Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen. Эдгар Аллан По

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Читать онлайн книгу Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen - Эдгар Аллан По страница 10

Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen - Эдгар Аллан По Reclam Taschenbuch

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nur durch die Schwäche seines kraftlosen Willens.«

      Sie starb, und ich, den der Gram in den Staub niederwarf, konnte die öde Verlassenheit meiner Behausung in der dunklen, verfallenden Stadt am Rhein nicht länger ertragen. Ich hatte keinen Mangel an dem, was die Welt Reichtum nennt. Ligeia hatte mir weit mehr, sehr viel mehr hinterlassen, als für gewöhnlich den Sterblichen zufällt. Und so erwarb ich nach einigen Monaten des matten und ziellosen Wanderns in einer der wildesten und abgelegensten Gegenden des schönen England eine Abtei, deren Namen ich nicht nennen möchte, und setzte sie einigermaßen instand. Die düstere und zugleich trostlose Pracht des Gebäudes, der nahezu verwilderte Charakter des Grundstücks, die vielen melancholischen und altehrwürdigen Erinnerungen, die sich mit beiden verbanden, standen so recht im Einklang mit dem Gefühl gänzlicher Verlassenheit, das mich in diese abgelegene und ungesellige Region des Landes getrieben hatte. Und obwohl das Äußere der Abtei, überwuchert vom grünenden Verfall, nur wenig Veränderungen zuließ, widmete ich mich in kindlicher Launenhaftigkeit und vielleicht auch in der schwachen Hoffnung, meinen Kummer zu lindern, einer Ausschmückung des Innern, die mehr als königliche Pracht entfaltete. Für solche Torheiten hatte ich schon in meiner Kindheit einen Geschmack entwickelt, und nun suchten sie mich wieder heim, als ob ich vor Kummer närrisch geworden. Ach, ich fühle es, wie viel aufdämmernder Wahnsinn in den prachtvollen und phantastischen Vorhängen, in den erhabenen ägyptischen Statuen, in den wilden Simsen und Möbeln, in den wahnwitzigen Mustern der Teppiche aus dichtgewebtem Gold hätte entdeckt werden können! Ich war zum hilflosen Sklaven in den Fesseln des Opiums geworden, und meine Werke und Weisungen hatten das Kolorit meiner Träume angenommen. Doch ich sollte nicht bei der Beschreibung dieser Absurditäten verweilen. Nur von jenem einen, auf immer verfluchten Gemach lasst mich sprechen, in das ich in einem Augenblick geistiger Umnachtung vom Altare weg als meine Braut – als Nachfolgerin der unvergessenen Ligeia – die blonde, blauäugige Lady Rowena Trevanion von Tremaine führte.

      Da ist kein Detail der Architektur und Dekoration dieses Brautgemachs, das mir nicht jetzt noch vor Augen stünde. Wo war das Mitgefühl der hochmütigen Angehörigen der Braut, als sie in ihrer Goldgier gestatteten, dass eine junge Frau und geliebte Tochter die Schwelle zu einem derart geschmückten Gemach überschritt? Ich sagte schon, dass ich mich an die Details des Brautgemachs sehr genau erinnere – doch überkommt mich trauriges Vergessen, was Dinge von zentraler Bedeutung anbelangt –, und hier, in dem phantastischen Prunk, gab es kein System, keinen Anhaltspunkt, der dem Gedächtnis als Anker hätte dienen können. Der Raum lag in einem hohen Turm der burgartigen Abtei, war fünfeckig und von beträchtlicher Größe. Die gesamte Südseite des Fünfecks nahm das einzige Fenster ein – eine riesengroße, ungeteilte Scheibe aus venezianischem Glas – eine einzige bleifarbene Glasfläche, so dass die Strahlen der Sonne oder des Mondes, die hindurchschienen, mit einem gespenstischen Glanz auf die Gegenstände im Inneren fielen. Über den oberen Teil dieses gewaltigen Fensters breitete sich das Rankenwerk eines uralten Weinstocks aus, der die massigen Wände des Turms emporklomm. Die Decke aus düsterem Eichenholz war hoch und gewölbt und ausgiebig mit der wildesten und groteskesten Art von Schnitzwerk halb im gotischen, halb im druidischen Stil verziert. Vom höchsten Punkt dieses melancholischen Gewölbes hing an einer einzelnen langgliedrigen Goldkette eine gewaltige Weihrauchschale, ebenfalls aus Gold, mit sarazenischen Mustern verziert und mit vielen Öffnungen versehen, die so gestaltet waren, dass eine stetige Folge bunter Flammen hinein- und herauszüngelten, als seien sie von einem schlangengleichen Leben beseelt.

      Einige Ottomanen und goldene Kandelaber im orientalischen Stil standen hier und da im Raum verteilt – und da war noch die Liegestatt – das Brautbett – nach indischem Vorbild, niedrig und aus solidem Ebenholz geschnitzt, mit einem Baldachin darüber, der einem Sargtuch glich. In jeder der fünf Ecken des Raumes stand aufrecht ein gigantischer Sarkophag aus schwarzem Granit; fünf Sarkophage, die aus den Königsgräbern im Tal der Könige44 stammten und deren ehrwürdige Deckel mit uralten Skulpturen verziert waren. Aber erst in den Wandbehängen des Gemachs zeigte sich, ach, die überschwänglichste Phantasterei von allen. Die aufstrebenden Wände von gigantischer, fast schon unproportionierter Höhe waren von der Decke bis zum Boden im weiten Faltenwurf mit schweren, undurchdringlich wirkenden Wandteppichen behangen – Stoffe aus einem Material, das gleichermaßen als Teppich auf dem Boden, als Überwurf für die Ottomanen und das Ebenholzbett, als Baldachin über diesem und in den prunkvollen Windungen der Vorhänge, die teilweise das Fenster überschatteten, wiederzufinden war. Dieses Material war ein schweres Goldgewebe. Es war über und über in unregelmäßigen Abständen mit arabesken Figuren bedeckt, die etwa einen Fuß im Durchmesser aufwiesen und in tiefschwarzen Mustern in den Goldstoff gewirkt waren. Doch diese Figuren enthüllten sich nur als wahre Arabesken, wenn man sie von einem bestimmten Standpunkt aus betrachtete. Durch einen heute geläufigen Kunstgriff, der sich allerdings in sehr entfernte Epochen der Antike zurückverfolgen lässt, veränderte sich ihr Anblick je nach Standpunkt. Einem Betrachter, der den Raum betrat, mussten sie wie simple Monstrositäten erscheinen; doch wenn er weiter fortschritt, änderte sich ihre Erscheinung allmählich; und Schritt um Schritt, je nach dem Standpunkt des Besuchers, sah er sich umgeben von einer endlosen Folge gespenstischer Formen, wie sie dem Aberglauben der Normannen entspringen oder in den schuldbeladenen Träumen eines Mönchs aufsteigen mögen. Der gespenstisch-flüchtige Effekt wurde dabei noch wesentlich durch einen künstlich erzeugten Luftstrom hinter den Wandbehängen erhöht, was dem Ganzen eine schreckliche und beklemmende Lebendigkeit verlieh.

      In Hallen dieser Art – in einem Brautgemach wie diesem – verbrachte ich mit der Lady von Tremaine die unheiligen Stunden des ersten Monats unserer Ehe – verbrachte sie und war nur wenig beunruhigt. Dass meine Frau die stürmische Launenhaftigkeit meiner Stimmungen fürchtete, dass sie mich mied und nur wenig liebte – es konnte mir nicht entgehen; doch dies bereitete mir eher Freude als alles andere. Ich verabscheute sie mit einem Hass, der eher dämonisch als menschlich war. Meine Gedanken flohen (oh, mit welch tiefem Bedauern!) zurück zu Ligeia, der geliebten, der majestätischen, der schönen, der begrabenen. Ich schwelgte in Erinnerungen an ihre Reinheit, ihre Weisheit, ihre hehre, ja ätherische Natur, ihre leidenschaftliche und abgöttische Liebe. Nun erst entbrannte mein Geist in einem vollen und freien Feuer, das alle ihre Feuer übertraf. Im Taumel meiner Opiumträume (denn ich lag gewohnheitsmäßig in den Banden dieser Droge) rief ich immer wieder laut ihren Namen in das Schweigen der Nacht oder bei Tag durch die stillen Winkel der Bergschluchten, so, als ob ich durch das wilde Verlangen, die feierliche Leidenschaft, die verzehrende Glut meiner Sehnsucht nach der Dahingeschiedenen sie selbst wieder zurückführen könnte auf die irdischen Pfade, die sie – ach, konnte es für immer sein? – verlassen hatte.

      Gegen Anfang des zweiten Monats unserer Ehe wurde Lady Rowena von einer plötzlichen Krankheit befallen, von der sie sich nur langsam erholte. Das Fieber, das sie verzehrte, ließ ihre Nächte unruhig werden. Und in ihrem verwirrten Zustand des Halbschlummers sprach sie von Lauten, von Bewegungen in und um das Turmgemach, deren Ursprung, so glaubte ich, nur im Aufruhr ihrer Phantasie zu finden war oder vielleicht in den phantasmagorischen Einflüssen des Gemachs selbst. Schließlich erholte sie sich, wurde gar wieder gesund. Doch verging nur eine kurze Zeit, ehe ein zweiter, heftigerer Anfall sie auf das Krankenbett zurückwarf; und von dieser Attacke erholte sich ihr Körper, der schon immer schwach gewesen, nie wieder ganz. Ihre Krankheitssymptome waren von Stund an alarmierend, und noch alarmierender ihre stete Wiederkehr, und sie spotteten gleichermaßen allem Wissen und allen großen Bemühungen ihrer Ärzte. Zugleich mit der Steigerung ihres chronischen Leidens, das offenkundig schon zu tief in sie eingedrungen war, um durch irdische Heilmittel noch ausgemerzt werden zu können, konnte ich nicht umhin, eine ähnliche Steigerung an nervöser Reizbarkeit sowie an Schreckhaftigkeit bei den geringsten Anlässen zur Furcht zu beobachten. Sie sprach wiederum, und jetzt häufiger und beharrlicher, von den Lauten – den kaum hörbaren Lauten – und von den ungewöhnlichen Bewegungen in den Wandbehängen; Erscheinungen, auf die sie schon vorher hingewiesen hatte.

      Eines Nachts, der September zog schon herauf, lenkte sie mit mehr als gewöhnlichem Nachdruck meine Aufmerksamkeit auf dieses qualvolle Thema. Sie war gerade aus einem unruhigen Schlummer erwacht, und ich hatte halb besorgt, halb entsetzt das Mienenspiel ihrer eingefallenen Züge betrachtet. Ich saß

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