Flöten und Dolche. Heinrich Mann
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Heinrich Mann
Flöten und Dolche
Novellen
Heinrich Mann
Flöten und Dolche
Novellen
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021
EV: Albert Langen, 1905
1. Auflage, ISBN 978-3-962818-31-9
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Inhaltsverzeichnis
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Ihr
Jürgen Schulze
Pippo Spano
Semblable à ces criminels d’autrefois, qui, poursuivis par la justice, étaient sauvés s’ils atteignaient l’ombre d’un autel, il essayait de se glisser dans le sanctuaire de la vie.
Wie jene Verbrecher von einst, die, von der Justiz verfolgt, gerettet wurden, wenn sie den Schatten eines Altars erreichten, versuchte er, in das Heiligtum des Lebens zu schlüpfen.
(La Peau de Chagrin)
I. Die Komödie
»Und verratet mich nicht«, sagte Mario Malvolto zu seinen zwei Freunden. »Lasst sie glauben, ich käme zurück.«
»Du kommst nicht?«
»Ich muss nach Hause. Ich habe Kopfschmerzen … Nein, ich will euch gestehen, ich muss allein sein.«
»Deinen Triumph überdenken. Gute Nacht, glücklicher Dichter.«
»Schlafen wirst du kaum.«
»Wer weiß. Gute Nacht.«
Die anderen gingen hinein. Mario Malvolto stand noch einen Augenblick oben an der Treppe. Hinter ihm verhallte das Bankett zu seinen Ehren. Links und rechts neigten sich tief zwei Lakaien voll goldener Schnüre. Er hielt seine schmächtige Gestalt ganz steif und schritt hinab, über den blassen, dicken Teppich, zwischen den vergoldeten Geländern.
»Diese Eitelkeit muss ausgekostet werden«, dachte er dabei. »Drinnen arbeitete ich zu sehr an meiner Rolle. Jetzt beherrsche ich das Erlebnis.«
»Wohin fahren wir, Herr Malvolto?« fragte der Kutscher.
»Nach Settignano.«
»Warum fragte denn der. Meinte er, ich fahre jetzt noch zu Mimi? O Mimi, du hinundherwehendes Seidenfähnchen! Bald flattert es dem um den Hals, bald jenem. Ich hab’ es geküsst, so oft an mir die Reihe war, habe sogar Abenteuer hineingestickt. Ja, Mimi, kleine Kokotte mit flüchtigen Impulsen, aber ohne Spur von Größe in deiner Sinnlichkeit, ich habe dir Leidenschaften angedichtet, habe sie zu meiner eigenen Genugtuung, aus Eitelkeit, aus Sehnsucht, deinen ganzen Lebenslauf entlang aufgestellt, wie Puppen, die große Gebärden schleudern. Du warst nur ein Mädel. Adieu, Mimi.
Wir wünschen mehr, wünschen Stärkeres. So etwas wie Mimi lässt sich noch neben einer Tragödie her lieben. Es nimmt so wenig Herz ein. Meine Tragödie hat heute Abend gesiegt. Ja, ich werde stark. Aber es heißt von den kleinen Genugtuungen ganz frei bleiben, die schwach erhalten, und die Der verbietet, der in meinem Zimmer über seine eiserne Schulter hinweg mich herausfordert!«
Nahm dieses enge Florenz kein Ende? Es verlangte ihn auf einmal heftig nach der Luft von seinen Hügeln, nach der von Öllaub durchschimmerten, von Lorbeer gewürzten Luft, die ihn bitter und sanft auf den Mund küsste. Die Gassen ließen noch immer ihr nächtliches Echo klappern. Der Schatten von Pferd und Kutscher stieg die Mauern hinauf und hinab. Dann lichteten sich die Vorstadthäuser. In die ersten Gärten tauchte das Mondlicht.
»Ich habe den Hügel dort hinten erobert, der mein Haus trägt. Und nicht bloß ihn – alle diese Hügel hab’ ich erobert.«
Seine Hand formte in der Luft einen Halbkreis; sie glitt über das entfernte Bild eines Hügels, wie über eine Frauenbrust.
»Dies ganze Land, alle seine Städte, jedes Haus, bis auf das letzte, hab’ ich erobern müssen. Denn mir gehörte keines. Kein heimlicher Feldweg in keinem Winkel des Landes kennt mich von meinem Anfang an. Bedenke das heute. Du bist auf dem Meer geboren, von einer Mutter aus fremdem Volk. Deine tragische Kunst hat um dieses Land, um jede seiner Ackerfurchen geworben, wie ein sehnsüchtiger Pilger im Kettenhemd, der aus Inbrunst Blut vergießt.
Jetzt hab’ ich Fuß gefasst. Jeder in Italien weiß, in welchem Dorf und auf welchem Tisch das Blatt Papier liegt, das ich mit Zeichen bedecke. Heute Nacht sind die Besiegten an mir vorübergezogen, ein ganzer Theatersaal, von mir unterworfen. Was habe ich zu vermerken? Elf Hervorrufe. Die Worte der Königin. Den Händedruck des Grafen von Turin. Dann das Bankett. Die beiden Deputierten, das Telegramm des Ministers. Der Bürgermeister redet. Die Kollegen helfen sich mit Ironie. Was noch? Nichts; keine Frauen beim Bankett. Keine Frauen – was bleibt von allem also übrig.«
Aus dem