Körper mit einem Oel einrieb, welches uns nach mehrtägiger Anwendung vollkommen heilte und unsere Haut seidenglatt machte. Ueberhaupt war jetzt unsere Lage so ganz anders geworden, dass dieselben Neger, welche uns mit ihren Speeren gestachelt und mit Umbringen bedroht hatten, jetzt uns bedienen mussten; auch geschah dies mit der grössten Unterwürfigkeit und Sorgfalt, da die Weiber des Königs häufig erschienen, um sich von der Art unserer Behandlung zu überzeugen.
Sechstes Kapitel.
Ich falle als Sklave an Whyna, das Lieblingsweib des alten Königs — helfe meiner ungen Gebieterin die Toilette machen — unterhalte mich viel mit ihr und werde ihr sehr zugethan. — Mein Hass und meine Furcht vor dem alten König nehmen zu. — Er erschiesst einen Menschen mit Vogelpfeilen.
Eines Morgens, nachdem wir uns ungefähr drei Wochen in unserm behaglichen Quartier aufgehalten halten, wurde ich von meinen Kameraden weg und vor den König berufen. Ehe man mich ihm vorstellte, legte man mir um den linken Knöchel und um das linke Handgelenk kleine Fesseln, die durch eine leichte Kette mit einander in Verbindung standen. Auf den Kopf wurde mir ein Kranz von Federn gesetzt und um meine Lenden ein loses Tuch gebunden. Dann führte man mich vor, und ich näherte mich dem König mit über der Brust gekreuzten Händen und gesenktem Haupte. Seinem Befehle zufolge musste ich jetzt hinter die jüngste der vier Frauen, die mir meine Handgelenke gerieben hatte, treten, und man gab mir sofort zu verstehen, dass ich ihr Sklave sei und sie zu bedienen habe — eine Bestimmung, in die ich mich, wie ich gestehen muss, herzlich gerne fügte, obgleich ich mir damals meine Freude nicht anmerken liess. Ich blieb mit gekreuzten Armen und gesenktem Kopfe stehen, bis das Mittagessen hereingebracht wurde; jetzt gab man mir eine Kalabasche voll Kuschkusch in die Hand, damit ich sie dem König und seinen Weibern vorsetze. Mein erster Dienstversuch lief nicht sehr glücklich ab, denn in der Hast, meiner Obliegenheit nachzukommen, strauchelte ich über das Ende der Matte, welche als Tisch dienen musste, und stürzte köpflings vorwärts, so dass der Inhalt der Kalabasche, die ich in der Hand hielt, über die Beine des alten Königs ausgegossen wurde. Er sprang auf und brüllte vor Zorn; ich aber half mir in meiner Angst augenblicklich wieder auf die Beine und flüchtete mich nach der Wand hin, eines augenblicklichen Todes gewärtig. Zum Glück werden in diesem Lande die Speisen stets kalt aufgetragen, und es wurde meiner Gebieterin leicht, Verzeihung für mich zu erwirken. Sie lachte herzlich über den Vorgang und über meine Angst.
Nach beendigtem Mahl wurde mir befohlen, meiner Gebieterin zu folgen, die sich jetzt, dem herrschenden Brauch gemäss, nach einer anderen Hütte zurückzog, um die heisseste Zeit des Tages mit Schlafen zu vollbringen. Ich musste an ihrer Thüre Wache halten und jeder Störung vorbeugen. Meine einzige Pflicht bestand nun in Bedienung meiner jungen Gebieterin. Sie war das Lieblingsweib des Königs, und da sie sich stets freundlich und wohlwollend gegen mich benahm, so hätte ich wohl den Verlust meiner Freiheit verschmerzen können, wenn ich nicht in steter Angst vor der alten Majestät befangen gewesen wäre. Ich wusste, dass meine Erhaltung blos von der Gunst meiner Gebieterin abhing, und gab mir daher alle erdenkliche Mühe, mir durch meinen Eifer