Emma. Jane Austen
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Читать онлайн книгу Emma - Jane Austen страница 13
»Ich setze als allgemeine Regel, Harriet, daß eine Frau, wenn sie im Zweifel ist, ob sie einen Mann nehmen soll oder nicht, ihn jedenfalls abweisen sollte. Wenn sie noch zögert, ja zu sagen, dann sollte sie gleich nein sagen. Das ist kein Stand, in den man ohne Gefahr mit ungewissen Gefühlen, mit halbem Herzen eintreten kann. Ich halte es für meine Pflicht als deine Freundin und als die Ältere, dir dies zu sagen. Aber bilde dir nicht ein, ich wollte dich beeinflussen.«
»O nein, ich weiß, Sie sind viel zu gut, um . . . Aber wenn Sie mir bloß raten wollten, was ich am besten täte . . . Nein, nein, das meine ich nicht . . . Wie Sie sagen, man müßte ganz mit sich im reinen sein . . . man dürfte nicht schwanken . . . Es ist eine so ernste Sache. Vielleicht ist es sicherer, nein zu sagen. Finden Sie, ich sollte lieber nein sagen?«
»Nicht um die Welt«, sagte Emma und lächelte gnädig, »nicht um die Welt würde ich dir raten: tu dies, oder: tu das. Du mußt selber am besten wissen, was dich glücklich macht. Wenn du Mr. Martin lieber hast als jeden anderen Menschen, wenn du ihn als den sympathischsten Mann empfindest, mit dem du je zusammen warst, warum dann zaudern? Du wirst ja ganz rot, Harriet. Schwebt dir etwa bei diesen Worten plötzlich ein ganz anderer vor? Harriet, Harriet, betrüge dich nicht selbst, laß dich nicht von Dankbarkeit und Mitleid hinreißen. An wen denkst du in diesem Augenblick?«
Die Symptome waren günstig. Statt zu antworten, wandte Harriet sich verwirrt ab und stand nachdenklich am Feuer. Zwar hatte sie den Brief noch in der Hand, aber sie drehte ihn mechanisch und achtlos in den Fingern. Emma wartete ungeduldig, aber nicht ohne große Hoffnung, was dabei herauskäme. Endlich sagte Harriet ein bißchen zögernd:
»Miss Woodhouse, da Sie mir Ihre Ansicht nicht sagen wollen, muß ich allein damit fertigwerden, so gut ich kann; und ich habe mich nun entschieden, ich bin wirklich beinah entschlossen . . . ich will Mr. Martin abweisen. Glauben Sie, daß es das Richtige ist?«
»Vollkommen richtig, vollkommen, meine liebste Harriet. Du dürftest gar nicht anders handeln. Solange du noch im mindesten unschlüssig warst, habe ich meine Meinung für mich behalten, aber jetzt, wo du fest entschlossen bist, stimme ich dir unbedenklich zu. Liebe Harriet, ich bin ja so froh! Es wäre mir schmerzlich gewesen, auf den Umgang mit dir zu verzichten, was die unvermeidliche Folge wäre, wenn du Mr. Martins Frau würdest. Solange du noch im geringsten schwanktest, habe ich nichts davon gesagt, denn ich wollte dich nicht beeinflussen. Aber ich hätte damit eine Freundin verloren. Mit Mrs. Robert Martin von Abbey Mill könnte ich nicht verkehren. Nun bleibst du mir für immer.«
Harriet hatte nicht geahnt, welche Gefahr über ihrem Haupte hing, aber nun war sie heftig bestürzt.
»Sie könnten nicht mehr mit mir verkehren?« rief sie entgeistert. »Nein, natürlich, das könnten Sie nicht, aber daran habe ich noch nie gedacht. Das wär ja schrecklich gewesen! Welcher Gefahr bin ich da entgangen! Liebe Miss Woodhouse, nicht um alles in der Welt möchte ich die Freude und die Ehre hergeben, mit Ihnen befreundet zu sein!«
»Wahrhaftig, Harriet, es wäre ein schwerer Schlag für mich gewesen, dich zu verlieren, aber es hätte nun mal sein müssen. Du hättest dich selber aus aller guten Gesellschaft ausgeschlossen. Ich hätte dich aufgeben müssen.«
»O du lieber Himmel, wie sollte ich das ertragen! Ich wär ja gestorben, wenn ich nicht mehr nach Hartfield kommen durfte!«
»Du liebes, anhängliches Geschöpf! Du nach Abbey Mill verbannt? Du für dein ganzes Leben auf den Umgang mit diesen ungebildeten, gewöhnlichen Leuten beschränkt? Ich frage mich, wie der junge Mann so anmaßend sein konnte, um dich anzuhalten. Er muß ja nett von sich eingenommen sein.«
»Ich glaube eigentlich nicht, daß er im allgemeinen eingebildet ist«, sagte Harriet, deren Gewissen sich gegen diese Aburteilung sträubte. »Wenigstens ist er herzensgut, ich werde ihm immer dankbar sein, und ich achte ihn sehr, aber das ist etwas ganz anderes als . . . Und wissen Sie, wenn er mich auch gern hat, heißt das noch nicht, daß ich . . . und ich muß wirklich gestehen, seit ich hierher komme, habe ich Leute gesehen . . . Und wenn man anfängt, sie miteinander zu vergleichen, ihre Erscheinung und ihre Manieren – da gibt es überhaupt keinen Vergleich; man sieht so gut aus und ist so angenehm. Trotzdem finde ich Mr. Martin sehr liebenswürdig und achte ihn hoch; und daß er mich so liebgewonnen hat . . . daß er mir einen solchen Brief geschrieben hat . . . Aber Sie verlassen, das möchte ich unter gar keinen Umständen.«
»Ich danke dir, ich danke dir, meine liebe, süße kleine Freundin. Wir lassen uns nicht trennen! Eine Frau braucht einen Mann nicht nur deshalb zu heiraten, weil er um sie anhält oder weil er in sie verliebt ist und einen leidlichen Brief schreiben kann.«
»O nein! Und es ist ja auch nur ein kurzer Brief.«
Emma bedauerte den schlechten Geschmack ihrer Freundin, ging aber darüber hinweg mit einem »Das ist wahr«, und fügte dann hinzu, für die bäurischen Manieren, die Harriets Gefühl täglich und stündlich verletzen würden, wäre es ein schwacher Trost, daß ihr Mann einen schönen Brief schreiben könne.
»Ach ja! Was liegt schon an einem Brief! Die Hauptsache ist, unter netten Freunden immer glücklich zu sein. Ich bin fest entschlossen, ihm einen Korb zu geben. Aber wie soll ich das machen? Was soll ich sagen?«
Emma versicherte ihr, die Antwort sei nicht schwierig, und riet ihr, sie sofort zu schreiben, womit Harriet in der Hoffnung auf ihren Beistand einverstanden war. Emma wiederholte zwar, sie brauche keinen Beistand, half ihr aber in Wirklichkeit bei jedem Satz. Denn Harriet überflog seinen Brief noch einmal, während sie sich über die Antwort den Kopf zerbrach, und das hatte eine so herzerweichende Wirkung, daß es dringend nötig wurde, ihr mit ein paar entschiedenen Wendungen den Rücken zu stärken. Die Vorstellung, daß sie ihm einen Schmerz zufügte, ging ihr so nahe, und sie machte sich soviel Gedanken darüber, was seine Mutter und seine Schwestern sagen und denken würden, und daß sie sie für undankbar halten könnten, war ihr so quälend, daß Emma sich sagte, wenn der junge Mann in diesem Augenblick vor Harriet erschienen wäre, hätte sie ihn schließlich doch genommen.
Der Brief wurde geschrieben, gesiegelt und abgeschickt. Die Sache war abgetan und Harriet gerettet. Sie war den ganzen Abend über ziemlich niedergeschlagen, aber Emma hatte Nachsicht mit ihrem rührenden Kummer und linderte ihn, indem sie ihr immer wieder sagte, wie lieb sie sie habe, und ihr ab und zu Mr. Elton wieder in Erinnerung brachte.
»Sie werden mich nie mehr nach Abbey Mill einladen«, sagte Harriet in sehr bekümmertem Ton.
»Und wenn, dann könnte ich dich schwerlich entbehren. Wir brauchen dich in Hartfield viel zu sehr, um dich an Abbey Mill abzutreten.«
»Und ich möchte auch gar nicht mehr hin. Ich bin ja doch nirgends glücklich als in Hartfield.« Und nach einer Weile: »Ich glaube, Mrs. Goddard wäre sehr erstaunt, wenn sie das wüßte, und sicher auch Miss Nash – denn Miss Nash findet ihre Schwester schon sehr gut verheiratet, und die hat doch nur einen Leinwandhändler.«
»Eine Schullehrerin, die mehr Stolz und feinen Geschmack hätte, könnte einem ja auch leid tun, Harriet. Miss Nash würde dich bestimmt um eine solche Heiratsmöglichkeit beneiden. Schon diese Eroberung wäre in ihren Augen ein Himmelsgeschenk. Daß gar noch etwas Feineres für dich in Frage kommt, würde ihr wahrscheinlich nicht im Traum einfallen. Daß ein gewisser Jemand ein Auge auf dich geworfen hat, dürfte noch kaum bis zu den Klatschbasen von Highbury gedrungen sein. Bisher, glaube ich, sind du und ich die einzigen, denen seine Blicke und sein Benehmen etwas verraten.«
Harriet