Die Lady und der Admiral. Hans Leip
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Hans Leip
Die Lady und der Admiral
Roman
Saga
Antlitz des Alltags, zwischen Hast und Feier
halb wach, kleinkramgeschäftig, bald verweht:
Es ist nicht wahr, dass Gott vorübergeht
und das vermisst, was uns Ihm köstlich deucht.
Er liest in dir der Menschheit Wesen freier
als dort, wo hohe Glut uns überzeugt,
die doch, Sein Abglanz, Ihm im Wege steht.
Vorbemerkung.
Von keinem geliebt sein, o Schmerz;
von zweien geliebt sein, geht über mein Herz!
In memoriam Lady Hamilton.
Diesen kleinen einfältigen und verzweifelten Spruch schrieb eine junge Freundin des Berichterstatters in ihr Gebetbuch und nahm den Schleier der Ursulinerinnen, da nämlich zwei ernsthafte junge Leute sie liebten und sie nicht wusste, wem von beiden sie angehören sollte.
Lady Hamiltons Herz aber war aufnehmefähiger. Das Dreigestirn auf der Neige ihrer Laufbahn und Jahre: Sie, ihr Mann, ihr Freund, ist ein seltenes Beispiel dreieiniger Freundschaft und wird nicht untergehen am Himmel der Liebe, solange es jene Zwiespälte gibt, die das Gemüt bewegen bis ins hohe Alter.
Am sonderbarsten und am meisten auf sich selbst gestellt aber erwies sich diese dreigeteilte Liebesfreundschaft auf jener Reise vom Süden gen Norden heim nach England, jener Reise durch Deutschland, die jedem Engländer als „Journey home“ ein Begriff mit Anfang und Ende, aber ohne rechtes Mittelstück ist, die ein Vierteljahr dauerte und eine Probe sein musste auf die Tiefe und Haltbarkeit eines Verhältnisses, das aller drei Stellung und Ruf in Gefahr gebracht hatte.
Die wissenschaftlichen und die schöngeistigen Biographen Nelsons, der Hamilton und ihres Mannes haben bislang diese Heimreise ziemlich mit Stillschweigen übergangen, sei es, weil ihnen der Name des verehrtesten englischen Admirals mit Deutschland keine Zusammenstellung zu sein schien, sei es, weil die Nachrichten darüber sehr spärlich, sehr zerstreut, nur mühsam auffindbar und teils unbekannt waren, sei es, weil man bislang gern solche Ereignisse für die bedeutendsten im Leben der Helden hält, die mit grossen Schlachten, Abenteuern, Lebensgefahr und amtlichen Auszeichnungen verbunden sind.
Abgesehen davon, dass sich nirgends unverblümter die innere Eigenart von Menschen offenbart als auf längeren Reisen, reizte es den Berichterstatter auch betreffs des Hintergrundes an Zeit, Persönlichkeiten, Städten und Landschaft, die Lücke in der Kenntnis jener drei berühmten Engländer auszufüllen. Über die langwierigen Vorarbeiten, über die technischen Schwierigkeiten, über die Mischung aus einwandfreier Quelle, Anekdote, Verknüpfung, Anspielung, Möglichkeit, Glosse und Ergänzung erlaube man ihm zu schweigen.
Die Angelegenheit spielt im Jahre 1800, zu einer reizvollen Jahrhundertwende, unserer Zeit ähnlich, da der Abstand von der französischen Revolution dem Abstande von der deutschen in den Jahren, da dies geschrieben wurde, entspricht und manches andere bemerkenswerte Parallelen aufweist.
Triest–Laibach * Die grosse Passstrasse
Geschichtliche Plattform. Nelson und Napoleon.
Es war schön gewesen zu Neapel, Geld, Paläste, Feste, Kunst und Künstler, klassische Ausgrabungen, Ausschweifungen, Landschaft und Leben die Hülle und Fülle, erheitert vom üppigsten aller Höfe, der gemischt war aus Bourbonensaft und Maria Theresia.
Indessen begann die französische Revolution. Sie erschütterte die Welt, aber noch nicht Neapel. England ersah kühl die günstige Stunde, rundete seine Besitzungen auf der Erdkugel ab und schämte sich nicht, die Alleinherrschaft über die Meere anzutreten. Es verbündete sich mit allen militärfähigen Völkern, bei denen in Übersee nichts zu holen war, Russland, Deutschland, Portugal, Neapel und der Türkei, damit sie die Franzosen in Schach halten sollten und verhindern, dass die grossbritannischen Geschäfte gestört würden.
Aber aus der Revolution stand der kleine Leutnant Bonaparte auf, der durchschaute mehr, als gut war und war gefährlicher als Ideen und Guillotinen. Das Schicksal hatte ihn ausersehen, der Timur des Westens zu sein. Und er griff nach dem uralt ewigen Schlüssel Asiens, Europas und Afrikas, nach der Landenge von Suez, was den Engländern nicht recht sein konnte.
Doch das Schicksal meinte es gut mit den Engländern und liess aus dem zarten Knaben und Pastorensohn Horatio Nelson einen rauhen Seemann werden und machte einen grossen Admiral aus ihm und liess ihn die Ägyptenflotte Bonapartes zu Abukir am Nildelta erschnappen und vernichten.
Aber Bonaparte selber schwebte wie in Engelswolken unsichtbar hin und her übers Mittelmeer; denn das Schicksal dachte, es sei erstmal genug, und liess den kleinen guten Horatio an den seligen Küsten Neapels landen und in Liebe fallen zu der immer noch schönen Lady Hamilton, obwohl sie mit Sir William, dem englischen Gesandten, verheiratet war. Und Admiral Nelson sah seine leibhaftige Göttin in ihr. Zwar hatte er eine Frau daheim, ging aber nicht nach Hause, zwei Jahre und mehr.
Die drei zu Neapel vertrugen sich gut.
Schliesslich wurde aber auch das schöne Neapel von den Jakobinern erreicht. Man musste nach Palermo fliehen. Ach, wie manches wurde zerstört. Jedoch nicht die Dreieinigkeit. Da erhielt Lord Nelson vom neapolitanischen König den Auftrag, die Revolution niederzuschlagen. Viel Unliebsames geschah. Viel Blut wurde vergossen. Es wurde unerfreulich am Tyrrhenischen Meer.
Lady Hamilton will über Land reisen.
Wie nun die verschiedenen Umstände es fügten, verliessen sie, Sir William Hamilton, Lady Emma Hamilton und Lord Horatio Nelson gemeinsam das schöne Land Italien, beziehungsweise Sizilien.
Da nun aber die angebetete Emely seit einiger Zeit an Erbrechen und Zahnschmerzen litt, verlockte sie ihren Mann und auch ihren Geliebten Nelson, noch ein wenig nach Neapel, Livorno oder Genua zu fahren, ehe man die lange schreckliche Seereise nach England antrete.
Heimlich aber gedachte sie, den Landweg zu nehmen, da sie fürchtete, auf der See vor Übelkeit zu sterben. Und weil es sich so machte, dass ihre Busenfreundin Maria Karoline, Königin von Neapel, Geschmack daran fand mitzufahren und einen diplomatischen Abstecher nach Wien zu ihrer kaiserlichen Tochter ins Auge fasste, und die Seeschiffe Shakespeares seit einiger Zeit nicht mehr in Böhmen anlegten, so war alles so gut wie sicher.
Dafür war dem kleinen Admiral und Lord vom Nil, frischgebackenen Herzog von Bronte, Horatio Nelson, old good sailor, weniger gut. Und die öffentliche Meinung dachte ähnlich. Denn:
Ein Seemann darf lieben in Luv und Lee,
Aber auf See gibt es nur Seemann und See.
Die Hamilton aber wusste Nelson zum Troste zu sagen, dass die Karte von Deutschland aussähe wie eine Harlekinshose und daher viele Empfänge an vielen Fürstenhöfen bevorständen, die sehr geeignet seien, das abgekühlte englische Volksgemüt bezüglich des Siegers vom Nil wieder anzuheizen.
Liste der Reisenden.