Zwei Jahre Ferien. Jules Verne
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»So hatte ich auch gerechnet«, bemerkte Briant.
»Nun wohl«, nahm Gordon wieder das Wort, »wir wollen uns für diese Zeit bereithalten und inzwischen etwas essen. Sind wir gezwungen, selbst ins Wasser zu gehen, so geschehe das wenigstens mehrere Stunden nach eingenommener Mahlzeit.«
Ein guter Rat, wie er von diesem klugen Knaben zu erwarten war. Jetzt ging’s also an das erste, aus Konserven und Biskuit bestehende Frühstück. Briant besorgte und überwachte dabei vorzüglich die Kleinen. Jenkins, Iverson, Dole, Costar begannen sich bei der glücklichen Sorglosigkeit ihres Alters schon wieder völlig zu beruhigen und hätten gewiss ohne jede Rücksicht darauf losgegessen, denn sie hatten seit vierundzwanzig Stunden nichts über die Lippen gebracht. Alles ging jedoch gut ab, und einige Tropfen mit Wasser verdünnten Brandys lieferten ein anregendes Getränk.
Nach eingenommenem Frühstück begab sich Briant wieder nach dem Vorderteil des Schoners und beobachtete, auf die Schanzkleidung gestützt, die Klippenreihe.
Wie langsam wich doch das Meer zurück! Es lag aber auf der Hand, dass dessen Niveau sich erniedrigte, denn die Schieflage des Schoners nahm noch weiter zu. Moko hatte mittels eines Senkbleis gefunden, dass noch mindestens acht Fuß Wasser über der Bank standen. Dass die Ebbe so tief sinken würde, um jene völlig trockenzulegen, glaubte Moko nicht annehmen zu dürfen und teilte seine Ansicht Briant heimlich mit, um niemand unnötig zu erschrecken.
Briant setzte dann Gordon hiervon in Kenntnis. Beide begriffen, dass der Wind, obwohl er noch weiter nach Norden umgegangen war, doch das Meer verhinderte, soweit zurückzusinken, wie es bei stillem Wetter der Fall gewesen wäre.
»Was beginnen wir dann also?« sagte Gordon.
»Ich weiß es nicht … Ich weiß es nicht …!« antwortete Briant. »Und welches Unglück, es nicht zu wissen … welches Unglück, in unserer Lage fast noch Kinder und, wo es so nötig wäre, nicht Männer zu sein.«
»Die Notwendigkeit wird unsere Lehrmeisterin sein«, versicherte Gordon. »Verzweifeln wir nicht, Briant, und handeln wir klug!«
»Ja, handeln, Gordon! Wenn wir den ›Sloughi‹ vor Wiedereintritt der Flut nicht verlassen haben, wenn wir noch eine Nacht an Bord bleiben müssen, sind wir verloren …«
»Kein Zweifel, denn die Yacht wird dann zertrümmert werden. Wir müssen dieselbe auf jeden Fall verlassen haben …«
»Gewiss; um jeden Preis, Gordon!«
»Wäre es nicht ratsam, eine Art Floß oder etwas wie eine Fähre herzustellen?«
»Daran hab’ ich wohl auch gedacht«, antwortete Briant, »leider hat uns der Sturm aber alles dazu geeignete Material entführt. Die Schanzkleidung abzubrechen, um aus deren Teilen ein Floß zusammenzuzimmern, dazu fehlt uns die Zeit. So bleibt nur die Jolle übrig, deren wir uns aber bei dem schweren Seegange nicht bedienen können. Doch nein, wir könnten auch noch versuchen, ein Tau durch den Klippengürtel zu ziehen und dessen Ende an der Spitze eines Felsens zu befestigen. Vielleicht gelingt es uns, daran bis ganz in die Nähe des Strandes hingleiten zu können …«
»Wer soll das Tau aber auslegen?«
»Ich«, erklärte Briant.
»Und ich werde dir helfen«, sagte Gordon.
»Nein, ich vollbring es allein«, versetzte Briant.
»Denkst du, dabei die Jolle zu benützen?«
»Das hieße, es wagen, sie ganz einzubüßen, Gordon, und es ist besser, diese als allerletztes Hilfsmittel aufzubewahren.«
Bevor er zur Ausführung seines gefahrvollen Vorhabens schritt, wollte Briant jedoch, um jede unglückliche Möglichkeit auszuschließen, noch eine nützliche Maßregel treffen.
An Bord befanden sich verschiedene Schwimmgürtel, und er veranlasste die kleinsten Gefährten, sich sofort mit denselben auszurüsten. Im Fall sie die Yacht verlassen mussten, während das Wasser noch so tief war, dass diese mit den Füßen keinen Grund fanden, würden diese Apparate sie schwimmend erhalten, und die größeren Knaben, welche an dem Tau hinglitten, sollten sie dann nach dem Strande zu vor sich herschieben.
Es war jetzt zehneinviertel Uhr. Binnen fünfundvierzig Minuten musste die Ebbe den tiefsten Stand erreicht haben. Am Steven des »Sloughi« maß man nur noch vier bis fünf Fuß Wasser, es schien aber nicht, als ob dieser Stand sich noch mehr als wenige Zoll erniedrigen sollte. Gegen sechzig Yards weiterhin stieg der Grund freilich merkbar höher auf, das verriet sich deutlich an der mehr schwärzlichen Farbe des Wassers, sowie an den zahlreichen Spitzen, die längs des Strandes aufgetaucht waren. Die Schwierigkeit lag nur darin, über die tiefere Stelle vor dem Schiffe glücklich hinwegzukommen. Gelang es Briant, in dieser Richtung ein Tau auszulegen und es an einem Felsen haltbar zu befestigen, so musste dieses Tau, nach dessen Anspannung mittels des Gangspills an Bord, es ermöglichen, eine Stelle zu erreichen, wo man wenigstens Grund fand. Holte man an demselben Kabel die Ballen mit Mundvorräten und Werkzeugen herüber, so gelangten diese voraussichtlich unbeschädigt ans Land.
Wie gefährlich dieser Versuch auch sein mochte, so wollte Briant doch niemand gestatten, für ihn einzutreten, und er traf demgemäß seine Vorbereitungen.
An Bord befanden sich mehrere schwächere Taue von etwa hundert Fuß Länge, welche gelegentlich als Trossen gedient hatten. Briant wählte eines von mittlerer Dicke, das ihm am geeignetsten erschien, und befestigte dasselbe, nachdem er sich halb entkleidet, am Gürtel.
»Jetzt, Achtung, ihr anderen!« rief Gordon. »Seid bei der Hand, das Tau nachgleiten zu lassen. Hierher aufs Vorderdeck!«
Doniphan, Wilcox, Cross und Webb konnten ihre Mithilfe bei einem Unternehmen nicht verweigern, dessen Wichtigkeit sie einsahen. Trotz ihrer Misslaune ließen sie sich dazu herbei, an dem Tau mit anzufassen und dieses je nach Bedarf nachschießen zu lassen, um Briants Kräfte möglichst zu schonen.