Zu Vermieten. John Galsworthy

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Zu Vermieten - John Galsworthy Forsyte

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habe mich oft gefragt, ob es richtig von uns war, es vor ihm zu verheimlichen. Eines Tages wird er dahinterkommen.«

      »Je später, desto besser, Jolyon. Die Jugend urteilt so schnell und so hart. Als du neunzehn warst, was hättest du da von deiner Mutter gedacht, wenn sie getan hätte, was ich getan habe?«

      Ja! Das war es! Jon verehrte seine Mutter, und wusste nichts von den Tragödien, den unerbittlichen Notwendigkeiten des Lebens, von dem verborgenen Leid in einer unglücklichen Ehe, von Eifersucht oder Leidenschaft – er wusste noch überhaupt nichts!

      »Was hast du ihm gesagt?«, sagte er schließlich.

      »Dass sie Verwandte seien, aber wir sie nicht kennen, dass du dir nie viel aus deiner Familie gemacht hast, und sie nicht aus dir. Ich schätze, er wird dich danach fragen.«

      Jolyon lächelte. »Das verspricht, die Luftangriffe abzulösen«, sagte er. »Am Ende vermisst man sie noch.«

      Irene sah zu ihm auf.

      »Wir wussten, dass es eines Tages so kommen würde.«

      Er antwortete mit plötzlicher Energie: »Ich könnte es niemals ertragen, wenn Jon dir Vorwürfe machen würde. Das wird er nicht tun, nicht einmal in Gedanken. Er hat Vorstellungskraft, und er wird es verstehen, wenn man es ihm richtig erklärt. Ich denke, ich sollte es ihm besser sagen, bevor er es auf andere Weise erfährt.«

      »Noch nicht, Jolyon.«

      So war sie immer – sie hatte keine Voraussicht und wollte Schwierigkeiten nie entgegentreten. Und doch – wer konnte es schon sagen – vielleicht hatte sie recht. Es war nicht richtig, wider den Instinkt einer Mutter zu handeln. Vielleicht war es ja gut, dem Jungen, wenn möglich, noch etwas mehr Zeit zu geben, bis die Erfahrung ihm einen Maßstab gegeben hatte, anhand dessen er diese alte Tragödie beurteilen könnte, bis Liebe, Eifersucht, Sehnsucht sein Mitgefühl vertieft hatten. Nichtsdestotrotz musste er Vorsichtsmaßnahmen ergreifen – jede nur mögliche! Und noch lange, nachdem Irene wieder gegangen war, lag er wach und dachte über diese Vorsichtsmaßnahmen nach. Er musste Holly schreiben und ihr sagen, dass Jon bis jetzt nichts von der Geschichte der Familie wusste. Holly war verschwiegen, sie würde dafür sorgen, dass ihr Mann es auch war, sie würde aufpassen! Jon konnte den Brief mitnehmen, wenn er morgen dorthin fuhr.

      Und so verklang der Tag, an dem er seinem materiellen Besitz den letzten Schliff gegeben hatte, mit dem Läuten der Turmglocke bei den Ställen, und ein neuer begann für Jolyon im Schatten eines innerlichen Durcheinanders, das nicht so einfach in Ordnung gebracht werden konnte …

      Doch auch Jon, dessen Schlafzimmer früher sein Kinderzimmer gewesen war, lag wach, von einem Gefühl heimgesucht, dessen Existenz jene, die es noch nie empfunden haben, bestreiten, Liebe auf den ersten Blick. Er hatte es in sich erwachen fühlen, als ihn jene dunklen Augen über die Juno hinweg angestrahlt hatten – eine Überzeugung, dass dies sein Traum war, sodass ihm alles, was darauf folgte, natürlich und wie ein Wunder zugleich erschien. Fleur! Ihr Name allein war fast schon genug für jemanden, der schrecklich empfänglich für den Zauber von Worten war. In einem homöopathischen Zeitalter, wo Jungen und Mädchen zusammen erzogen wurden und schon früh miteinander Umgang hatten, bis es fast keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern mehr zu geben schien, war Jon ungewöhnlich altmodisch. Seine moderne Schule nahm ausschließlich Jungen auf und seine Ferien hatte er immer in Robin Hill verbracht, mit gleichgeschlechtlichen Freunden oder nur mit seinen Eltern. Er war daher nie mit kleinen Dosen des Gifts gegen die Keime der Liebe geimpft worden. Und nun stieg im Dunkeln seine Temperatur schnell an. Er lag wach, Fleur spielte die Hauptrolle – wie man das nannte – und er erinnerte sich an ihre Worte, vor allem an jenes »Au revoir!«, so sanft und lebhaft.

      In der Morgendämmerung war er noch immer so hellwach, dass er aufstand, in Tennisschuhe, Hose und Pullover schlüpfte und leise die Treppe hinunter und durch das Fenster des Arbeitszimmers nach draußen schlich. Es wurde gerade hell, es roch nach Gras. Fleur!, dachte er, Fleur! Es war geheimnisvoll weiß hier draußen, nichts war wach außer den Vögeln, die zu zwitschern anfingen. Ich will ins Wäldchen hinuntergehen, dachte er. Er rannte durch die Felder nach unten, kam am Teich an, als die Sonne gerade aufging, und trat in das Wäldchen. Glockenblumen bedeckten dort den Boden, ein Geheimnis schien die Lärchen zu umschweben – die Luft war wie von Romantik erfüllt. Jon sog ihre Frische ein und starrte im heller werdenden Licht auf die Glockenblumen. Fleur! Der Name war so schön wie sie! Und sie wohnte in Mapledurham – auch ein hübscher Name, irgendwo am Fluss. Er könnte es gleich im Atlas suchen. Er würde ihr schreiben. Aber würde sie ihm antworten? Oh, sie musste! Sie hatte »Au revoir!« gesagt, nicht »Lebwohl!« Was für ein Glück, dass sie ihr Taschentuch fallen lassen hatte! Sonst hätte er sie nie kennengelernt! Und je mehr er über jenes Taschentuch nachdachte, desto erstaunlicher schien ihm sein Glück. Fleur! Der Name war wirklich so schön wie sie! Versrhythmen erklangen in seinem Kopf, Worte drängten darauf, verbunden zu werden, er war kurz davor, ein Gedicht zu schreiben.

      Mehr als eine halbe Stunde lang blieb Jon in dieser Stimmung, dann kehrte er zum Haus zurück, holte eine Leiter und kletterte aus reinem Übermut durch sein Schlafzimmerfenster hinein. Dann fiel ihm ein, dass ja das Fenster im Arbeitszimmer noch offenstand, und er ging nach unten und schloss es, nachdem er zuvor die Leiter wieder weggeräumt hatte, um alle Spuren seines Gefühls zu beseitigen. Das war etwas so Tiefes, dass er es keinem Sterblichen offenbaren konnte – selbst seiner Mutter nicht.

      Es gibt Häuser, deren Seelen in den Limbus der Zeit eingegangen sind, während sie ihre Körper im Limbus von London zurückgelassen haben. Auf Timothys Haus in der Bayswater Road traf das nicht ganz zu, denn Timothys Seele stand noch immer mit einem Bein in Timothy Forsytes Körper und Smither sorgte dafür, dass die Atmosphäre von Kampfer und Portwein und einem Haus, dessen Fenster nur zweimal am Tag zum Lüften geöffnet werden, unverändert aufrechterhalten wurde.

      In der Vorstellung der Forsytes war jenes Haus nun eine Art chinesische Pillendose, eine Reihe von Fächern, und im letzten davon war Timothy.

      Man kam nicht an ihn heran, oder zumindest wurde das von den Familienmitgliedern berichtet, die alle Jubeljahre einmal aus alter Gewohnheit oder Gedankenlosigkeit dort vorbeischauten und sich nach ihrem noch lebenden Onkel erkundigten, also zum Beispiel von Francie, die sich nun ganz von Gott emanzipiert hatte (sie bekannte sich offen zum Atheismus), Euphemia, die sich vom alten Nicholas emanzipiert hatte, und Winifred Dartie, die sich von ihrem Mann von Welt emanzipiert hatte.

      Aber schließlich war ja jetzt jeder emanzipiert oder behauptete, es zu sein – was vielleicht nicht ganz dasselbe war!

      Als sich Soames am Morgen nach der Begegnung auf seinem Weg zur Paddington Station dorthin aufmachte, rechnete er daher nicht wirklich damit, Timothy persönlich zu Gesicht zu bekommen.

      Sein Herz regte sich leise in ihm, während er im vollen Südsonnenlicht auf der frisch geweißten Türschwelle jenes kleinen Hauses stand, in dem einst vier Forsytes gelebt hatten und jetzt nur noch einer wie eine Wintermücke ausharrte, das Haus, in dem Soames unzählige Male ein- und ausgegangen war, erleichtert oder belastet von einer großen Ladung Familienklatsch, das Haus der Alten aus einem anderen Jahrhundert, einem anderen Zeitalter.

      Der Anblick von Smither – noch immer bis zu den Achseln in ein Korsett geschnürt, denn die neue Mode, die aufkam, als es mit den Tanten Juley und Hester bergab ging, war von den beiden nie für anständig befunden worden – zauberte ein mattes Wohlwollen auf Soames’ Lippen. Smither, die sich noch immer in jeder Einzelheit getreu an die alten Muster hielt, eine Angestellte von unschätzbarem Wert – solche gab es nicht mehr –, erwiderte sein Lächeln und sagte: »Na so was! Mr Soames, nach all dieser Zeit! Wie geht es Ihnen denn, Sir? Mr Timothy wird sich so freuen, wenn er erfährt,

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