Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет
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Der französische Schooner war der erste, der Seite gegen Seite neben uns auffuhr; er steuerte unter leichtem Winde nach uns herunter. Der Kapitän breiete uns zu, dass sein Schiff die Espérance sei, worauf unser Kapitän erwiederte, man melde ihm nichts Unbekanntes; auch ihnen werde bekannt sein, dass sein Schooner die Rache sei. Der französische Kapitän, welcher beigelegt hatte, antwortete sehr höflich, er wisse wohl mit welchem Schiff er zu thun habe; auch sei ihm die Tapferkeit und der ausgezeichnete Ruf des Kapitäns Weatherall nichts Neues. Unser Kapitän, der auf dem Schanddeck stand, nahm zu Anerkennung dieses Kompliments den Hut ab.
Kapitän Weatherall war also bekannt, und die beiden Schiffe konnten deshalb wohl wissen, dass sie einen scharfen Widerstand zu befahren hatten, den sie füglicherweise vermeiden konnten; denn wenn sie auch siegten, so konnten sie nichts als einen grossen Verlust an Mannschaft erholen. Der französische Kapitän redete daher Kapitän Weatherall abermals an und drückte seine Hoffnung aus, nun er einen so weit überlegenen Feind vor sich habe, werde er sich wohl auf keinen nutzlosen Widerstand einlassen wollen; unter obwaltenden Umständen könne ihm die Uebergabe nicht zur Schande gereichen, und da er dadurch das Leben vieler seiner tapferen Leute schone, so werde ihn seine bekannte Menschlichkeit wohl veranlassen, die Flagge zu streichen.
Dieses Ansinnen wies unser Befehlshaber mit ritterlicher Entschiedenheit zurück. Die Schiffe lagen jetzt so nahe beisammen, dass man einen Zwieback von einem Bord an den andern hätte werfen können. Es folgten nun noch weitere wohlgemeinte Vorstellungen, welche anhielten, bis das spanische Schiff in kurzer Entfernung von unserem Sterne stand.
„Ihr seht unsere Ueberlegenheit,“ sagte der französische Kapitän. „Versucht nicht den Kampf gegen das Unmögliche, sondern schont das Leben Eurer tapfern Leute, die Ihr andernfalls nutzlos in den Tod jagt.“
„Um Eure freundliche Gesinnung gegen mich zu erwidern,“ entgegnete der Kapitän Weatherall, „biete ich euch beiden Pardon an; auch will ich alles Privateigenthum respektiren, wenn Ihr unverweilt Eure Flagge streicht.
„Seid Ihr von Sinnen, Kapitän Weatherall?“ rief der französische Kapitän.
„Ihr gebt zu, dass ich mein Leben als ein Tapferer verbracht habe,“ versetzte Kapitän Weatherall, „und deshalb will ich Euch zeigen, dass ich Euch besiegen oder im Nothfalle auch als ein Tapferer sterben kann. Wohlan, zum Gefecht! Höflichkeitshalber biete ich Euch die erste Salve an.“
„Unmöglich,“ entgegnete der französische Kapitän, indem er seinen Hut abnahm.
Unser Kapitän erwiderte den Gruss, worauf er über das Schanddeck hinunterglitt und Befehl zu Füllung der Segel ertheilte. Nachdem er dem Franzosen eine Minute Zeit zur Vorbereitung gelassen, feuerte er das Gewehr, das er in der Hand hielt, in die Luft und gab damit das Zeichen zum Beginn des Gefechts. Wir eröffneten unverzüglich das Werk des Todes, indem wir eine Breitseite donnern liessen. Das Kompliment wurde in demselben Geiste erwidert, und mehrere Minuten lang dauerte die Kanonade wüthend fort; mittlerweile aber fuhr der Spanier, der sein Takelwerk voll Mannschaft hatte, an unserer Leevierung auf, um zu entern. Wir klappten unser Steuer luvwärts und holten unsere Fockschoten in den Wind, so dass wir quer von seiner Klüse abfielen und ihn vorn und hinten mit mehreren vollen Lagen bestreichen konnten. Unsere Kanonen waren mit Kartätschen und Bleikugeln geladen; da nun die Mannschaft des Spaniers vorn zu Hauf stand, um zu uns an Bord springen zu können, so gewann jetzt sein Deck ganz das Aussehen eines Schlachthauses. Die Offiziere bemühten sich vergeblich, ihre Leute zu ermuthigen; denn diese waren durch das Gemetzel so eingeschüchtert, dass sie, statt es auf unsere Decken abzuheben, sogar ihrer eigenen vergassen. Der Franzose bemerkte die Noth und Bestürzung seines Kameraden, weshalb er, um demselben Gelegenheit zu geben, sich aus seiner gefährlichen Lage zu winden, sein Steuer leewärts stellte, zu uns an Bord lief, und seine Leute über uns ausgoss; wir waren übrigens gut vorbereitet und hatten unsere Decken bald von den Eindringlingen gesäubert. Mittlerweile war der Spanier, dessen Bugspriet sich in unser Takelwerk verwirrt hatte, durch Kappen des letzteren wieder losgekommen, und fiel leewärts ab. Als der Franzose dies bemerkte, schor er ab, lief in den Wind und schoss uns voraus. Dies war der erste Akt dieses schrecklichen Drama’s. Bis jetzt hatten wir noch wenig Schaden erlitten, da wir durch die Ungeschicklichkeit des Feindes sowohl, als durch unser eigenes gutes Glück in die Lage gesetzt worden waren, die unvortheilhafte Lage unserer Gegner in bester Weise zu benützen.
Aber trotz der Ermuthigung, welche nothwendigerweise aus einem so günstigen Anfang quoll, waren wir doch in Mannschaft so sehr verkürzt, dass es unser Kapitän für Pflicht hielt, alle Segel auszubreiten und zu versuchen, ob es ihm nicht gelinge, den ungleichen Kampf zu vermeiden. Diesem widersetzten sich indess unsre Feinde durch die wüthendste Kanonade, die wir in einem rennenden Gefecht muthig entgegennahmen und erwiderten, bis uns zuletzt Fockraa und Fockstenge weggeschossen waren, so dass wir das Fahrzeug nicht länger in unserer Gewalt hatten. Aber obgleich wir bei unserem verkrüppelten Zustande an ein Entkommen nicht weiter denken konnten, machten wir doch unausgesetzt mit Feuern fort, und die beiden Schiffe trafen auf’s Neue Vorbereitungen zum Entern, während wir unsrerseits uns anschickten, sie warm zu bewillkommen.
Den Franzosen kannten wir als unsern schlimmsten Gegner, und da wir wussten, dass er uns auf dem Luvbuge entern musste, so brachten wir vier von unseren bis an die Mündung mit Musketenkugeln geladenen Kanonen auf die andere Seite, um diesen Feind zu empfangen; auch standen unsere Leute mit Handgranaten bereit und erwarteten den Angriff. Die Mannschaft der Esperance hing wie ein Bienenschwarm sprungfertig im Tackelwerk, und als das Fahrzeug gegen unsere Buge herunterkam, krachte unser Geschütz, ein schreckliches Gemetzel verbreitend. Die Matrosen wichen zurück, stürzten über die Getödteten oder Verwundeten, und der französische Kapitän, der wirklich ein trefflicher Krieger war, musste aller seiner Tapferkeit aufbieten, um durch sein Vorbild den Rest seiner Mannschaft zu ermuthigen. Dies gelang ihm endlich und ungefähr vierzig gelangten auf unser Vorderkastell, von dem sie unser schwaches Häuflein verdrängten. Ohne übrigens ihren Erfolg weiter zu benützen, behaupteten sie blos ihre Eroberung, denn sie wollten augenscheinlich abwarten, bis sie durch das Entern des Spaniers auf unserer Leevierung unterstützt würden, weil wir dann zwischen zwei Feuer gebracht werden konnten, und unsere kleine Streitmacht sich theilen musste. Mittlerweile hatte sich der Wind, der bisher nur leicht gewesen, fast zu völliger Windstille gelegt, und eine Schwelle auf der See trennte die beiden Schiffe. Der Spanier, welcher unserem Lee gegenüber stand, hatte nur wenig Steuergang und nicht Luv genug, so dass er uns nicht einholen konnte, sondern abfiel und leewärts trifftete. Die Franzosen an unserem Bord, welche unser Vorderkastell besetzt hielten, konnten wegen der trennenden Meeresschwelle von ihrem eigenen Schiff keinen Beistand erhalten, und von dem leewärts stehenden Spanier hatten sie noch weniger zu hoffen; wir warfen daher unter dreimaligem Hurrahruf eine Anzahl von Handgranaten unter sie, rannten mit unsern Halbpiken an, und richteten ein furchtbares Gemetzel an. Von den über Bord Getriebenen entkam nur ein Einziger, der mit verwundetem Dickbein nach seinem Schiff zurückschwamm. Jetzt trat eine Pause in dem Kampf ein — Ende des zweiten Akts.
Bisher war das Gefecht mit entschlossener Tapferkeit geführt worden, aber nach diesem Handgemenge und dem Gemetzel, mit welchem es endigte, schienen beide Theile zu einer wahren Tigerwuth gestachelt zu sein. Unsere zwei Gegner begannen nun aufs