Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen. Эдгар Аллан По
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Ich zitterte nicht – ich rührte mich nicht –, denn ein Wirbel unfassbarer Vorstellungen, die sich mit dem Auftreten, der Statur und dem Verhalten der Gestalt verknüpften, bestürmte mein Denken und hatte mich in Stein verwandelt. Ich rührte mich nicht – starrte nur die Erscheinung an. Es herrschte eine wahnwitzige Verwirrung in meinen Gedanken – ein unkontrollierbarer Tumult. Konnte es denn wahrhaft und wirklich die lebende Rowena sein, die vor mir stand? Konnte es in der Tat überhaupt Rowena sein – die blonde, blauäugige Lady Rowena Trevanion von Tremaine? Warum, warum bloß sollte ich daran zweifeln? Die Binde war fest um ihren Mund geschlungen – doch warum sollte es nicht der Mund der atmenden Lady von Tremaine sein? Und die Wangen – sie erblühten rosig wie im Mittag ihres Lebens – ja, sie mochten wirklich die schönen Wangen der lebenden Lady von Tremaine sein. Und das Kinn mit den Grübchen wie ehedem – war es nicht ganz das ihre? Aber war sie denn größer geworden seit dem Beginn ihrer Krankheit? Welch unaussprechlicher Wahn ergriff mich bei diesem Gedanken? Ein Sprung, und ich war bei ihr! Sie zuckte vor meiner Berührung zurück und ließ die geisterhaften Leichentücher gelöst von ihrem Haupt gleiten, die es umschlossen hatten, und es ergossen sich in die brausende Atmosphäre des Gemachs überquellende Massen von langem, aufgelöstem Haar: es war schwärzer als die Rabenfittiche der Mitternacht! Und jetzt öffneten sich langsam die Augen der Gestalt, die vor mir stand. »Hier nun endlich«, schrie ich laut auf, »kann ich niemals, niemals irren – dies sind die großen und schwarzen und wilden Augen – meiner verlorenen Geliebten – der Lady – der LADY LIGEIA!«
1838 Übersetzung von Manfred Pütz
In der Klemme45
Welcher Zufall, werte Dame, hat Sie derart beraubt?
Comus 46
Es war ein ruhiger und stiller Nachmittag, als ich in der trefflichen Stadt Edina umherschlenderte. Der Trubel und Tumult in den Straßen waren fürchterlich. Männer redeten. Frauen kreischten. Kinder glucksten. Schweine grunzten. Karren, die ratterten. Bullen, die brüllten. Kühe, die muhten. Pferde, die wieherten, Katzen, die miauten. Hunde, die tanzten. Tanzten! Konnte es denn möglich sein? Tanzten! Weh mir, dachte ich, die Tage meines Tanzens sind vorüber! So ist es immer. Welche Unmenge düsterer Erinnerungen wird mitunter geweckt in einem Geist der Genialität und phantasievollen Betrachtung, besonders der Genialität, die verurteilt ist zu der immerwährenden und ewigen und fortbestehenden und, wie man sagen könnte, der – fortgesetzten – ja, der fortgesetzten und fortdauernden, bitteren, zermürbenden, störenden und, wenn mir der Ausdruck erlaubt sei, der sehr störenden Einflussnahme der heiteren und göttlichen und himmlischen und erhebenden und erbaulichen und läuternden Wirkung dessen, was zu Recht bezeichnet werden kann als das beneidenswerteste, das wahrlich beneidenswerteste – nein! das wohltuend schönste, das köstlich zarteste und gleichsam das hübscheste (wenn ich einen so gewagten Ausdruck benutzen darf) Ding (vergib mir, lieber Leser!) der Welt – aber meine Gefühle gehen immer mit mir durch. In solch einem Geist, ich wiederhole, welche Unmenge von Erinnerungen wird da von einer Belanglosigkeit wachgerufen! Die Hunde tanzten! Ich – ich konnte nicht! Sie wedelten – ich weinte. Sie machten Luftsprünge – ich schluchzte laut. Ergreifende Umstände! die dem klassisch gebildeten Leser jenen vorzüglichen Passus in Bezug auf die Tauglichkeit der Dinge ins Gedächtnis rufen muss, der am Anfang des dritten Bandes jenes bewundernswerten und ehrwürdigen chinesischen Romans Jo-Go-Slow47 zu finden ist.
Auf meinem einsamen Spaziergang durch die Stadt hatte ich zwei schlichte, jedoch getreue Gefährten. Diana, mein Pudel! süßestes aller Geschöpfe! Sie hatte ein dickes Haarbüschel über ihrem einen Auge und ein blaues Band elegant um den Hals geschlungen. Diana war nicht mehr als fünf Zoll hoch, doch ihr Kopf war ein wenig größer als ihr Körper, und ihr außerordentlich knapp abgeschnittener Schwanz verlieh dem interessanten Tier einen Hauch verletzter Unschuld, was sie bei jedermann beliebt machte.
Und Pompey, mein Neger48! – süßer Pompey! wie sollte ich dich jemals vergessen? Ich hatte mich bei Pompey eingehakt. Er war drei Fuß groß (ich bin gern eigen) und etwa siebzig oder vielleicht achtzig Jahre alt. Er hatte O-Beine und war sehr stämmig. Sein Mund sollte nicht klein genannt werden, noch seine Ohren kurz. Seine Zähne jedoch waren gleich Perlen, und seine großen, vollen Augen waren blendend weiß. Die Natur hatte ihn mit keinem Hals bedacht und hatte seine Knöchel (wie üblich bei dieser Rasse) in die Mitte des oberen Teils der Füße platziert. Er war mit rührender Einfachheit gekleidet. Seine einzigen Kleidungsstücke waren eine Halsbinde von neun Zoll Höhe und ein fast neuer, graubrauner, wollener Überrock, der ehemals in den Diensten des großen, stattlichen und berühmten Dr. Moneypenny gestanden hatte. Es war ein guter Überrock. Er war gut geschnitten. Er war gut gemacht. Der Überrock war fast neu. Pompey hielt ihn mit beiden Händen hoch, um ihn vom Schmutz fernzuhalten.
Da waren drei Personen mit von der Partie, und ihrer zwei sind schon Thema der Beschreibung gewesen. Da war eine dritte – diese Person war ich selbst. Ich bin die Signora Psyche Zenobia. Ich bin nicht Suky Snobbs.49 Meine Erscheinung ist Achtung gebietend. Bei der denkwürdigen Gelegenheit, von der ich spreche, trug ich ein karmesinrotes Satinkleid mit einer himmelblauen arabischen Mantille. Und das Kleid war mit grünen Agraffen besetzt und hatte sieben anmutige Volants orangefarbener Aurikeln. So war ich denn die Dritte im Bunde. Da war der Pudel. Da war Pompey. Da war ich selbst. Wir waren drei. Also heißt es, dass es ursprünglich nur drei Furien gab – Melty, Nimmy und Hetty – das Sinnen, die Erinnerung und das Geigenspiel.
Auf den Arm des galanten Pompey gestützt und in gebührendem Abstand von Diana gefolgt, schritt ich weiter eine der dichtbevölkerten Straßen des nun verlassenen Edina entlang. Auf einmal bot sich unserem Blick eine Kirche – eine gotische Kathedrale – gewaltig, würdevoll und mit einem hohen Turm, der in den Himmel aufragte. Von welchem Wahnsinn war ich nun besessen? Warum eilte ich meinem Verhängnis entgegen? Ich war von dem unkontrollierbaren Verlangen ergriffen, die schwindelnde Höhe zu erklimmen und von dort die unermessliche Weite der Stadt zu überblicken. Das Portal der Kathedrale stand einladend offen. Die Vorsehung siegte. Ich betrat den verhängnisvollen Bogengang. Wo blieb mein Schutzengel? – falls es solche Engel wirklich gibt. Falls! Quälender Einsilber! Welch eine Welt der Rätsel und Bedeutung und Zweifel und Ungewissheit ist in deinen fünf Buchstaben enthalten! Ich betrat den verhängnisvollen Bogengang! Ich trat ein, und ohne meine orangefarbenen Aurikeln zu verletzen, durchschritt ich das Portal und fand mich in der Vorhalle wieder. Also heißt es, floss der mächtige Fluss Alfred unversehrt und unbenetzt unter dem Meer hindurch.
Ich dachte, das Treppenhaus nähme nie ein Ende. Rund! Ja, sie gingen rund herum und hinauf, und herum und hinauf und herum und hinauf, bis ich mir nicht helfen konnte zu argwöhnen, mit dem scharfsinnigen Pompey, auf dessen stützenden Arm ich mich mit allem Vertrauen jugendlicher Zuneigung lehnte – ich konnte mir nicht helfen zu argwöhnen, dass das obere Ende der sich spiralförmig windenden Leiter versehentlich, oder vielleicht absichtlich, entfernt worden war. Ich hielt inne, um Atem zu schöpfen; und währenddessen ereignete sich etwas von zu gewichtiger Natur – aus moralischer und auch metaphysischer Sicht –, um ohne Bemerkung übergangen werden zu können. Es schien mir – fürwahr, ich war mir des Tatbestandes ziemlich sicher – ich konnte mich nicht täuschen – nein! ich hatte die Bewegungen meiner Diana einige Augenblicke lang aufmerksam und besorgt beobachtet – ich sage, dass ich mich nicht