Michael Unger . Ricarda Huch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Michael Unger - Ricarda Huch страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Michael Unger  - Ricarda Huch

Скачать книгу

Meier redete lebhaft auf Raphael ein, sich nicht durch zufällige Umstände und Stimmungen zu einem so verhängnisvollen Entschlusse hinreißen zu lassen. »Stecke deine Hände nicht in Geldgeschäfte«, sagte er. »Du hast weiße, faule Künstlerhände, die bisher nur gespielt und getändelt haben und ungeschickt zur Goldgräberei sind. Wenn du durchaus etwas werden willst, um einen Titel oder ein Amt zu haben oder Geld einzunehmen, und das Dichten dir nichts abwirft, so werde in Gottes Namen Schulmeister oder Schreiber; aber laß dich nicht in die große Goldmühle werfen, wo du unfehlbar zwischen die Räder kommen und gemahlen werden wirst.«

      Michael warf einen hochmütig zürnenden Blick auf den eifrigen kleinen Juden und sagte: »Wenn Raphael Künstler wäre, würde er nie einen Kaufmann um sein Los und sein Geld beneidet haben. Wollte er dennoch dafür gelten, würde er ein Heuchler oder ein Affe werden, der das Pathos der Begeisterung karikiert, und müßte erröten und sich verstecken, wo ein echter, göttlicher Hauch weht. Ist er dazu zu stolz und zu einsichtig, soll er töricht genug sein, Schulmeister oder Schreiber zu werden mit den weißen, faulen Händen, die nur getändelt haben? Mit dem Anspruch, in dem er aufgewachsen ist, in der feinsten Gesellschaft der Erlesenste zu sein? In unserem großen Geschäfte, das einmal seinen Gang geht, wo viele Köpfe und Hände arbeiten, kann er mitwirken, ohne sich zu überanstrengen und ohne doch ein buntes Aushängeschild vor einer leeren Kammer zu sein. Ich sehe keinen anderen Weg für ihn, ein Mann zu werden, der sich selbst achten kann.«

      Während Arnold Meier und Verena staunend auf Michael sahen, blickte Raphael erschreckt von einem zum anderen und fuhr sich mit der Hand durch die braunen Locken, unfähig, eine Erwiderung zu finden. Er konnte die Lage durchaus nicht übersehen und hatte das Gefühl, als würde er hilflos einem unerbittlichen, unberechenbaren Schicksal ausgeliefert, das mit ihm, dem Wehrlosen, schaltete. Teils lockte ihn die Aussicht, Geld zu verdienen und soviel er Lust hätte zu verbrauchen, andererseits empfand er eine unbestimmte Furcht vor der regelmäßigen Tätigkeit und trockenen, eintönigen Arbeit, der er sich, wie er voraussah, nicht ganz würde entziehen können. Sein hübsches, weiches Gesicht mit dem vollen Kinn drückte halb ernste, halb komische Verzweiflung aus, die ihn gut kleidete und etwas Rührendes hatte. »Es scheint mir fast, als ob Michael recht hätte, wenn er mir auch eben nicht schmeichelt«, sagte er endlich, und echte Bescheidenheit und Koketterie mischten sich unwiderstehlich gewinnend in seinen Worten.

      Arnold Meier und Verena trösteten ihn beide gutmütig, er müsse noch andere Schiedsrichter anrufen und es sich in jedem Fall reichlich überlegen, was er sich am ersten zutrauen könne; aber es war, als schlösse Michaels gespannter Wille, seine Seele festzuhalten und sich zu unterwerfen, jeden anderen Einfluß von ihm aus. Michael war mit seines Bruders Laufbahn niemals zufrieden gewesen, hatte sich aber nicht zur Einmischung berufen gefühlt und es bei gelegentlichen Neckereien bewenden lassen; nun sah er plötzlich ein bestimmtes Ziel vor Augen, das sich erreichen ließ, wodurch er befreit und sein Bruder in eine passende Lebensstellung gebracht wurde, und er ergriff diese Möglichkeit mit unbändigem Wollen, das keinen Einwand oder Zweifel zuließ und Raphael völlig verblüffte und überwältigte.

      Als sie miteinander allein waren, sagte Verena zu Michael, ihn mit glühenden Augen scheu betrachtend: »Was für ein Geist hat von dir Besitz genommen, Michael? Weißt du selbst denn, was du tust und wohinaus du treibst? Du bist mit Raphael verfahren wie die Schlange mit dem kleinen Vogel, dessen Seele sie mit den Augen lähmt, um ihn zu verschlingen. So hast du ihm deinen Willen aufgezwungen und ihn eingefangen, daß er das Brot aus deinen Händen nimmt, um nicht zu verhungern.«

      »Mit dem Unterschiede von der Schlange, daß ich nicht Raphaels Verderben bezwecke«, sagte Michael. »Auch glaube ich nicht, daß er sich meiner Meinung aus einem anderen Grunde angeschlossen hat, als weil er sie für die richtige hielt, und wenn ich hart gegen ihn geschienen habe, ist es nur, weil er von Kindheit auf in so viel Lüge gewickelt ist, daß man weder ihn noch er die Welt sehen konnte, wie sie wirklich sind.«

      »Ich will nicht sagen, daß du unrecht hattest«, erwiderte Verena, »wenn ich auch nicht weiß, ob du recht hattest. Du bist mir nie so schrecklich schön erschienen wie eben, und selbst wenn du mich nicht mehr liebtest wie einst, müßte ich dich anbeten.«

      Michael sah müde in ihre schönen Augen, die brennend an ihm hingen, und sagte: »Muß ein Mann den Frauen durchaus schrecklich erscheinen, bevor sie ihn lieben? Du ahnst wohl nicht, was mich die Kämpfe dieser Tage gekostet haben, sonst würdest du wissen, daß ich nicht so schrecklich bin, wie ich dir erscheine, und daß du keine Ursache hast, weder mich zu verabscheuen noch mich zu bewundern. Wer wahrhaft liebt, liebt einen so wie man ist, nicht wie man unter gewissen Beleuchtungen erscheint; ich bin aber heute derselbe, der ich am Tage unserer Bekanntschaft und immer seither war.«

      Nach einer Pause stand er seufzend auf, führte Verenas Hand an seine Lippen und sagte bittend: »Entschuldige dies überflüssige Gerede mit der Gereiztheit, in der ich mich befinde. Die Luft liegt hier so schwer auf mir, daß ich wollte, ich wäre erst fort.«

      »Und könnte vergessen, was hinter mir liegt«, setzte Verena mit schmerzlicher Bitterkeit hinzu. Michael schwieg, ein Angstgefühl beklemmte ihn, ob das Vergessen solcher Tage möglich wäre.

      Die Tatsache, daß Raphael sich bereit erklärte, vielmehr den Wunsch äußerte, an Michaels Stelle in das Geschäft einzutreten, änderte wirklich die Lage zu Michaels Gunsten. Denn Waldemar hatte sich zwar gefreut, wenn Raphael als Knabe etwas Buntes gemalt oder etwas gefällig Gereimtes gedichtet hatte, aber daß er deswegen Künstler werden sollte, hatte er stets mißbilligt, um so mehr, als er, seit Raphael erwachsen war, nie eine Leistung von ihm gesehen hatte, die ihm faßlich gewesen wäre. Die Malve gab zwar ihre stolzen Hoffnungen ungern auf, doch war sie klug genug, einzusehen, daß es besser so geschähe, als später durch Raphaels Unzulänglichkeit, mit der sie insgeheim schon zu rechnen angefangen hatte. Es fiel auch für die Eltern ins Gewicht, daß der auffallende Schritt Michaels sich nun den Leuten besser erklären ließ; daß der alte Unger Raphaels Künstlerlaufbahn mit Unwillen angesehen hatte, war bekannt, und es ließ sich denken, daß Michael, der nach seinem Austritt aus der Schule nur kurze Zeit eine Handelsschule besucht und später nur in Begleitung seines Vaters einige Geschäftsreisen unternommen hatte, nun sein jüngerer Bruder für ihn einsprang, einen mehrjährigen Urlaub nahm, um sich selbständig in der Welt umzutun. Von all diesem abgesehen, war auch der Widerstand Waldemars und Malves gegen den unabänderlichen Willen ihres Sohnes erlahmt, und sie mußten geschehen lassen, was sie nicht verhindern konnten.

      Von seinem Vater, der einen bestimmt abgegrenzten Plan verlangte, bat sich Michael fünf Jahre Freiheit zum Studium der Medizin aus, nach Verlauf welcher Zeit er sich in seiner Vaterstadt als Arzt niederlassen wollte. Trotzdem diese Aussicht, nun es einmal so weit gekommen war, manches Anziehende für Waldemar hatte, fand doch eine eigentliche Versöhnung zwischen ihm und seinem Sohne nicht statt; seinem dunklen verschlossenen Gesicht gegenüber fand Michael kein Wort, das an die alte Innigkeit angeknüpft hätte. Weit eher konnte er sich seiner Mutter nähern, die, im Grunde froh, daß die häßlichen Auftritte vorüber waren, durch verdoppelte Liebenswürdigkeit die Erinnerung daran zu verwischen suchte und sogar einen gewissen Anteil an seinen Plänen nahm.

      Nachdem diese Verständigung erreicht war, drängte es Michael, die Abreise zu beschleunigen, denn er sah wohl ein, daß die drückende Stimmung sich nicht ändern würde, solange er da war; doch brauchte er einige Tage dazu, um seine häuslichen und geschäftlichen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Verena ging ihm in dieser letzten Zeit zuweilen hilfreich zur Hand und schien mit der Wendung des Geschickes aufs beste einverstanden, bald schwankte sie unversehens in feindselige Verstimmung über oder gab sich trostloser Verzweiflung hin. »Du wolltest den Krieg und jammerst nun, da deine Hütte brennt«, dachte Michael; aber er begriff, daß die Unfolgerichtigkeit zu menschlich war, als daß er sie daran hätte mahnen mögen. Er gab sich Mühe, die liebreich rücksichtsvolle Gesinnung wiederzufinden, die er immer für sie gehabt hatte, aber sie wollte nicht freiwillig aus seinem Herzen fließen, und er meinte, eine längere Trennung würde das am besten wieder ins Geleise bringen. Nichts hätte

Скачать книгу