Klara. Dirk Bernemann

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Klara - Dirk Bernemann

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zu haben, schon an der Öffnung zur Speiseröhre. Klara hatte das Steuer derart heftig verrissen, dass mich die Schwerkraft gleichzeitig nach hinten drückte und gegen die Beifahrertür schleuderte.

      »Spinnst du?«, schrie ich, nachdem ich die Frucht (die ja in Wahrheit eine Nuss ist) mühsam wieder nach oben gewürgt hatte.

      »Wie kannst du behaupten, dass du mich liebst, und derart ignorant sein?«, erwiderte Klara gänzlich unbeeindruckt. »Du bist ein scheiß Psychopath, weißt du das?!«

      Ich kannte sie ja nun schon ein bisschen, dennoch überraschten mich diese abrupten Stimmungsumschwünge nach wie vor. Ein Gefühl, als würde sich dir im angenehm leeren Großraumabteil eines ICE plötzlich ein Hells Angel auf den Schoß setzen.

      Es brauchte die gesamte Rückfahrt, bis Klara sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte. Ich beschloss unterdessen, sie zu ihrem nächsten Geburtstag mit einem Blumenmeer zu bedenken. Aber das behielt ich wohlweislich für mich.

      Auch meine Vergangenheit war oft genug ein Thema, das für Eifersucht und Theater herhalten musste.

      Ich saß gerade in der U-Bahn, als mir mein Handy mitteilte, dass eine SMS eingegangen war. Der Absender: Klara.

      »Wenn du glaubst, dass du mich ficken und dabei weiter mit deiner Exfreundin rummachen kannst, hast du dich geschnitten, du perverses Arschloch«, las ich.

      Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was sie meinte. Entsprechend konsterniert fiel meine Antwort aus: »Hey, wovon sprichst du?«

      Es brauchte zwanzig weitere Kurznachrichten und einen ganzen Duden an Beschimpfungen ihrerseits, bis herauskam, dass es um folgende »Verfehlung« ging: Ich hatte einen Facebook-Post meiner vorletzten Freundin mit einem Herz versehen.

      Nachdem ich den Bus verlassen und mehrfach Klaras Nummer gewählt hatte, waren wir endlich zum direkten Gespräch übergegangen. Ich versuchte, Sanftmut in meine Stimme zu legen, auch wenn ich zugegebenermaßen aufgebracht war: »Hör zu, Postings von Ex-Freundinnen zu liken, ist doch nun echt kein Verbrechen. Im Gegenteil, ist doch schön, wenn sich Menschen gut verstehen, die mal zusammen waren.«

      »Du hast ihr ein Herz gegeben.«

      »Aber ein Herz sagt doch nur, dass dir ein Beitrag richtig gut gefällt, dass du ihn also gewissermaßen von Herzen …«

      Noch bevor ich den Satz vollenden konnte, hatte Klara mich weggedrückt.

      So ging das ständig. Und natürlich war mehr als einmal endgültig Schluss, hatte Klara mich abgeschossen (wie sie das nannte) oder ich meinerseits die Geduld verloren (weil ich mich ungerecht behandelt fühlte). Aber es vergingen nie mehr als achtundvierzig Stunden, bis einer von uns die Stille nicht mehr aushielt und einen ersten zarten Annäherungsversuch unternahm, den der andere dann umgehend und nicht minder sehnsuchtsvoll beantwortete. Bis es dann erneut eskalierte, wobei es sprachlich fast immer bis zum Äußersten ging. Auch ich erwischte mich alsbald dabei, wie mir Sätze à la fick dich, du Fotze! mit einer Selbstverständlichkeit über die Lippen gingen, als wäre ich wieder sechzehn und am Abendbrottisch mit zwei erzkonservativen Erziehungsberechtigten konfrontiert.

      Obwohl ich Klara schlichtweg für irre, manchmal gar für gefährlich hielt, dachte ich nicht mal im Ansatz daran, sie zu verlassen. Das hatte viele Gründe. Einer davon war ihr Antlitz, an dem ich mich einfach nicht sattsehen konnte. Ungeachtet dessen, dass Sex zwischen uns eine so große Rolle spielte, bestand für mich bei all unseren Treffen das größte Glück darin, sie anzuschauen. Wenn wir uns, jeder eine Kippe in den Fingern, gegenübersaßen und ich ihr perfekt geschminktes Gesicht studierte (ein Gesicht, das sich, gerade weil Klara sich aufs Schminken verstand, immer wieder veränderte) – das war es einfach. Als würde ich einen Hollywoodstar daten. Auch Küssen stand bei mir plötzlich hoch im Kurs. Ganz im Gegensatz zu der Zeit vor Klara. Ich konnte nicht genug davon bekommen, dass sich unsere Lippen und Zungen berührten, je zärtlicher, desto besser, am liebsten während ich sie heftig fickte. Oder danach, wenn Klara ermattet dalag und die Erlösung langsam über den Schmerz zu triumphieren begann.

      Langweilig war es mit ihr nie. Sie war schlagfertig und witzig. Und ich konnte stundenlang mit ihr über alles nur Erdenkliche reden, über Bücher natürlich, über den wandelnden Wahnsinn namens Mensch, über technologische Entwicklungen, über Sex und vieles mehr. Selbst Themen wie Mode wurden im Dialog mit Klara interessant. Nur mit Politik durfte ich ihr nicht kommen.

      Wenn ich von irgendwelchen Demoerlebnissen anfing, winkte sie nur müde ab: »Du und deine Freunde mit eurer gutbürgerlichen Revolutionsfolklore. Meine Großeltern waren während der Nazizeit im Widerstand. Die waren echten Gefahren ausgesetzt.«

      Fragte ich sie, wo sie sich selbst politisch einordnete, sagte sie Dinge wie: »Ich bin links. Aber ich denke, dass die Linke besser nicht an die Macht kommen sollte. Immer wenn sie an der Macht war, hat sie es vermasselt. Das ist für mich die Lehre aus allen sozialistischen Experimenten seit der Oktoberrevolution.«

      Und wenn ich daraufhin von ihr wissen wollte, was sie gegen das Elend dieser Erde zu tun gedachte, antwortete sie gern mit Zitaten: »Weißt du, was Janosch auf die Frage geantwortet hat, wie man sich großen Problemen stellt?«

      »Nein.«

      »Janosch hat gesagt Wondrak stellt sich nicht, sondern er legt sich. In eine Wiese mit hohem Gras. Je größer die Probleme, desto größer die Chance, dass sie ihn dann übersehen

      »Wer ist Wondrak? Ein Hobbit aus der Familie der Holzwollehirne?«

      Klara verdrehte übertrieben die Augen und verpasste mir einen zärtlichen Knuff gegen den Oberarm.

      Am spannendsten war es, wenn wir ausgingen. Und das nicht nur wegen ihrer Eifersucht, die sich blitzschnell an irgendeiner Belanglosigkeit entzünden konnte.

      Tanzen war weniger ihr Ding. Meist hingen wir in kleineren Bars ab, belegten, falls möglich, einen Tisch, redeten, rauchten und tranken. Wenn wir geil wurden und die Situation es zuließ, lutschte mir Klara kurz den Schwanz oder ich fingerte sie ein bisschen. Wir waren uns einfach selbst genug.

      An einem dieser Abende – ich war gerade zur Bar gegangen, um neue Getränke zu holen – tippte mir ein Typ auf die Schulter, der so aussah, als wäre sogar seine Zahncreme mit Stereoiden versetzt. Etwa meine Größe, aber doppelt so breit.

      »Hey, ist das deine Kleine da hinten?« Er zeigte auf Klara, die an unserem Ecktisch zurückgeblieben war und dort das alte Stück »einsame Schönheit zieht versonnen an einer Zigarette« aufführte. Ziemlich sexy, wie ich fand.

      Mein Instinkt sagte mir, dass ich die Frage unbedingt verneinen sollte. Und das hätte ich vielleicht auch, wenn mich der Ausdruck Kleine nicht so gestört hätte. Klara war nicht klein und selbst wenn …

      Also sagte ich: »Das ist nicht meine Kleine, das ist meine Freundin.«

      »Gut«. Der Muskelberg (weißes Shirt, graue Jogginghose, Glatze, Kinnbart, silberne Panzerkette um den Hals) nickte bedächtig mit seinem Nilpferdschädel. Dann zeigte er erneut auf Klara und sagte: »Eigentlich müsste ich der in die Fresse hauen, aber ich schlage keine Weiber.«

      Finde ich gut, dass du der Frau, die ich liebe, keine Gewalt antun möchtest, dachte ich noch bei mir, dann hatte ich auch schon in direkter Folge seine beiden Fäuste im Gesicht.

      Danach muss ich für einen Moment das Bewusstsein verloren haben, denn das Nächste, was ich sah, war Klaras besorgte Miene über mir.

      »Hey,

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