Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет

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Der Kaperschiffer vor hundert Jahren - Фредерик Марриет

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welche Zeuge einer so schrecklichen Scene hatte sein müssen — vor ihren Augen der erschlagene Gatte, der einzige Sohn in seinem Blute ächzend, und sie allein, Alles dessen beraubt, was ihr theuer war! Am Morgen noch im Besitze eines grossen Reichthums, jetzt aber eine Wittwe, vielleicht kinderlos, eine Gefangene, eine Bettlerin und in den Händen gesetzloser Strolche, deren Fäuste noch von dem Blut ihres Gatten und ihres Kindes rauchten — ihrem Erbarmen preisgegeben und jedem Uebel ausgesetzt, das eine schöne, schutzlose Frau von Menschen zu befahren hat, die aller Grundsätze, allen Mitleids und aller Furcht baar sind! Wer konnte es dem verzweifelnden Wesen verargen, dass sie sich auf unsere Waffen zustürzte und den Tod suchte, der ihr unter solchen Umständen ein Segen sein musste? Nur mit Mühe konnten wir sie abhalten, sich ein Leides zu thun. Nach einem heftigen Kampf erlag endlich die Natur und sie sank ohnmächtig auf die Leiche ihres Gatten nieder, Kleider und Haar in das Blut tauchend, welches das Kajütendeck überflutete. Diese Scene des Elends erschütterte sogar diejenigen, welche sie verschuldet hatten. Unsere Matrosen, wie sehr sie auch an Blutthaten und Schändung gewöhnt waren, blieben still und unbeweglich auf ihre Wehren gestützt, während ihre Augen unverwandt auf der bewusstlosen Gestalt der unglücklichen Dame hafteten.

      Die Wuth des Kampfes war jetzt vorüber; die Leidenschaften hatten sich gelegt, und wir fühlten uns über einen Sieg beschämt, der mit so unaussprechlichem Weh erkauft war. Das Getümmel des erneuerten Gefechts hatte den Kapitän herbeigerufen; er ertheilte Befehl, die Dame von diesem Schauplatz des Entsetzens fortzunehmen und in seiner eigenen Kajüte sorgfältig zu verpflegen. Auch wurde die Wunde des Sohns, der noch am Leben war, sogleich verbunden und der Rest der Gefangenen in Sicherheit gebracht. Schwer bedrückt von der Scene, die ich mitangesehen, kehrte ich auf das Deck zurück. Als ich daselbst umherschaute und die Bretter mit Todten und Sterbenden besät sah — Sieger und Besiegte ohne Unterschied durcheinander gemischt, so dass das Blut von beiden Nationen seine Ströme vereinigte — konnte ich mich der Frage nicht erwehren: „Ist’s möglich, dass dies rechtlich und gesetzlich sein soll? Kann ein solches Gemetzel, das keinen andern Zweck hat, als das Eigenthum Anderer zu gewinnen, durch die Händel der Könige gerechtfertigt werden?“ Vernunft, Religion und Menschlichkeit antworteten mir mit Nein.

      Meine Unruhe und Niedergeschlagenheit wollte sich nicht beschwichtigen lassen; ich kam mir selbst wie ein Mörder vor. Dann stellte ich Betrachtungen darüber an, wie die Habe, welche in den Händen ihres früheren Besitzers vielleicht viele gute Früchte getragen hätte, jetzt verschwendet werden sollte, in Schwelgerei und Ausschweifungen — wie sie nur dazu diente, das Laster zu erkaufen und der wüstesten Schlemmerei zu fröhnen. Ich war damals noch jung und fühlte einen solchen Abscheu vor mir selbst und meiner ganzen Umgebung, dass ich, wäre ich in England gewesen, wahrscheinlich meinen Fuss nie wieder an Bord eines Kapers gesetzt haben würde.

      Beschäftigung hinderte mich übrigens, weiter über die Sache nachzudenken. Die Decken mussten gesäubert, die Leichen über Bord geworfen, das Blut von den weissen Planken gewaschen, die Verwundeten untergebracht, ihre Wunden verbunden und die Beschädigungen am Holz- und Takelwerk ausgebessert werden. Nachdem Alles dies geschehen war, setzten wir die Segel aus, um mit unsrer Prise nach Jamaica zu steuern. Unser Kapitän, der eben so mild und wohlwollend gegen die Besiegten, als tapfer und entschlossen im Gefecht war, gab sich alle Mühe, der Dame ihre Gefangenschaft und ihren Schmerz zu erleichtern. Ihre Kleider, ihre Juwelen und Alles, was ihr gehörte, wurden ihr ungeschmälert aufbewahrt. Er duldete nicht einmal eine Durchsuchung ihrer Koffer und würde ihr sogar sämmtliche persönliche Effekten ihres Gatten gerettet haben, wenn sich nicht die Mannschaft bereits derselben als guter Prise bemächtigt und die Rückerstattung verweigert hätte. Ich schäme mich fast, zu sagen, dass der Degen und die Uhr des Franzosen mir zu Theil geworden waren; rührte es nun von dem Umstand her, dass ich die Waffe trug, oder hatte sie gesehen, wie ich die todbringende Kugel auf ihren Gatten abgefeuert — genug, die Dame drückte stets ihren Abscheu aus, so oft ich in ihre Nähe kam. Ihr Sohn erholte sich langsam von seiner Wunde, und als wir zu Port-Royal anlangten, gestattete der Admiral, ihn nach dem Königlichen Hospital zu bringen; die Mutter aber, die ihn aufs Zärtlichste liebte, begab sich gleichfalls ans Land und blieb in dem Krankenhaus, um ihn zu verpflegen. Ich freute mich über ihre Entfernung, da ich wohl wusste, wie viel sie Ursache hatte, mich zu hassen, und wie mir ihr Anblick stets Gewissensbisse bereiten musste. Sobald wir die nöthigen Ausbesserungen vervollständigt und das Schiff mit Mundvorrath und Wasser versehen hatten, fuhren wir zu einem zweiten Kreuzzug aus, der übrigens, wie sich bald erweisen wird, nicht so glücklich ablief.

      Wir kreuzten fünf oder sechs Wochen ohne Erfolg, und unsere Mannschaft begann bereits zu murren, als eines Morgens unsere Boote in der Nähe der Küste von Hispaniola einen kleinen Schooner überraschten.

      Ein Neger, der sich unter den Gefangenen befand, machte uns das Anerbieten, er wolle uns nächtlicher Weile durch die Wälder nach dem Hause eines sehr reichen Pflanzers führen, das ungefähr eine Meile von einer kleinen Bai und in einiger Entfernung von den übrigen Pflanzungen liege. Wie er versicherte, stand uns daselbst eine sehr werthvolle Beute bevor; auch stellte er uns ein grosses Lösegeld für den Pflanzer und seine Familie in Aussicht, abgesehen davon, dass wir eine beliebige Anzahl von Negersklaven mit uns fortnehmen könnten.

      Unser Kapitän, den der bisherige schlechte Erfolg verdross und dem es noch ausserdem um Ersatz der sehr geschmälerten Mundvorräthe zu thun war, ging auf den Vorschlag des Negers ein und steuerte nach der Bai in der Bucht von Lugan hinunter. Nachdem er in der Dunkelheit eingelaufen, warf er dicht an der Küste Anker, und wir landeten mit vierzig Mann, welche unter der Führung des Negers durch die Wälder nach dem Hause hinzogen. Der Neger wurde mit einem unserer kräftigsten und besten Leute fest zusammengebunden, damit er uns nicht entwische. Es war eine schöne Mondnacht; wir langten bald an dem Hause an, umringten es und brachen uns ohne Gegenwehr Bahn. Nachdem wir uns in den Aussengebäuden der Neger versichert und eine Wache über dieselben gesetzt, ferner auch Vedetten ausgestellt hatten, welche uns im Falle einer Ueberraschung zeitig Nachricht geben sollten, machten wir im Werke der Plünderung fort. Die Familie, aus dem alten Pflanzer, seiner Gattin und seinen drei Töchtern bestehend, von denen zwei sehr schön waren, wurde in einem einzigen Zimmer zusammengesperrt. Keine Worte sind im Stand, ihren Schrecken auszudrücken, als sie sich so plötzlich in der Gewalt eines wilden Haufens sahen, von dessen Rohheit sie alles Schlimme zu befürchten hatten. Auch waren ihre Besorgnisse durch die maslosen Ausschweifungen, welche die Kapermatrosen beim Landen an der Küste zu begehen pflegten, völlig gerechtfertigt, denn da man allgemein dieses Marodir-System als das heilloseste der ganzen modernen Kriegskunst betrachtet, so wird denen, welchen ein Versuch nicht glückt, nie Pardon ertheilt, wesshalb denn auch die Mannschaft eines Kapers bei ihren Unternehmungen vor keiner Grausamkeit zurückschaudert.

      Stumm vor Schrecken und Entsetzen sass das alte Paar in der qualvollsten Seelenangst da, während die armen Mädchen, welche weit Schlimmeres als den Tod zu befürchten hatten, unter Thränenströmen dem Kapitän zu Füssen fielen, seine Kniee umarmten und ihn um Schonung wie auch um Schutz gegen seine Leute baten.

      Kapitän Wheaterhall, der, wie ich bereits bemerkte, ein edler, menschenfreundlicher Mann war, richtete sie auf, und gab ihnen mit seinem Ehrenworte die Versicherung, dass sie keinen Unglimpf erleiden sollten. Da seine Anwesenheit unter der Mannschaft nöthig war, um ihre weitere Bewegungen zu lenken, so gab er mich, als den Jüngsten und am wenigsten Rohen im ganzen Haufen, den Mädchen als Wache bei, und bedrohte mich mit dem Tode, wenn ich bis zu seiner Rückkehr irgend Jemand in’s Zimmer lasse; auch befahl er mir, meine Schützlinge mit meinem Leben gegen jede Beschimpfung zu vertheidigen. Ich war damals ein enthusiastischer Jüngling, wohlwollenden Herzens und konnte in Vergleich mit der Mehrzahl meiner Genossen als rein betrachtet werden, wesshalb ich das mir vertraute Amt mit Entzücken annahm. Das Herz klopfte mir, dass mir ein so ehrenhafter Dienst übertragen worden war.

      Ich bot allen meinen Kräften auf, um den Schreck der Gefangenen zu beschwichtigen und ihre Besorgnisse zu mildern; aber während ich noch in dieser Weise beschäftigt war, erschien ein irischer Matrose, der sogar unter unserer Mannschaft um seines abscheulichen Charakters willen berüchtigt war, an der Thüre und wollte sich den Eingang erzwingen. Ich trat ihm

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