Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen. Эдгар Аллан По

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Читать онлайн книгу Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen - Эдгар Аллан По страница 14

Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen - Эдгар Аллан По Reclam Taschenbuch

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Erinnerung an bessere und frühere Zeiten, da die Welt nicht nur Wüste und Pompey nicht ganz und gar grausam gewesen war.

      Das Ticken des Uhrwerks amüsierte mich. Amüsierte mich, sage ich, denn meine Empfindungen grenzten nun an vollkommene Glückseligkeit, und die nichtigsten Umstände spendeten mir Vergnügen. Das ewige Tick-tack, Tick-tack, Tick-tack der Uhr war die wohlklingendste Musik in meinen Ohren und erinnerte mich gelegentlich sogar an die reizenden, gesalbten Ansprachen Dr. Ollapods.54 Dann waren da die großen Zahlen auf dem Zifferblatt – wie intelligent, wie intellektuell sie alle aussahen! Und jetzt schickten sie sich an, die Mazurka zu tanzen, und ich glaube, es war die Ziffer V, deren Aufführung am meisten zu meiner Zufriedenheit ausfiel. Sie war offenbar eine gebildete Dame. Keine Prahlliese, und überhaupt nichts Unfeines in ihren Bewegungen. Um ihren Scheitelpunkt wirbelnd, vollführte sie die Pirouette bewundernswert. Ich unternahm einen Versuch, ihr einen Stuhl zu reichen; denn ich sah, dass sie ermüdet schien von der Anstrengung, und erst da wurde ich mir meiner beklagenswerten Lage gänzlich bewusst. In der Tat beklagenswert! Der Zeiger hatte sich zwei Zoll tief in meinen Hals gegraben. Ein Gefühl heftigsten Schmerzes überkam mich. Ich betete, sterben zu dürfen, und in der Qual des Augenblicks konnte ich nicht umhin, jene erlesenen Verse des Dichters Miguel de Cervantes zu wiederholen:

      Vanny Buren, tan escondida

      Query no te senty venny

      Pork and pleasure, delly morry

      Nommy, torny, darry, widdy!

      Aber nun bot sich ein neues Grauen, und eines, das fürwahr ausreicht, die stärksten Nerven erbeben zu lassen. Unter dem grausamen Druck des Uhrwerks traten meine Augen gänzlich aus ihren Höhlen. Während ich noch überlegte, wie ich nur irgend ohne sie auskommen sollte, purzelte eines tatsächlich aus meinem Kopf, rollte die steile Seite des Spitzturmes hinunter und blieb in der Regenrinne liegen, die entlang der Dachtraufe des Hauptschiffes verlief. Der Verlust des Auges war nicht so schlimm wie der unverschämte Ausdruck von Unabhängigkeit und Verachtung, mit dem es mich, nachdem es heraus war, ansah. Da lag es in der Rinne, gerade unter meiner Nase, und die Mienen, die es annahm, hätte man lächerlich nennen können, wären sie nicht ekelhaft gewesen. So ein Blinken und Blinzeln hatte es nie zuvor gegeben. Dieses Betragen seitens meines Auges in der Rinne war nicht nur wegen seiner offensichtlichen Unverschämtheit und schändlichen Undankbarkeit störend, sondern war auch ausgenommen lästig wegen der Sympathie, die immer zwischen zwei Augen des gleichen Kopfes besteht, egal, wie weit voneinander entfernt sie sind. Ich wurde gewissermaßen gezwungen zu blinken und zu blinzeln, ob ich wollte oder nicht, in genauem Einklang mit dem schurkischen Ding, das gerade unter meiner Nase lag. Es wurde mir jedoch durch das Herausfallen des anderen Auges bald Erleichterung verschafft. Im Fallen schlug es dieselbe Richtung ein (möglicherweise ein abgekartetes Spiel) wie sein Kollege. Beide rollten zusammen aus der Rinne, und, ehrlich gesagt, war ich sehr froh, sie loszuwerden.

      Der Zeiger war jetzt viereinhalb Zoll tief in meinem Hals, und es blieb nur noch ein kleines bisschen Haut zu durchtrennen. Meine Empfindungen waren jene vollkommener Glückseligkeit; denn ich fühlte, dass ich spätestens in ein paar Minuten aus meiner unerquicklichen Lage erlöst werden sollte. Und in dieser Erwartung wurde ich ganz und gar nicht enttäuscht. Um genau fünfundzwanzig Minuten nach fünf am Nachmittag war der riesige Minutenzeiger genügend weit in seiner schrecklichen Umdrehung fortgeschritten, um das kleine Überbleibsel meines Halses zu zerteilen. Es tat mir nicht leid, den Kopf, der mich in solch eine Klemme gebracht hatte, sich schließlich endgültig von meinem Körper trennen zu sehen. Erst kugelte er an der Seite des Spitzturmes hinunter, blieb dann ein paar Sekunden in der Rinne liegen, um schließlich mit einem Sturz seinen Weg zur Mitte der Straße einzuschlagen.

      Ich will offen zugeben, dass meine Gefühle nun von einzigartiger – nein, von rätselhaftester, erstaunlichster und unverständlichster Art waren. Meine Sinne waren hier und dort in ein und demselben Augenblick. Einmal stellte ich mir mit meinem Kopf vor, dass ich, der Kopf, die echte Signora Psyche Zenobia war, ein andermal war ich überzeugt davon, dass ich selbst, der Körper, die wahre Identität besaß. Um meine Gedanken zu diesem Thema zu klären, tastete ich in meiner Tasche nach meiner Schnupftabakdose, wurde mir aber, als ich sie ergriffen hatte und bestrebt war, mir eine Prise ihres wohltuenden Inhalts in gewöhnlicher Weise zuzuführen, sofort meines eigenartigen Gebrechens bewusst und warf die Dose sogleich hinunter zu meinem Kopf. Mit großer Genugtuung nahm er eine Prise und schenkte mir als Entgegnung ein anerkennendes Lächeln. Kurz darauf hielt er mir eine Rede, die ich ohne Ohren nur undeutlich vernehmen konnte. Ich schnappte jedoch genug auf, um zu wissen, dass mein Wunsch, unter solchen Umständen am Leben zu bleiben, ihn erstaunte. In den abschließenden Sätzen zitierte er das berühmte Wort des Ariost

      Il pover hommy che non sera corty

      And have a combat tenty erry morty

      und verglich mich auf diese Weise mit dem Helden, der, da er in der Hitze des Gefechts nicht bemerkte, dass er tot war, fortfuhr, die Schlacht mit unauslöschlicher Tapferkeit zu schlagen. Es gab nun nichts, was mich daran gehindert hätte, von meiner Erhöhung herabzusteigen, und so tat ich es. Was genau Pompey so besonders seltsam an meiner Erscheinung fand, war ich bislang nie in der Lage herauszufinden. Der Kerl öffnete seinen Mund von einem Ohr zum andern und schloss beide Augen so fest, als wollte er versuchen, Nüsse zwischen den Lidern zu knacken. Schließlich warf er seinen Überrock von sich, machte einen Satz nach dem Treppenhaus und verschwand. Ich schleuderte dem Schurken diese heftigen Worte des Demosthenes nach:

      Andrew O’Phlegethon, du beeilst dich wahrlich zu fliehen!

      und wandte mich dann dem Liebling meines Herzens zu, der einäugigen, der zottelhaarigen Diana. Ach, welch entsetzlicher Anblick bot sich meinen Augen! War das eine Ratte, die ich in ihrem Loch sich verstecken sah? Sind dies die abgenagten Knochen des kleinen Engels, der von dem Ungeheuer grausam verschlungen worden ist? Ihr Götter! Und was muss ich da gewahren – ist das die dahingeschiedene Seele, der Schatten, der Geist meines geliebten Hündchens, die ich mit solch schwermütigem Liebreiz in der Ecke sitzen sehe? Horch! denn sie spricht, und, beim Himmel, es ist in dem Deutsch Schillers:

      Unt stubby duk, so stubby dun

      Duk she! duk she!

      Ach! und sind nicht ihre Worte nur zu wahr?

      Und sterb’ ich doch, so sterb’ ich denn

      Durch sie – durch sie!

      Süßes Geschöpf! Auch sie hat sich für mich geopfert. Hundlos, negerlos, kopflos, was bleibt der unglücklichen Signora Psyche Zenobia nun? Ach – nichts! Ich bin am Ende.

      1838 Übersetzung von Erika Engelmann

      Der Untergang des Hauses Usher

       Son cœur est un luth suspendu;

       Sitôt qu’on le touche il résonne.

      Sein Herz ist eine schwebende Laute;

      Berühre sie, und sie ertönt.

      DE BÉRANGER55

      Einen ganzen trüben, dunklen und stillen Herbsttag lang, als die Wolken drückend tief am Himmel hingen, war ich ganz für mich durch einen seltsam öden Landstrich geritten und befand mich in Sicht des düsteren Stammsitzes der Usher, als die Abendschatten länger wurden. Ich weiß nicht, wie es kam – aber beim ersten Blick auf das Gebäude überkam ein Gefühl unerträglicher Schwermut meinen Sinn. Ich sage unerträglich, denn dieses Gefühl wurde nicht durch den mindesten angenehmen, weil dann poetischen Schimmer gemildert, mit dem das Gemüt noch die unfreundlichsten

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