Christines Weg durch die Hölle. Robert Heymann

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Christines Weg durch die Hölle - Robert Heymann

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die Bolschewiki kommen?“

      „Die sind ja schon mehrmals durchgekommen. Die Bauern verstecken uns dann.“

      Hauptmann Odojewskij steht auf und legt die Hände auf die Schultern der jungen Gräfin. „Ich muss wieder fort, Christine! Das ist kein Leben für Sie! Das ist Wahnsinn! Kommen Sie mit mir! Nach Odessa! Odessa lebt im Licht. Der Glanz der ganzen Welt ist über Odessa.“

      Sie stösst seine Arme von sich und steht schnell auf. „Wir bleiben hier,“ sagt sie einfach. „Michael will hierbleiben.“

      „Und deshalb, weil Ihr wahnwitziger Michael hierbleiben will ...“

      „Ich sagte Ihnen ja schon — auch ich will es! Wenn wir die Heimaterde verlassen, dann vielleicht im Frühjahr.“

      „Und ich erkläre Ihren Mann für wahnsinnig!“ schreit der Hauptmann. „Will er warten, bis er Sie eines Tages mit durchschnittener Kehle vorfindet? Geschändet? Oder bis ein Trupp Partisanbrüder Sie mitnimmt als Lagerdirne und zum Wäschewaschen? Haben Sie denn eine Ahnung, in welcher Gefahr Sie schweben?“

      „Die Bauern werden mich schützen!“ antwortet sie erschrocken.

      „Die Bauern! Schützen Sie die Bauern vor mir? Kann ein Bauer Ihnen helfen, wenn ich Kriegsrecht walten lasse, schöne Gräfin? Oder haben Sie alles vergessen, Christine?“

      Der Wind reisst von neuem die Tür auf. Sie starrt den unheimlichen Besucher entsetzt an. In der Tat: Niemand ist erreichbar, der ihr Hilfe bringen könnte. Schweigend, kalt und dunkel liegt das Herrenhaus. Draussen tobt das Unwetter. Sie sieht jetzt schwach die Umrisse seines Schlittens, die Pferde hat er unter schützende Bäume gestellt.

      Sie will fliehen, aber es ist schon zu spät. Er umfasst sie ...

      „Verstehst du, Christine, dass ich dich immer noch liebe? Dass ich nicht verzichten werde?“

      Seine grossen, weissen Zähne funkeln sie an. Sie schreit laut. Sie trommelt mit den Fäusten gegen sein Gesicht. Er mag schon schärfere Hiebe in ähnlichen Situationen empfangen haben. Er lacht nur. Der Wind bauscht ihre Röcke. Wirft sie ihr fast über den Kopf. — Macht sie hilflos und steigert seine sinnliche Wut. Wie ein Schraubstock pressen sich seine Arme um sie, ihr Kopf sinkt zurück, sein Atem geht über ihre Lippen und schon fühlt sie sich schaudernd als Beutestück — eines der tausendfachen in dieser wüsten, verfluchten Zeit — da pfeift etwas — sss — wie Gottes Zorn über das Gebäude weg, ein furchtbarer Krach folgt, draussen gehen die Pferde durch, und Odojewskij schleudert den zuckenden Frauenleib von sich.

      „Eine Granate,“ schreit er wild. Da kommt schon der zweite, der dritte Einschlag, das Dach geht nieder, Balken stürzen umher. —

      „In den Keller! In den Keller!“ ruft Odojewskij. Christine, keines klaren Gedankens mehr fähig, stürzt zu der Falltür. Er reisst sie auf. Sie fallen hinab. In ein eisiges, dunkles Grab. Und gleich hinter ihnen her prasselt die Vernichtung.

      2

      Es war für das Dorf vollkommen überraschend gekommen. Niemand hatte Zeit, etwas in Sicherheit zu bringen, aber das tat auch nicht not, denn die Bande, die mit Geheul, eine Rotte Korahs, auf kleinen Wagen stehend, mit schnaubenden Pferden durch die Dorfstrasse jagte, waren Machnoleute, Soldaten des Bauernvaters, der es weder mit den Weissen noch mit den Roten hielt, der die Welt erlösen und den Bauer frei machen wollte.

      Gehetzt und gejagt und gesucht ist er, der „Befreier“. Er hat den Gutsbesitzern ihre Länder und ihre Forsten weggenommen und hat sie den Bauern gegeben. Er hat gegen die Deutschen und die Österreicher gekämpft, die nach dem Frieden von Brest-Litowsk in die Ukraine kamen. Sie haben einen hohen Preis auf seinen Kopf gesetzt, aber sie haben ihn nicht bekommen, denn seine Scharen sind flink wie die Teufel, und die Bauern beten ihn an. Er wird ein christliches Zeitalter begründen, dieser moderne apokalyptische Reiter mit dem wilden Blick und dem langen Haar über dem kranken Gesicht. Die Deutschen haben ihn gejagt wie einen Hund! Sie haben ganze Dörfer angezündet, in denen sie ihn vermuteten, sie haben das Haus seiner Mutter in Asche gelegt, sie haben seinen Bruder erschossen — aber sie haben Nestor Machno nicht fangen können.

      Da kamen die Österreicher. Denen nahm der Bandenführer die Eisenbahn ab, die das Kohlenbecken des Donez mit den Küsten des Asowschen Meeres verbindet. Hier lag er auf der Lauer und fing die Reisenden ab, die grossen Handelsherren, die mit Kohle, Salz und Naturalien zu tun hatten, erpresste Lösegelder, raubte, mordete und organisierte seine Bande immer besser. Auf den zweirädrigen Tatschanki, auf denen immer ein Maschinengewehr montiert war, sassen je zwei seiner Leute. Über tausend solcher Karren verfügte Machno, seit er einen grossen Train der Österreicher aufgehoben hatte. Mit diesen tausend Kriegswagen rast er durch die Steppen, taucht heute hier, morgen dort auf, entzieht sich allen Nachstellungen, kämpft mit allen Truppen, heute mit denen Petljuras, morgen mit denen Trotzkis, am fanatischsten gegen die Weissen, und hält die ganze Ukraine in Atem.

      Aber diesmal ist ihm ein Trupp weisser Soldaten auf den Fersen. Er hat die Eisenbahn zerstören wollen, da kommt ein Panzerzug aus Odessa angerast, und plötzlich sah er sich von Artilleriefeuer bedroht. Wie der Blitz flüchtet er nun. Seine Wagen ratterten durch das Bauerndorf, während die Russen hinter ihm herschiessen.

      Während der Kampf zwischen den Weissen und den „Grünen“, wie sich Machnos Anhänger nennen, mit der Flucht der Grünen endet, hört Christine, eingeklemmt zwischen Balken und Mauerwerk, in weiter Ferne die Einschläge schwerer Minen und das helle Gewehrfeuer. Sie kann sich nicht rühren, wähnt den Hauptmann erschlagen. Sie ruft, aber keine Antwort folgt.

      Tschschsch ... Bum! Krach! macht es über dem Haupt Christines. Ein neuer Einschlag wirft das Wirtschaftsgebäude völlig in Trümmer, der Keller scheint nachzugeben. Christine glaubt zu sinken ... tiefer und tiefer ...

      Michael muss um diese Zeit zurückkehren, schiesst es ihr durch den Kopf. — Jähe Angst um ihn packt sie ... er wird mitten in den Kampf geraten ... er wird vielleicht daran teilnehmen, wird sich verleiten lassen ... wie hasst er diesen Machno, den er einen Wahnsinnigen nannte, einen Gottlosen, einen Anarchisten.

      Wird mich Michael noch finden?

      „Michael!“ ruft sie mit dem Aufgebot ihrer ganzen Kraft. Aber hohl und leer klingt es in ihrem Grabe wider. Der Hauptmann gibt keinen Laut mehr von sich.

      Wie ein Schleier sinkt halbe Bewusstlosigkeit über Christine. Michael ist in das Dorf gekommen, als sich ein dunkler Vorhang mit rasender Schnelligkeit vom Walde her den ersten Häusern näherte.

      Die Bauern wussten sofort: „Überfall!“

      Zuerst dachte Michael an die Bolschewiki. Er wollte ins Schloss, Christine holen. Aber der erste Bauer, der ihn sah, riss ihn vom Woge ab und hinein in die Hütte.

      „Auf den Ofen, Väterchen,“ schreit er, schiebt, stösst, drängt Michael über die kleine Leiter auf den hohen Ofen, wirft alte Pelze über ihn. „Zudecken, Väterchen, den Kranken spielen!“

      Sie lieben Michael. Sie lieferten ihn nicht aus. Was kümmert es die Bolschewiki, dass er einst für das unterdrückte Volk gekämpft, gelitten hat? Ihnen ist er ein Bourgeois, ein verhasster Bürger, ein ehemaliger Aristokrat. Wenn sie auf der Flucht sind, die Roten, erschiessen sie kurzerhand, wer ihnen irgendwie verdächtig erscheint. Und ein Adeliger ist verdächtig!

      Jetzt hört Michael schon das wilde Schnauben der Rosse, das Geschrei, er hört Schüsse und denkt mit verhaltenem Atem an Christine. — Doch er verriete sie, wenn er jetzt versuchte, ins Schloss

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