Nelly - Das schönste Pferd der Welt. Ursula Isbel-Dotzler
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Ursula Isbel-Dotzler
Nelly
Das schönste Pferd der Welt
SAGA Egmont
Nelly - Das schönste Pferd der Welt
Copyright © 1996, 2018 Ursula Isbel-Dotzler und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711804490
1. Ebook-Auflage, 2018
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach
Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com
Unser Schwarzwaldhof Zum Rössle war vor mehr als hundert Jahren eine Poststation. Damals hielten hier die Postkutscher und wechselten ihre „Rösser“. Die Kutschpferde waren nach den langen Wegen über steile Berghänge, durch Wälder und Täler müde und erschöpft und konnten im Stall des Rösslehofs ausruhen. Sie wurden getränkt und gefüttert, während die Stallknechte frische Pferde vor die Postkutschen spannten. Und in der alten Schankstube, die jetzt unsere Küche ist, gab es Bier und eine warme Mahlzeit für die Postkutscher und ihre Fahrgäste.
Das ist lange her. Aber unser Hof wird hier im Tal auch heute noch Zum Rössle oder Rösslehof genannt, so wie in alter Zeit, als es noch Postkutschen gab.
Mäusebraten in Bierteig
Bei uns gibt es meistens Spaghetti. Dabei ist keiner von uns besonders wild auf Spaghetti. Es ist nur so, daß sie einfach zu kochen sind. Wenn man es kann, finde ich. Manchmal kleben sie in Haufen zusammen. Sie „rotten sich zusammen“, sagt mein Bruder Daniel. Oder sie bleiben zu hart. Jedenfalls, inzwischen können wir alle Spaghetti kochen, mit Butter oder mit Tomatensoße aus der Dose dazu; sogar meine kleine Schwester Emma.
Emma ist die Jüngste in unserer Familie. Und die einzige, die findet, eine Mutter sollte kochen können.
„Wer sagt, daß eine Frau auch gleich eine Köchin sein muß, nur weil sie Kinder hat?“ fragt Dani und schiebt sich ein Stück Käsebrot zwischen die Zähne. Käsebrot ist auch etwas, was bei uns häufig gegessen wird. „Da könnte man genausogut verlangen, daß jeder Vater auch ein Koch sein muß. Aber das ist wohl zu hoch für dich, wie?“
Emma baumelt mit den Beinen. Sie reicht noch nicht ganz mit den Füßen bis zum Boden, wenn sie auf dem Sofa sitzt. Sie kaut an ihrem dicken Zopf und erwidert undeutlich: „Ist mir egal. Trotzdem, ich finde, Kathi müßte es können. In meiner Klasse haben sie auch alle Mütter, die kochen können. Alle. Bloß wir nicht!“
Kathi, das ist unsere Mutter. Emma geht mir manchmal echt auf den Geist mit ihrem Schwarzwälder Dickkopf. In manchen Dingen läßt sie sich einfach nicht von ihrer Meinung abbringen, da kann man machen, was man will. Ich glaube, man könnte sie an einen Marterpfahl binden, Feuer unter ihr anzünden und sie rösten, und sie würde immer noch mit diesem eigensinnigen Zug um den Mund herum dastehen und sagen: „Ist mir egal, trotzdem!“
„Diese Frau macht mich wahnsinnig!“ sagt Daniel und steckt die Nase wieder in sein Buch über Europas Moose und Flechten.
Mit „Frau“ meint er Emma. Sie ist vor kurzem acht geworden. Wenn’s nach mir gegangen wäre, hätten wir auch ohne sie auskommen können. Ein zweiter Hund wäre mir lieber gewesen. Aber damals hat mich ja keiner gefragt.
Überhaupt mag ich Tiere lieber als Menschen. Hunde und Katzen und besonders Pferde. Mücken und Spinnen weniger. Obwohl Chris, unser Vater, immer sagt, daß auch sie notwendig sind für das Gleichgewicht in der Natur.
Unsere Familie besteht zur Hälfte aus Tieren und zur anderen aus Menschen. Nein, eigentlich sind die Tiere in der Überzahl, wenn man die Hühner dazurechnet. Wir haben zwei Katzen, einen Hund, einen alten Papagei und vier Hühner, von denen eins keine Eier mehr legt. Die Schwalben und Spatzen und Bachstelzen, die unter unserem Hausdach nisten, zähle ich nicht mit. Auch die Mäuse nicht, die im Keller und auf dem Dachboden leben. Letzten Winter hatten wir sogar einen Siebenschläfer irgendwo im Gebälk. Er machte nachts Zoff wie eine Horde Gespenster.
Obwohl es sinnlos ist, sage ich zu Emma: „Man kann nicht alles haben. Andere Mütter können vielleicht kochen, aber sie malen dafür keine Bilder und stricken keine tollen Muster und nähen keine Patchwork-Decken. Oder sie wollen keine Tiere im Haus haben, wegen dem Dreck. Oder sie verlangen, daß man ständig gute Noten nach Hause bringt und in allem besser ist als andere. Und sie hören vielleicht nicht zu, wenn man ihnen was erzählen will. Oder sie erwarten, daß man Klassenbeste in Mathe ist. Wäre dir das lieber?“
„Ist mir egal, trotzdem“, sagt Emma.
„Vergiß es!“ murmelt Dani und seufzt in sein Buch.
Ich bin aber noch nicht fertig. „Da kannst du lange suchen, bis du eine Mutter findest, die nichts gegen einen Papagei wie Kukirol hat, der alles vollkackt“, füge ich hinzu.
„Ist mir egal, trotzdem!“ piepst Daniel.
Emma springt vom Sofa. „Ihr könnt mich alle mal“, sagt sie und erklärt dann noch genauer, was wir sie können.
„Ich finde, sie haben sie sehr schlecht erzogen“, meint Dani und grinst mich an.
Ich mag meinen Bruder Daniel. Auch wenn ich manchmal stinkig auf ihn bin und ihn Moppel nenne. Wir streiten schon, aber im Grund verstehen wir uns. Manchmal brauchen wir uns nur anzuschauen, und schon weiß ich, was Dani denkt. Und Dani weiß, was ich denke. Ich stelle mir vor, daß das so bei Zwillingen ist. Allerdings sind wir keine Zwillinge. Dani ist vierzehn, also knapp zwei Jahre älter als ich. Und er ist nicht dunkelhaarig wie ich, sondern blond. Mein Gesicht ist viel rundlicher als seines, und er hat graue Augen, während meine blau sind. Aber vielleicht gibt es ja auch so was wie geistige Zwillinge, was weiß man. Oder wir haben uns in einem früheren Leben schon gekannt. Ich glaube an solche Sachen. Daniel nicht.
Emma reißt die Küchentür auf. Davor steht Chris, unser Vater, und fragt: „Kann mal einer von euch Kids losgehen und Milch und Käse vom Mattenhof holen?“
„Emma!“ sagen Dani und ich gleichzeitig.
„Hab keine Zeit!“ schreit Emma und versucht eilig unter dem Arm unseres Vaters durchzukriechen und zu verschwinden.
Aber er hält sie fest. „Das hast du nie, Gnädigste“, sagt er. „Du drückst dich, wo es geht. Du kannst auch mal was für die Familie tun! Also los, nimm den Milcheimer, und keine Grundsatzdiskussionen!“
Emma brabbelt und brummelt. Ich stehe auf und drücke ihr das blaue Milcheimerchen in die Hand, dazu Geld aus dem alten Schuhkarton, der unsere Haushaltskasse ist.
„Nimm August mit“, sage ich. August ist unser Hund. „Er braucht Bewegung.“
„Habt ihr was gegessen?“ fragt Chris. „Ich kann jetzt nicht kochen, ich hab gleich eine