Maigret und der faule Dieb. Georges Simenon
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Maigret und der faule Dieb - Georges Simenon страница 3
Der Bois de Boulogne war ganz still, erstarrt wie die Kulissen eines Theaterstücks, und die in regelmäßigen Abständen aufragenden Laternen zeichneten weiße Lichtkreise in die Finsternis.
»Achtung! Ich glaube, da kommen sie …«
Ein Auto kam von der Porte Dauphine angefahren, ein langer schwarzer Wagen, der offenbar den Weg suchte. Fumel schwang seine Taschenlampe und stürmte zur Autotür.
Maigret rauchte langsam seine Pfeife und hielt sich abseits.
»Hier ist es, Herr Staatsanwalt. Der Polizeikommissar musste noch wegen eines Aufnahmeprotokolls ins Krankenhaus Cochin. Er wird in wenigen Minuten hier sein …«
Maigret hatte den Staatsanwalt erkannt. Es war ein großer, magerer, sehr eleganter Mann in den Dreißigern, der Kernavel hieß. Den Untersuchungsrichter kannte er ebenfalls, auch wenn er bisher selten mit ihm zusammengearbeitet hatte – ein gewisser Cajou, braunhaarig, etwa vierzig Jahre alt und zwischen der neuen und der alten Generation sozusagen in der Mitte. Der Schreiber hielt sich so weit wie möglich von der Leiche entfernt, als fürchtete er, sich von dem Anblick übergeben zu müssen.
»Wer …«, setzte der Staatsanwalt an.
Er bemerkte Maigret und runzelte die Stirn.
»Pardon. Ich habe Sie nicht gleich gesehen. Wie kommt es, dass Sie hier sind?«
Maigret begnügte sich mit einer vagen Geste und der noch vageren Bemerkung:
»Ein Zufall …«
Offensichtlich verärgert richtete sich Kernavel von da an nur noch an Fumel.
»Was ist hier eigentlich los?«
»Eine Fahrradstreife hat vor gut einer Stunde die Leiche entdeckt. Ich habe den Polizeikommissar benachrichtigt, aber der musste wie gesagt aus dringenden dienstlichen Gründen in die Cochin-Klinik und hat mich beauftragt, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Gleich darauf habe ich Doktor Boisrond angerufen …«
Der Staatsanwalt hielt nach dem Arzt Ausschau.
»Was haben Sie festgestellt, Doktor?«
»Schädelfraktur, wohl mehrere Brüche.«
»Ein Unfall? Denken Sie nicht, ein Auto könnte ihn überfahren haben?«
»Er ist zuerst mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf und dann ins Gesicht geschlagen worden.«
»Sie sind also sicher, dass es sich um einen Mord handelt?«
Maigret hätte schweigen und sie tun und reden lassen können, was sie wollten. Aber er trat einen Schritt näher.
»Würde man nicht vielleicht Zeit gewinnen, wenn man schon die Spezialisten vom Erkennungsdienst benachrichtigen würde?«
Es war immer noch Fumel, dem der Staatsanwalt Instruktionen gab.
»Lassen Sie einen der Polizisten anrufen.«
Er war blass vor Kälte. Sie alle standen um die Leiche herum und froren.
»Ein Obdachloser?«
»Er ist nicht wie einer angezogen, und bei dem Wetter treiben sich kaum welche im Bois herum.«
»Ausgeraubt?«
»Soweit ich feststellen konnte, hat er nichts in den Taschen.«
»Einer, der auf dem Heimweg überfallen wurde?«
»Es sind keine Blutspuren auf dem Boden. Der Arzt denkt wie ich, dass das Verbrechen nicht hier begangen wurde.«
»Dann handelt es sich wahrscheinlich um eine Art Abrechnung unter Verbrechern.«
Der Staatsanwalt sagte das in so entschiedenem Ton, als bestünde daran kein Zweifel. Man merkte ihm seine Befriedigung an, die richtige Lösung gefunden zu haben.
»Das Verbrechen wird am Montmartre begangen worden sein, und die Schurken sind hergekommen, um die Leiche loszuwerden.«
Er wandte sich an Maigret:
»Ich glaube nicht, Herr Kommissar, dass das ein Fall für Sie ist. Sie haben sicher wichtige laufende Ermittlungen. Wie weit sind Sie mit dem Raubüberfall auf das Postamt im 13. Arrondissement?«
»Ich weiß noch gar nichts.«
»Und die vorherigen Raubüberfälle? Wie viele hatten wir in den letzten vierzehn Tagen in Paris allein?«
»Fünf.«
»Ja, die Zahl habe ich auch im Kopf. Umso überraschter bin ich, dass Sie hier sind und sich mit Kleinigkeiten aufhalten.«
Diese Leier hörte Maigret nicht zum ersten Mal. Die Herren von der Staatsanwaltschaft waren entsetzt über die, wie sie es nannten, Verbrechenswelle, und vor allem über diese spektakulären Raubüberfälle, die sich seit einiger Zeit häuften, wie es in regelmäßigen Abständen vorkommt.
Das bedeutete, dass eine neue Bande sich kürzlich gebildet hatte, eine neue Gang, um das bei den Journalisten beliebte Wort zu gebrauchen.
»Haben Sie noch immer kein Indiz?«
»Nein, keins.«
Das stimmte nicht ganz. Er besaß zwar keine Indizien im engeren Sinn, aber er hatte eine Theorie, die standhielt und die die Tatsachen zu bestätigen schienen. Aber das ging niemanden etwas an, schon gar nicht die Staatsanwaltschaft.
»Hören Sie, Cajou, den Fall übernehmen Sie. Aber wenn Sie mich fragen – sehen Sie zu, dass möglichst wenig darüber an die Öffentlichkeit kommt. Es ist eine banale Geschichte, ein Raubmord unter Gangstern, und wenn sich die Verbrecher jetzt gegenseitig umbringen, ist das für alle nur das Beste, verstehen Sie?«
Er wandte sich wieder an Fumel:
»Sie sind Inspektor im 16.?«
Fumel nickte.
»Wie lange sind Sie schon bei der Polizei?«
»Seit dreißig Jahren. Seit neunundzwanzig genau …«
Und zu Maigret:
»Ist er gut?«
»Ein echter Profi.«
Der Staatsanwalt nahm den Richter beiseite und sprach leise mit ihm. Als die beiden Männer zurückkamen, wirkte Cajou ein wenig verlegen.
»Nun, Herr Kommissar, ich danke Ihnen, dass Sie sich herbemüht haben. Ich werde mit Inspektor Fumel in Verbindung bleiben und ihm meine Instruktionen geben. Wenn ich zu einem gegebenen Zeitpunkt glaube, dass er Unterstützung braucht, werde ich Sie zu mir bitten. Sie haben zu wichtige und zu dringende Aufgaben, als dass ich Sie noch länger hier festhalten möchte.«
Nicht nur von der Kälte war Maigret ganz blass, und er presste so sehr seine Zähne zusammen, dass das Mundstück