Die bekanntesten Werke von Edgar Allan Poe (100 Titel in einem Band). Эдгар Аллан По
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Ich muß vorausschicken, daß der Ballon bei der nun erreichten Höhe seinen Weg nach oben völlig gleichmäßig und ohne jede Abweichung verfolgte; es wäre unmöglich gewesen, auch nur die geringste Schwankung wahrzunehmen. Dieser Umstand begünstigte sehr die Anwendung des Mittels, zu dem ich mich jetzt entschlossen hatte. Mein Wasservorrat war in Fäßchen an Bord genommen, deren jedes fünf Gallonen faßte und die alle sorgfältig rings an der Wand der Gondel verstaut waren. Eines davon band ich los, nahm zwei Taue und spannte sie fest von einer Seite zur andern an das Weidengeflecht, indem ich sie in einem Zwischenraum von einem Fuß nebeneinander anbrachte, so daß sie eine Art Gestell ergaben, auf das ich das Fäßchen auflegen und in horizontaler Lage befestigen konnte. Ungefähr acht Zoll tiefer und vier Fuß über dem Boden der Gondel brachte ich genau unter den Tauen ein zweites Gestell an – dieses aber aus einer dünnen Planke, dem einzigen derartigen Stück Holz, das ich besaß. Auf dieses Brett und genau unter den einen Rand des Fäßchens wurde ein kleiner irdener Krug gestellt. Nun bohrte ich in das Faß über dem Krug ein Loch, in das ich ein Stück konisch geformtes Holz einfügte. Diesen Stöpsel schob ich hinein und zog ihn wieder heraus, so lange, bis er nach einigen Versuchen die Öffnung gerade soweit abschloß, daß das herausdringende und in den darunter stehenden Krug fallende Wasser ihn in einem Zeiträume von sechzig Minuten bis zum Rand füllen mußte. Das ließ sich natürlich schnell und leicht feststellen, indem man berechnete, in welcher Zeit ein gewisser Bruchteil des Gefäßraumes sich füllte. Aus all diesen Vorbereitungen wird man den Rest meines Planes leicht erraten. Ich hatte mein Lager auf dem Boden so eingerichtet, daß mein Kopf beim Schlafen genau unter der Schnauze des Kruges lag. Es war klar, daß der Krug nach Ablauf einer Stunde überlaufen würde, und zwar an dieser Ausflußöffnung überlaufen würde, die etwas tiefer war als der Rand des Kruges. Es war ebenso klar, daß das aus einer Höhe von mehr als vier Fuß herunterfallende Wasser mir unbedingt auf das Gesicht tropfen würde, und die selbstverständliche Folge mußte mein augenblickliches Erwachen aus dem denkbar tiefsten Schlafe sein. Es war gut elf Uhr, als ich diese Vorbereitungen beendet hatte, und ich begab mich sogleich auf mein Lager, in vollem Vertrauen auf die Wirksamkeit meiner Erfindung. Auch wurde ich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Pünktlich alle sechzig Minuten wurde ich von meinem zuverlässigen Chronometer geweckt, worauf ich den Krug durch das Spundloch ins Faß entleerte, meine Obliegenheit am Kondensator erfüllte und mich wieder niederlegte. Die regelmäßige Unterbrechung meines Schlummers zeigte sich nicht einmal so unangenehm, wie ich geglaubt hatte, und als ich mich endlich für den neuen Tag erhob, war es sieben Uhr, und die Sonne stand bereits um viele Grade über meiner Horizontallinie.
3. April. Ich stellte fest, daß der Ballon eine gewaltige Höhe erreicht hatte, und die Konvexität der Erde zeigte sich nun verblüffend deutlich. Unter mir im Ozean lag ein Haufen schwarzer Punkte, zweifellos Inseln. Über mir war der Himmel tiefschwarz, und die Sterne waren strahlend sichtbar – waren es seit dem Tage meines Aufstiegs geblieben. Weit fort im Norden bemerkte ich einen dünnen, weißen, äußerst leuchtenden Strich oder Streifen am Horizontrand, und ich vermutete ohne weiteres, daß dies die südliche Grenze des Polareismeeres sei. Meine Neugier war aufs äußerste erregt, denn ich hatte Hoffnung, noch viel weiter nach Norden zu gelangen, und würde mich vielleicht zu irgendeiner Zeit direkt über dem Nordpol selber befinden. Ich bedauerte nur, daß meine große Höhe mich in diesem Fall verhindern mußte, einen so genauen Überblick zu gewinnen, wie ich es gewünscht hätte. Immerhin standen mir viele interessante Beobachtungen bevor.
Sonst ereignete sich nichts Bemerkenswertes im Laufe des Tages. Meine Apparate arbeiteten alle tadellos, und der Ballon stieg noch immer ohne jede wahrnehmbare Schwankung. Die Kälte war intensiv und nötigte, mich fest in meinen Überrock zu hüllen. Als die Erde sich im Dunkel verbarg, legte ich mich schlafen, obgleich es noch stundenlang nachher in meiner Nachbarschaft heller Tag blieb. Die Wasseruhr erfüllte pünktlich ihre Pflicht, und ich schlief fest bis zum andern Morgen, mit Ausnahme der periodischen Unterbrechungen.
4. April. Erhob mich bei guter Gesundheit und in guter Stimmung und war verwundert über die seltsame Veränderung, die das Meer bot. Es hatte zum großen Teil das tiefe Blau, in dem es sich bisher zeigte, verloren und strahlte in einem Grauweiß und einem blendenden Glanz. Der Ozean war so deutlich konvex, daß es aussah, als ob die ganze Masse des fernen Wassers kopfüber am Horizont in den Abgrund stürzte, und ich ertappte mich, wie ich auf den Zehen stand und nach dem Echo des gewaltigen Kataraktes lauschte. Die Inseln ließen sich nicht mehr sehen; ob sie nun nach Süd-Osten unter den Horizont gerückt waren oder ob die zunehmende Höhe sie meinem Gesichtskreis entzogen hatte, ist unmöglich zu sagen. Ich neigte jedoch zu letzterer Ansicht. Der Eisring im Norden wurde immer deutlicher. Die Kälte war keineswegs unerträglich. Es ereignete sich nichts von Bedeutung, und ich verbrachte den Tag mit Lesen, da ich mich glücklicherweise mit Büchern versorgt hatte.
5. April. Genoß die eigenartige Erscheinung der aufgehenden Sonne, während fast die ganze sichtbare Erdoberfläche in Dunkel gehüllt blieb. Mit der Zeit aber breitete sich das Licht über alles, und wieder sah ich die Eislinie im Norden. Sie war nun sehr deutlich und hatte eine viel dunklere Färbung als das Wasser des Ozeans. Ich näherte mich ihr offenbar, und zwar mit großer Schnelligkeit. Vermeinte im Osten wieder einen Streifen Land zu erkennen, war aber nicht ganz sicher. Das Wetter ist erträglich. Es ereignete sich nichts Wesentliches. Ging beizeiten schlafen.
6. April. War überrascht, den Eisreifen in ganz geringer Entfernung zu sehen und im Norden ein ungeheures Eisfeld, das sich bis zum Horizont dehnte. Es war sicher, daß der Ballon, wenn er seinen Kurs beibehielt, bald über dem Eismeer sein mußte, und ich zweifelte nun kaum mehr, den Pol zu Gesicht zu bekommen. Während des ganzen Tages näherte ich mich immer mehr dem Eis. Gegen Nacht erweiterten sich die Grenzen meines Horizonts plötzlich und wesentlich, zweifellos, weil die Erde eine abgeplattete Kugel ist und ich über den flachen Regionen in der Gegend des Polarkreises schwebte. Als schließlich die Dunkelheit mich umfing, begab ich mich in großer Unruhe zu Bett, in Sorge, den Gegenstand so vieler Neugier zu einer Zeit zu überfliegen, wo es mir unmöglich sein würde, ihn zu betrachten.
7. April. Erhob mich beizeiten und erblickte zu meiner großen Freude ein Gebiet, das ich unbedingt für den Nordpol halten mußte. Unzweifelhaft – da lag er, und genau zu meinen Füßen; aber ach! ich hatte jetzt eine solche Höhe erreicht, daß nichts deutlich zu erkennen war. Ja, wenn man nach der zunehmenden Zahlenreihe schließen wollte, die sich bei verschiedenen Höhenprüfungen am 2. April morgens zwischen sechs Uhr und zwanzig Minuten vor neun (zu welcher Zeit das Barometer sank) ergab, so kann man getrost annehmen, daß der Ballon jetzt, am 7. April um vier Uhr morgens, eine Höhe von gewiß nicht weniger als 7254 Meilen über dem Meeresspiegel erreicht hatte. Diese Höhe mag ungeheuer erscheinen, die Schätzung aber, die dieses Resultat ergab, blieb aller Wahrscheinlichkeit nach hinter der Wahrheit noch weit zurück. Jedenfalls überblickte ich nunmehr die ganze nördliche Hemisphäre; wie eine Karte lag sie senkrecht unter mir, und der große Kreis des Äquators selbst bildete die Grenzlinie meines Horizontes. Eure Exzellenzen mögen sich jedoch selbst denken, daß die bis dahin unerforschten Gebiete im nördlichen Polarkreis, obgleich sie sich direkt unter meinen Augen befanden und daher unverkürzt gesehen werden konnten, dennoch verhältnismäßig zu klein erschienen und in zu großer Entfernung lagen, um eine genaue Betrachtung zu gestatten. Immerhin war das, was sich erkennen ließ, höchst eigentümlich und interessant.
Nördlich von dem vorerwähnten, ungeheuren Eisring, der mit einigen Abweichungen als die Grenze menschlichen Vordringens in diesen Gebieten bezeichnet werden kann, breitete sich eine fast ununterbrochene Eisfläche aus. Gleich zu Anfang wird ihre Oberfläche abgeplattet, weiter verflacht sie sich zu einer Ebene, und schließlich endete sie, indem sie nicht unbeträchtlich konkav wurde, am Pol in einem kreisrunden Zentrum, das sich deutlich abhob und dessen scheinbarer Durchmesser mit dem Ballon einen Winkel von etwa fünfundsechzig Sekunden bildete; dieses Zentrum war von einer dunklen Färbung, die sich dauernd veränderte, immer aber dunkler