Die Politik Jesu. John Howard Yoder
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9 Im Kommentar bringe ich noch einige weitere Dimensionen dieser Behauptung.
10 Die klassische amerikanische Formulierung der Abhängigkeit der Ethik Jesu von seiner Erwartung eines baldigen Endes der Geschichte ist Niebuhrs (1935); ihr folgen Paul Ramsey und viele andere.
11 „Jesus behandelt nur die einfachste moralische Situation … den Fall einer Person in Beziehung zu nur einer anderen. Er unternimmt es nicht, zu erklären, wie Menschen, die (für sich selbst) keinerlei Widerstand leisten sollen …, wenn sie allein die Schläge erhalten, in komplizierteren Fällen handeln sollen.“ Ramsey (1950), S. 167 ff. Ein Vertreter der Tendenz, die Lehre Jesu zu enthistorisieren, gerade in der Absicht, sie ernst zu nehmen, ist Colwell (1963). Obwohl Colwells Buch dahin zielt, die grundsätzliche historische Zuverlässigkeit der Evangelienberichte neu zu bestätigen, meint er, dies dürfe nicht dahingehend verstanden werden, dass damit soziale Konkretheit eingeschlossen sei. Die Versuchungslegende (S. 47) ist ein dramatisches Gleichnis der Demut, keine Versuchung. Die Häufigkeit wirtschaftlicher Motive in Gleichnissen und ethischer Lehre sollte nicht als Anzeichen einer bestimmten Einstellung zu Reichtum und Arbeit angesehen werden (S. 60). Habsucht ist falsch, nicht weil sie dem Bruder das Brot wegnimmt, sondern weil sie in geistlicher Hinsicht verderblich ist.
12 Eine Standardformulierung dieser Auffassung findet sich bei Mehl (1966), S. 44ff. Nach Mehl war Jesu Anliegen ausschließlich auf das Individuum bezogen. Er verhielt sich indifferent gegenüber sozialen oder politischen Angelegenheiten, und er stand dem Anliegen der Zeloten fern. Es ist daher eine Neuerung (nach Mehl eine heilsame), dass die christliche Ethik sich erst in moderner Zeit und als Antwort auf die Herausforderung des Sozialismus mit Fragen der Sozialstruktur beschäftigt. Es könnte ausführlicher gezeigt werden, wie dieses Denkmuster sich durchhält, sogar unter dem Deckmantel einer Sprache, die anscheinend ziemlich genau das Gegenteil meint. Wenn z. B. von Jesus als demjenigen gesprochen wird, der „wahre Menschlichkeit enthüllt“, oder wenn von der Menschwerdung als Offenbarung gesprochen wird, so könnte das durchaus heißen, wir könnten oder sollten zu dem Menschen Jesus in all seiner möglichen Menschlichkeit gehen, um zu sehen, wie Gott den Menschen will. Doch in der tatsächlichen Praxis der zeitgenössischen „Inkarnationstheologie“ dient diese Sprache im Normalfall als Präambel oder als Bekräftigung einer Definition wesentlicher oder allgemeiner Menschlichkeit, die aus ganz anderen Quellen abgeleitet wird.
13 Dies ist das zentrale Anliegen H. Richard Niebuhrs schon in Niebuhr (1951), besonders S. 234ff, und weiter in Niebuhr (1960) und in Niebuhr (1963).
14 Dass diese Quelle der Ethik „eine andere als Jesus“ ist, braucht natürlich nicht zu bedeuten, dass sie keinen Bezug hat zur Offenbarung. Man kann sehr gut von ihr sprechen als der Ordnung, die Gott der Vater geschaffen hat, oder als einem Imperativ, der in der jeweiligen Situation durch das Wirken des Heiligen Geistes erkannt wird, oder als dem „kosmischen Christus“ oder „Gottes Wirken in der Geschichte“. All diese populären Ausdrücke, wie sie gegenwärtig in der ethischen Diskussion gebraucht werden, führen uns weg von der Konkretheit Jesu zu einer anderen Quelle von Normen. Weitere Beispiele des Standpunktes, der Jesus im Namen der „Offenbarung“ relativiert, weiter unten, S. 114ff.
15 Die ökumenischen Manieren haben sich in den letzten Jahrzehnten etwas gebessert. „Frühkatholizismus“ wird heute nicht mehr als abwertende Bezeichnung gebraucht. Doch der Grundgedanke, dass die Entwicklung eines ethischen Katechismus wegführt von der ursprünglichen Radikalität Jesu, ist noch verbreitet.
16 Vgl. die eingehendere Beschreibung dieser Ansicht auf S. 183ff.
17 Graydon F. Snyder verdeutlicht in seiner unveröffentlichten Dissertation Snyder (1961), S. 18ff, dass die Analyse in vielem von der schon feststehenden hegelianischen Ausrichtung der Tübinger Schule diktiert wurde.
18 Die Vereinfachung der gegenwärtigen Aufgabe im Nichteingehen auf die textkritischen Fragen geschieht nicht, um widersprechendes Material auszuschalten. Textkritische Studien bestätigen im allgemeinen unsere These; vgl. S. 51, Anm. 77.
Es sollte nicht angenommen werden, dass diese Studie in ihrer Entscheidung, historisch-kritischen Problemen nicht ausführlich nachzugehen, irgendwelche neo-fundamentalistische Vermutungen über die Komposition des Evangelientextes anstellt oder über die Verschiedenheiten in der Entwicklung der frühen Gemeinden und während der Herausbildung der kanonischen Texte. Es werden auch nicht irgendwelche besonderen Vorstellungen entwickelt, wie man hinter den Evangelientexten in ihrer überlieferten Form zu einem Verständnis des „historischen Jesus“ kommt. Weitere Diskussion oder die Konstruktion von Hypothesen über dieses Thema werden hier zurückgestellt, nicht weil sie als unwichtig angesehen werden oder weil der Verfasser sich darüber im Klaren wäre, was sie erbringen sollten, sondern nur deshalb, weil eine sorgfältige Lektüre des kanonischen Textes für unsere gegenwärtige These genügt. Es wäre allerdings ein Argument gegen unsere Lesart der Jesus-Geschichte, wenn die historisch-kritischen Forscher solide Beweise auftischten, dass der von ihnen gefundene „wirkliche Jesus“ ziemlich unvereinbar mit demjenigen sei, den wir im kanonischen Bericht finden. Wir werden dieser Herausforderung begegnen müssen, wenn sie auftauchen sollte. Aber bisher hat noch kein Forschungsansatz solche Ergebnisse erbracht. Im Gegenteil, je skeptischer die Forscher hinter den Dokumenten nach dem suchen, was sie als „harte Fakten“ anerkennen (in der Annahme, den Evangelienschreibern sei es weniger um solche Daten gegangen), und je selbstsicherer sie ihr neues Konzept, wie es tatsächlich war, entwerfen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass Interpretationen entstehen könnten, die das traditionelle dogmatische Bild des apolitischen Jesus unterstützen, und desto wahrscheinlicher wird die Bekräftigung der Glaubwürdigkeit jener Elemente des Bildes, mit denen wir uns hier beschäftigen.
Die traditionelle dogmatische Zurückweisung der Relevanz des sozialen Beispiels Jesu für die Ethik war nicht auf eine alternative kritische Rekonstruktion des „wirklich Geschehenen“ gegründet, und daher braucht eine Herausforderung dieser Tradition nicht neue anerkannte kritische Resultate abzuwarten.
Doch nachdem ich nun meine ernsthafte Offenheit gegenüber der textkritischen Aufgabe dargelegt habe, sei es mir erlaubt, auch einen gewissen Skeptizismus zu bezeugen, und zwar über das Ausmaß an Klarheit, das die in diesem Forschungsfeld geläufigen Techniken versprechen. Jeder, der den vorliegenden Versuch, ehrlich mit dem kanonischen Text umzugehen, mit den sehr kühnen und kreativen Rekonstruktionen Carmichaels und Schonfields, Brandons oder Hamiltons vergleicht, wird wohl kaum zu dem Schluss kommen, die letzteren zögerten selbstkritisch vor dem Risiko fragwürdiger Hypothesen.
19 Bammel