Zwei Jahre Ferien. Jules Verne
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Die Ersteigung war ziemlich beschwerlich; er musste dabei von einem Felsstück zum anderen emporklimmen, und diese waren nicht selten so groß, dass Briant nur mit größter Mühe ihre oberen Kanten erlangen konnte. Da er jedoch zu derjenigen Klasse von Knaben gehörte, welche man mit Recht »Klettertiere« nennen könnte, da er von Jugend auf eine besondere Vorliebe für solche Wagstücke gehabt und sich dadurch eine ungewöhnliche Kühnheit, Geschmeidigkeit und Gewandtheit erworben hatte, so setzte er schließlich den Fuß auf den Gipfel, nachdem er wiederholt manch recht verderblichen Sturz glücklich vermieden hatte.
Das Fernrohr vor den Augen, lugte Briant nun zuerst in der Richtung nach Osten hinaus.
Diese Gegend erschien, soweit er sehen konnte, völlig flach. Das steile Ufer bildete ihre größte Erhebung, und dessen Hochebene senkte sich ganz allmählich nach dem Inneren zu hinab. Weiter hinaus unterbrachen noch einige sehr mäßige Erhöhungen diese Fläche, ohne das Bild des Landes besonders zu verändern. Nach derselben Richtung hin bedeckten es große Waldmassen, welche unter ihrem jetzt mehr gelblichen Blätterdache die Wasserläufe bergen mochten, die dem Uferlande zueilten. Das Ganze erschien also bis zum Horizont hinaus als große Ebene, deren Durchmesser etwa zehn Meilen betragen konnte. Es hatte demnach nicht den Anschein, als ob das Meer an dieser Seite das Land begrenzte, und um festzustellen, ob dasselbe einer Insel oder einem Festland angehörte, bedurfte es eines weiter ausgedehnten Ausfluges in der Richtung nach Osten.
Nach Norden hin erkannte Briant kein Ende des Vorlandes, das sich in jener Linie wohl sieben bis acht Meilen weit ausdehnte. Jenseits eines weiter draußen liegenden, sehr verlängerten Vorberges bildete dieses vielmehr eine große sandige Fläche, welche man fast hätte als eine Wüste bezeichnen können.
Nach Süden zu und hinter dem anderen Vorgebirge, das sich dort am Ende der Bai erhob, verlief die Küste von Nordosten nach Südwesten und begrenzte da einen ausgedehnten Sumpf, der mit dem öden Vorland im Norden auffallend kontrastierte.
Briant hatte das Objektiv seines Fernrohrs aufmerksam über alle Teile dieses weiten Kreises hinweggeführt. Befand er sich auf einer Insel? War er auf einem Festland?
… Er hätte es nicht sagen können. Wenn es eine Insel war — so hatte diese wenigstens einen ziemlich bedeutenden Umfang — mehr konnte er vorläufig nicht feststellen.
Er wandte sich jetzt der Westseite zu. Das Meer erglänzte unter den schrägen Strahlen der Sonne, welche allmählich zum Horizont hinabsank.
Plötzlich nahm Briant das Fernrohr sehr hastig wieder vor das Auge und richtete es nach der äußersten Linie der offenen See.
»Schiffe!« rief er für sich. »Vorübersegelnde Schiffe!«
In der Tat zeigten sich drei schwarze Punkte am Rande der glitzernden Gewässer und in einer Entfernung, welche mindestens fünfzehn Meilen betragen mochte.
Wie fühlte sich Briant seltsam erregt! War er das Opfer einer Augentäuschung! Sah er dort wirklich Fahrzeuge vor sich?
Briant senkte das Fernrohr wieder, reinigte das von seinem Atem angelaufene Okular und blickte wieder hinaus …
In der Tat schienen die drei schwarzen Punkte Schiffe anzugehören, von denen man nur den Rumpf sehen konnte. Von einer Bemastung zeigte sich freilich nichts, und jedenfalls deutete keine Rauchsäule darauf hin, dass es Dampfer in Fahrt wären.
Sofort kam Briant der Gedanke, dass diese Schiffe, wenn es solche waren, sich in viel zu großer Entfernung befanden, als dass sie Signale von ihm hätten wahrnehmen können. Da er auch annehmen musste, dass seine Kameraden diese Fahrzeuge nicht bemerkt hätten, erschien es ihm als das Beste, schnellstmöglich nach dem »Sloughi« zurückzukehren, um auf dem Strand ein großes Feuer anzuzünden und dann … wenn die Sonne versunken war …
Während dieser Gedanken behielt Briant die drei schwarzen Punkte unausgesetzt im Auge. Wie groß war aber seine Enttäuschung, als er sich überzeugte, dass diese sich nicht von der Stelle bewegten.
Von Neuem richtete er das Fernrohr auf dieselben und behielt sie einige Minuten in dessen Gesichtsfeld … Da wurde es ihm bald klar, dass er nur drei kleine Eilande vor sich hatte, die im Westen vor der Küste lagen und an denen der Schoner gewiss vorübergekommen war, als der Sturm ihn hierher verschlug, die aber bei der Dunkelheit nicht bemerkt worden waren.
Die Enttäuschung war eine recht schmerzliche.
Jetzt war es um zwei Uhr. Das Meer begann wieder sich zurückzuziehen und ließ den Klippengürtel zur Seite des steilen Ufers trocken liegen. Briant hielt es an der Zeit, nach dem »Sloughi« heimzukehren, und bereitete sich vor, nach dem Fuße des Hügels hinabzusteigen.
Indessen wollte er noch einmal den östlichen Horizont besichtigen. Vielleicht erkannte er bei dem jetzt tieferen Stand der Sonne noch einen anderen Punkt des Landes, der ihm bisher entgangen war.
Er schritt also nochmals zu einer umfänglichen aufmerksamen Beobachtung in dieser Richtung, und wahrlich, er sollte diese Mühe nicht zu bereuen haben.
In der Tat unterschied er am äußersten Gesichtskreise und jenseits der Wälder sehr deutlich eine bläuliche Linie, die sich auf die Entfernung von einigen Meilen von Norden nach Süden hin fortsetzte, eine Linie, deren beide Enden sich hinter der verstreuten Masse von Bäumen verbargen.
»Was ist das?« fragte er sich.
Noch einmal blickte er möglichst scharf hinaus.
»Das Meer …! Ja … das ist das Meer!«
Fast wäre das Fernrohr seinen Händen entfallen.
Da sich das Meer auch im Osten ausdehnte, unterlag es keinem Zweifel mehr, dass es kein Festland war, auf dem der »Sloughi« scheiterte, sondern eine Insel, eine in der grenzenlosen Weite des Stillen Ozeans verlorene Insel, von der sie unmöglich