Untergang der Juno. Hans Leip

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Untergang der Juno - Hans Leip

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wie das Sinnbild des Lebens selber und wie der vorweggenommene Abschied von seiner bittersüssen Schönheit.

      Jetzt aber, seine Rührung bekämpfend, flüstert er nur: „Ade, ade, liebe Heimat!“

      Dann eilt auch er ins Boot. Der junge Matrose stiess kräftig mit dem Riemen ab, und die Parishsöhne, bis dahin entzückt dem Lärm des Stromes zugewandt, wurden aufmerksam und halfen das Boot flottmachen, bedauernd, dass es für ihr Trio keinen Platz mehr habe. Das Fräulein aber, das schwankend dagestanden hatte, lief nunmehr mit geschlossenen Augen dem Knirschen des Sandes nach. Mackay rief ihr zu, ihre Schuhe würden nass. Seine Stimme klang dünn und verschluckt. Sie erstarrte wie aus Traumwandel geweckt, sank nieder und blickte mit weit offenen trostlosen Augen hinter den Entschwindenden her.

      Die Knaben sahen noch eine Weile verlegen auf sie hin. Dann liefen sie plötzlich stumm fort und waren froh, als eine Freundesjolle sie anpreite und einlud, mit ins Gewimmel zu schlüpfen, das mehr und mehr anschwoll, da die Marktewer aus Cranz, York, Wedel und der Lühe von Hamburg kamen und nach Haus wollten. Auch strebten einige grössere Amerikaner und etliche Fischerboote seewärts.

      Mackay wischte mit einem Tuch aus blauem Kattun über seine Stirn. „Es sind ihre Nerven!“ erklärte er seinem Begleiter, als ob er Fräulein Sanders entschuldigen müsse. „Sie hat sich noch nicht ganz erholt von dem schrecklichen Erlebnis mit der alten Juno.“ Und wie zu seiner eigenen Entschuldigung setzte er hinzu: „Es ist Unsinn, zu heiraten, bevor man Kapitän ist!“

      4

      Tumult im Strom

      Zur rechten Zeit in Schwall und Schwarm,

      Zur rechten Zeit allein gehaust,

      Zur rechten Zeit ein Liebesarm,

      Zur rechten Zeit die Faust!

      Vom Orchester in Parishs Park erscholl jetzt der stolze Einzugsmarsch in den Palast des Paschas.

      Die rot überfüllten Harburger Ewer querten nun die Buge der Transportschiffe, schwenkten regellos ein und legten sich an die runden Bäuche. Freiherr von Plato angelte mit Mühe das Stabsboot aus dem Knäuel und leitete es zur Juno. Seine beiden Schreiber turnten wie die Meerkatzen von Bord zu Bord, mit heiserem Geschrei nach den Kompanien suchend und die Quartierzettel schwingend, die am Vormittag unter Vorbehalt fertiggemacht waren. Die Fallreepe allerorts verschwanden unter hochkletternden Rotröcken. Die Feldwebel liessen in den Mitteldecks antreten. Aber bei der ungewohnten Raumenge war keine rechte Ordnung zu halten. Die Schlafstellen wurden gruppenweise zugeteilt. Es erwies sich bald, dass sie nicht reichten, oder vielmehr dass nur mit Ablösung abteilungsweise werde geschlafen werden können. Und wo sollte man mit dem Gepäck bleiben? Das Bettzeug war dürftig, Geschirr und Einrichtung spärlicher als selbst in einem Barackenlager. Man verlangte nach Verpflegung; Marsch und Wasserfahrt hatten Magen und Kehle aufgekratzt.

      Jedoch die Kapitäne hatten trotz aller Vorbesprechung mit dem Reeder vergessen, Genügendes zu bereiten. Womöglich wollten sie gerade dadurch ihr Verständnis für das Geschäft des Reeders erweisen, bis auf den Kapitän der Juno, wo es schliesslich am wenigsten dringlich gewesen wäre. Da dampfte der Grogkessel auf dem Kombüsenfeuer, und Brot und Rauchfleisch waren reichlich zur Hand. Die Juno schien sich der Ehre bewusst, den Regimentsstab aufzunehmen.

      Auf den beiden Hamburger Schiffen ging es auch noch an, da man sich mit der Besatzung wenigstens erst mal verständigen konnte. Bei der Unterhaltung kam allerdings nichts Erquickliches heraus, weil die Seeleute nach alter Gewohnheit die Landratten betreffs der Fahrt, des Essens und des Reisezieles gehörig durch den Kakao zogen.

      Schlimmer ging es alsbald an Bord der Dänen zu, deren Kapitäne am meisten getrunken oder am wenigsten vertragen hatten und erstens nichts verstanden und zweitens sich nichts sagen lassen wollten.

      Die Soldaten, da die Luken noch nicht geschlossen waren, stolperten mutwillig über die Proviantfässer und erbrachen auch einige gewaltsam, wobei aber nichts als Sauerkraut zum Vorschein kam. Es begann deswegen ein Mordsgefluche, das schnell in eine allgemeine Prügelei ausartete, erst nur zwischen Unteroffizieren und Gemeinen, die sich aber bald einigten und nun gemeinsam über die Matrosen herfielen und Kapitän und Steuerleute von Bord jagten. Der Krakeel wirkte ansteckend. Auch die Hamburger Kapitäne mussten in die Boote flüchten, ehe die Offiziere, die sich auf der Juno versammelt hatten, eingreifen konnten. Und da der Rapport des Quartiermeisters so überaus ungünstig ausfiel, zögerte Oberst Löwenstein auch tatsächlich mit einer raschen Gegenmassnahme. Man sollte höheren Orts ruhig erkennen, dass mit seinen Werbe-Regimentern nicht zu scherzen sei. Und waren es teils auch nur gepresste Söldner und Abenteurer von allen deutschen Landstrassen, teils waren es gute hessische Bauernjungen und teils wirklich respektierliche hannöversche Landeskinder.

      Vielleicht wäre man über Bremen besser bedient worden denn über Hamburg, meinte der Kommandeur ärgerlich. Er verlangte nach dem Agenten.

      Der Transportagent aber war ganz entgegen eigenem Wunsche von den Hamburgern mit an Bord genommen worden und geriet dort einem Sergeanten in die Finger, der jene denkwürdige Fahrt nach Ostindien vor fünfzehn Jahren mitgemacht hatte und erst vor vieren zurückgekehrt war. Er glaubte, den Herrn von damals wiederzuerkennen, der sie zum Satan schlecht bedient hatte. Er raunzte, zwei Jahre hätten sie gebraucht, um hinzukommen, und er habe schuld, auch am Unglück der Brillant, und von sieben Offizieren seien vier verreckt, und auch sein guter Hauptmann von Plato, Vetter des Quartiermeisters, die Gemeinen ungerechnet, und ob er nun wieder Schindluder mit braven Kerlen treiben wolle!

      Da half kein Gezeter, man warf den armen Agenten mit Hohngebrüll über die Reling, dem Kapitänsboot nach, das ihn wieder auffischte.

      Nun wurde die Sache ernst. Oben in Parishens wundervollem Park gab es verstörte Gesichter. „Mein Lord, mein Lord!“ rang der grosse Handelsherr die Hände. „Nie wieder Menschenfracht! Pökelfleisch ist dankbarer!“

      Er suchte Sir Popham, um jedes böse Gewissen von sich abzuwälzen. Er hatte alles getan, was der Kalkulation nach angebracht war. Er war schon einmal mit einem westindischen Geschäft hineingefallen, hatte viel Geld in ein paar niedliche Briggs gesteckt, hatte sie tatsächlich mit Pökelfleisch befrachtet, und alles war wohlbehalten in Tobago angekommen, nur dass Herr Millar, der Superkargo, mit dem prächtigen Erlös nach Amerika verduftete und die Schiffchen auf Ballast nach Hause schickte. Solche Zwischenfälle sollten einen redlichen Menschen wohl vorsichtig stimmen.

      „Mein teuerster Popham!“ jammerte er vor der Tür eines diskreten Ortes, wohin, wie er annahm, der englische Bevollmächtigte sich zurückgezogen habe. „Warum haben Sie keine Fregatten, keine Linienschiffe oder wenigstens ein paar Kanonenboote mitgebracht, um unsere Ladung in Räson zu halten? Alles geht über Top und Takel und kapseis!“

      Aber Käptn Popham war schon fortgegangen.

      5

      Im Namen des Königs

      Ein Name tut’s an sich noch nicht,

      Es muss auch was dahinter stecken.

      O, gib uns, Herr, das rechte Licht,

      Dass wir vor Namen nicht erschrecken!

      Sir Popham hatte seine kurze Tobakspfeife angezündet und war bei der allgemeinen Aufregung ruhig zum Strand hinabgestiegen. Er winkte den vier Kapitänen, die gerade in missmutiger Debatte beschlossen hatten, hinaufzugehen und bei Herrn Parish abzuheuern. Zu ihrem eigenen Erstaunen gehorchten sie der entschiedenen Geste des vierschrötigen Engländers und folgten ihm allesamt in eines

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