Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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... Augustine würde lachen, wenn ich ihr es sagte ... Mein Gott! wenn man zu heiraten gesonnen ist, denkt man nicht an die Dummheiten.

      Wenn er redseliger wurde, sprach er immer nur von dem Metzgerladen, den er mit Augustine in Plaisance zu eröffnen gedachte. Er schien so vollkommen sicher, sein Leben nach seinem Willen einzurichten, daß Florent schließlich vor ihm eine gewisse Achtung empfand, in die sich eine Gereiztheit mengte. Alles in allem war der Bursche sehr vernünftig, so dumm er auch schien; er ging gerade auf ein Ziel los und mußte es sicherlich ohne jede Aufregung, in vollkommener Zufriedenheit erreichen. An solchen Abenden konnte Florent nicht wieder an die Arbeit gehen; er legte sich mißvergnügt zu Bette und fand seine Ruhe erst wieder, wenn er dachte: »Dieser August ist doch nur ein dummes Rind!«

      Jeden Monat einmal ging er nach Clamart, um Herrn Verlaque zu besuchen. Dies war für ihn fast eine Freude. Der arme Mann schleppte sich fort zur großen Verwunderung Gavards, der ihm nicht sechs Monate gegeben hatte. Bei jedem Besuche Florents sagte ihm der Kranke, daß er sich besser befinde und seine Arbeit wieder aufnehmen wolle. Doch die Tage vergingen, und er ward wieder rückfällig. Florent setzte sich an sein Bett, plauderte mit ihm vom Fischmarkte und suchte ihn ein wenig zu erheitern. Er ließ auf dem Nachtkästchen die fünfzig Franken zurück, die er dem von ihm vertretenen Inspektor überließ; obgleich dies eine abgemachte Sache war, erzürnte sich Verlaque doch jedesmal und wollte das Geld nicht annehmen. Dann sprach man von etwas anderem und das Geld blieb auf dem Nachtkästchen. Wenn Florent fortging, gab Frau Verlaque ihm das Geleite bis zum Haustor. Sie war klein, weichlich und sehr weinerlich. Sie sprach immer von den Ausgaben, die die Krankheit ihres Gatten verursachte, von der Huhnsuppe, von den Braten, vom Rotwein, von dem Arzte und dem Apotheker. Diese Klagen waren Florent sehr lästig. Die ersten Male begriff er ihren Zweck nicht. Aber als die arme Frau unter fortwährendem Schluchzen erwähnte, wie glücklich sie ehedem mit den achtzehnhundert Franken gewesen, die ihr Mann als Gehalt bezogen, bot Florent in schüchterner Weise ihr an, ihr im geheimen etwas zu geben, ohne daß ihr Mann es wisse. Sie weigerte sich anfangs, dann versicherte sie ohne jeden Übergang, daß fünfzig Franken ihr genügen würden. Allein, im Laufe des Monats schrieb sie wiederholt an ihn, den sie »ihren Retter« nannte; sie verfügte über eine feine Schrift, über leichte und untertänige Redensarten, womit sie drei Seiten füllte, um zehn Franken zu verlangen; so daß schließlich die hundertundfünfzig Franken des Beamten ganz in die Hände des Ehepaars Verlaque wanderten. Der Mann wußte es gewiß nicht; die Frau aber küßte ihm die Hände. Diese gute Tat war seine große Freude; er verhehlte sie wie ein Vergnügen, das er als Egoist sich im geheimen gönnte.

      Dieser verteufelte Verlaque macht sich über Sie lustig, sagte Gavard manchmal; er hegt sich und pflegt sich, weil er von Ihnen eine Rente hat.

      Schließlich antwortete ihm Florent eines Tages:

      Es ist abgemacht zwischen uns; ich überlasse ihm nur fünfundzwanzig Franken.

      Übrigens hatte Florent keinerlei Bedürfnis. Bei den Quenus hatte er nach wie vor Wohnung und Verpflegung. Die wenigen Franken, die ihm übrigblieben, genügten für seine Erfrischung, die er am Abend bei Herrn Lebigre nahm. Allmählich hatte sein Leben sich geregelt wie eine Uhr: er arbeitete auf seiner Stube, gab zweimal wöchentlich von acht bis neun Uhr abends dem Knaben Feinchen Unterricht, schenkte einen Abend der schönen Lisa, um sie nicht zu verletzen, und verbrachte den Rest seiner Zeit in dem Glasverschlag in Gesellschaft Gavards und seiner Freunde.

      Zu den Méhudin kam er mit seiner etwas steifen Lehrersanftmut. Die alte Behausung gefiel ihm. Unten schritt er durch die faden Gerüche der trockenen Gemüse; in einem kleinen Hofe standen Kessel voll Spinat und Schüsseln voll Sauerampfer zum Auskühlen. Dann stieg er die Wendeltreppe hinan, deren feuchte, abgetretene Stufen in beängstigender Weise überhingen. Die Méhudin bewohnten den ganzen zweiten Stock. Die Alte hatte nicht wegziehen wollen, als der Wohlstand gekommen war, trotz der Bitten ihrer beiden Töchter, die lieber ein neues Haus in einer breiten Straße bewohnt hätten. Die Alte war eigensinnig; sie habe da gelebt und wolle da sterben, sagte sie. Sie überließ die Stuben ihren Töchtern und begnügte sich mit einer dunklen Kammer. Die schöne Normännin hatte kraft des Rechtes der älteren Schwester sich der nach der Straße gelegenen Stube bemächtigt; es war die große, die gute Stube. Claire war darüber dermaßen verdrossen, daß sie es ablehnte, die benachbarte Stube, deren Fenster auf den Hof ging, zu beziehen; sie zog es vor, in einer Art Dachstube zu schlafen, die auf der anderen Seite des Flurs lag und die sie nicht einmal mit Kalk tünchen ließ. Sie hatte ihren eigenen Schlüssel und war frei; bei dem geringsten Verdrusse schloß sie sich daselbst ein.

      Wenn Florent kam, waren die Méhudin mit ihrer Mahlzeit gewöhnlich zu Ende. Feinchen sprang ihm an den Hals. Er saß einige Augenblicke im Gespräch mit dem Kinde. Nachdem die wachsleinene Tischdecke abgetrocknet war, begann an einem Ende des Tisches die Unterrichtsstunde. Die schöne Normännin nahm ihn gut auf. Sie strickte oder besserte Linnenzeug aus, rückte ihren Sessel näher, um bei derselben Lampe zu arbeiten; oft ließ sie die Nadel ruhen, um dem Unterricht zu lauschen, der sie überraschte. Sie hatte bald große Achtung für den gelehrten Mann, der sanft schien wie eine Frau, wenn er mit dem Kinde sprach und der mit engelgleicher Geduld die nämlichen Dinge wiederholte. Sie fand ihn durchaus nicht mehr häßlich und schließlich ward sie fast eifersüchtig auf die schöne Lisa. Sie rückte ihren Sessel näher und betrachtete Florent mit einem Lächeln, das ihn in Verlegenheit brachte.

       Aber Mama, du stößest mich am Ellenbogen und ich kann nicht schreiben! rief Feinchen zornig. Da, jetzt habe ich ein Schwein gemacht. Rücke doch ein wenig weiter!

      Allmählich kam sie so weit, von der schönen Lisa viel übles zu reden. Sie behauptete, daß Lisa ihr Alter verleugne, daß sie sich zum Ersticken schnüre; wenn sie am Morgen zum Vorschein komme, sei sie geziert und geschniegelt, daß kein Härchen höher stehe, als die anderen; aber entkleidet müsse sie scheußlich sein. Dann hob sie ein wenig die Arme, um zu zeigen, daß sie zu Hause kein Mieder trage; und sie bewahrte ihr Lächeln und richtete ihren herrlichen Oberkörper auf, den man unter dem dünnen Jäckchen leben und blühen sah. Dadurch ward die Lektion unterbrochen. Feinchen sah mit Interesse zu, wie seine Mutter die Arme emporhob. Florent hörte zu, ja er lachte sogar und dachte sich, daß die Weiber doch drollig seien. Die Gegnerschaft zwischen der schönen Normännin und der schönen Lisa ergötzte ihn.

      Inzwischen schrieb Feinchen seine Seite voll. Florent, der eine schöne Hand schrieb, machte ihm Mustervorlagen, Papierstreifen, auf die er ihm in großen und halbgroßen Buchstaben lange Worte schrieb, die fast eine Zeile einnahmen. Er schrieb Worte wie »tyrannisch, freiheitsmörderisch, verfassungswidrig, aufrührerisch« – oder er ließ das Kind Sätze schreiben, wie die folgenden: »Der Tag der Gerechtigkeit wird kommen« – »Das Leiden des Gerechten ist die Verdammung des Bösen« – »Wenn die Stunde schlägt, wird der Schuldige fallen«. Indem er diese Schriftmuster machte, folgte er einfach den Gedanken, die seinen Kopf beschäftigten; er vergaß Feinchen, die schöne Normännin, alles, was ihn umgab. Feinchen würde auch den »Sozialen Vortrag« des Rousseau niedergeschrieben haben; er schrieb ganze Seiten voll mit »tyrannisch« – »verfassungswidrig« und zeichnete jeden Buchstaben nach der Vorlage ab.

      Solange der Lehrer da war, trieb sich Frau Méhudin brummend um den Tisch herum. Sie nährte gegen Florent noch immer Rachegefühle. Sie meinte, es sei unsinnig, den Kleinen des Abends dermaßen zum Lernen anzuhalten und er sollte lieber schlafen. Sie würde den »langen Mageren« sicher an die Luft gesetzt haben, wenn nicht die schöne Normännin nach einer sehr stürmischen Auseinandersetzung rundheraus erklärt hätte, daß sie eine andere Wohnung beziehen würde, wenn sie nicht mehr bei sich empfangen könne, wen sie wolle. Im übrigen erneuerte sich der Streit allabendlich.

      Du magst sagen, was du willst, er hat einen bösen Blick, wiederholte die Alte. Den Mageren traue ich nicht. Ein magerer Mensch ist zu allem fähig. Ich habe niemals einen getroffen, der gut gewesen wäre. Dieser trägt den Bauch sicherlich in den Hosen, denn er ist platt wie ein Brett ... Und häßlich dazu! ... Ich bin fünfundsechzig Jahre alt, aber ich möchte

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