Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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Gültigkeit über die Erscheinung hinaus absprach. Es ist allerdings auffallend, daß er jene bloß relative Existenz der Erscheinung nicht aus der einfachen, so nahe liegenden, unleugbaren Wahrheit »Kein Objekt ohne Subjekt« ableitete, um so, schon an der Wurzel, das Objekt, weil es durchaus immer nur in Beziehung auf ein Subjekt daist, als von diesem abhängig, durch dieses bedingt und daher als bloße Erscheinung, die nicht an sich, nicht unbedingt existirt, darzustellen. Jenen wichtigen Satz hatte bereits Berkeley, gegen dessen Verdienst Kant nicht gerecht ist, zum Grundstein seiner Philosophie gemacht und dadurch sich ein unsterbliches Andenken gestiftet, obwohl er selbst nicht die gehörigen Folgerungen aus jenem Satze zog und sodann theils nicht verstanden, theils nicht genugsam beachtet wurde. Ich hatte, in meiner ersten Auflage, Kants Umgehn dieses Berkeleyschen Satzes aus einer sichtbaren Scheu vor dem entschiedenen Idealismus erklärt; während ich diesen andererseits in vielen Stellen der »Kritik der reinen Vernunft« deutlich ausgesprochen fand; und hatte demnach Kanten des Widerspruchs mit sich selbst geziehn. Auch war dieser Vorwurf gegründet, sofern man, wie es damals mein Fall war, die »Kritik der reinen Vernunft« bloß in der zweiten, oder den nach ihr abgedruckten fünf folgenden Auflagen kennt. Als ich nun aber später Kants Hauptwerk in der bereits selten gewordenen ersten Auflage las, sah ich, zu meiner großen Freude, alle jene Widersprüche verschwinden, und fand, daß Kant, wenn er gleich nicht die Formel »kein Objekt ohne Subjekt« gebraucht, doch, mit eben der Entschiedenheit wie Berkeley und ich, die in Raum und Zeit vorliegende Außenwelt für bloße Vorstellung des sie erkennenden Subjekts erklärt; daher er z.B. S. 383 daselbst ohne Rückhalt sagt: »Wenn ich das denkende Subjekt wegnehme, muß die ganze Körperwelt wegfallen, als die nichts ist, als die Erscheinung in der Sinnlichkeit unsers Subjekts und eine Art Vorstellungen desselben.« Aber die ganze Stelle von S. 348-392, in welcher Kant seinen entschiedenen Idealismus überaus schön und deutlich darlegt, wurde von ihm in der zweiten Auflage supprimirt und dagegen eine Menge ihr widerstreitender Aeußerungen hineingebracht. Dadurch ist denn der Text der »Kritik der reinen Vernunft«, wie er vom Jahr 1787 an bis zum Jahr 1838 cirkulirt hat, ein verunstalteter und verdorbener geworden, und dieselbe ein sich selbst widersprechendes Buch geworden, dessen Sinn eben deshalb Niemanden ganz klar und verständlich seyn konnte. Das Nähere hierüber, wie auch meine Vermuthungen über die Gründe und Schwächen, welche Kanten zu einer solchen Verunstaltung seines unsterblichen Werkes haben bewegen können, habe ich dargelegt in einem Briefe an Herrn Professor Rosenkranz, dessen Hauptstelle derselbe in seine Vorrede zum zweiten Bande der von ihm besorgten Ausgabe der sämmtlichen Werke Kants aufgenommen hat, wohin ich also hier verweise. In Folge meiner Vorstellungen nämlich hat im Jahre 1838 Herr Professor Rosenkranz sich bewegen gefunden, die »Kritik der reinen Vernunft« in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder herzustellen, indem er sie, in besagtem zweiten Bande, nach der ersten Auflage von 1781 abdrucken ließ, wodurch er sich um die Philosophie ein unschätzbares Verdienst erworben, ja das wichtigste Werk der Deutschen Litteratur vielleicht vom Untergange gerettet hat; und dies soll man ihm nie vergessen. Aber Keiner bilde sich ein, die »Kritik der reinen Vernunft« zu kennen und einen deutlichen Begriff von Kants Lehre zu haben, wenn er jene nur in der zweiten, oder einer der folgenden Auflagen gelesen hat; das ist schlechterdings unmöglich: denn er hat nur einen verstümmelten, verdorbenen, gewissermaaßen unächten Text gelesen. Es ist meine Pflicht, Dies hier entschieden und zu Jedermanns Warnung auszusprechen.

      Mit der in der ersten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« so deutlich ausgesprochenen, entschieden idealistischen Grundansicht steht jedoch die Art, wie Kant das Ding an sich einführt, in unleugbarem Widerspruch, und ohne Zweifel ist dies der Hauptgrund, warum er in der zweiten Auflage die angegebene idealistische Hauptstelle supprimirte, und sich geradezu gegen den Berkeleyschen Idealismus erklärte, wodurch er jedoch nur Inkonsequenzen in sein Werk brachte, ohne dem Hauptgebrechen desselben abhelfen zu können. Dieses ist bekanntlich die Einführung des Dinges an sich, auf die von ihm gewählte Weise, deren Unstatthaftigkeit von G. E. Schulze im »Aenesidemus« weitläuftig dargethan und bald als der unhaltbare Punkt seines Systems anerkannt wurde. Die Sache läßt sich mit sehr Wenigem deutlich machen. Kant gründet die Voraussetzung des Dinges an sich, wiewohl unter mancherlei Wendungen verdeckt, auf einen Schluß nach dem Kausalitätsgesetz, daß nämlich die empirische Anschauung, richtiger die Empfindung in unsern Sinnesorganen, von der sie ausgeht, eine äußere Ursache haben müsse. Nun aber ist, nach seiner eigenen und richtigen Entdeckung, das Gesetz der Kausalität uns a priori bekannt, folglich eine Funktion unsers Intellekts, also subjektiven Ursprungs; ferner ist die Sinnesempfindung selbst, auf welche wir hier das Kausalitätsgesetz anwenden, unleugbar subjektiv, und endlich sogar der Raum, in welchen wir mittelst dieser Anwendung die Ursache der Empfindung als Objekt versetzen, ist eine a priori gegebene, folglich subjektive Form unsers Intellekts. Mithin bleibt die ganze empirische Anschauung durchweg auf subjektivem Grund und Boden, als ein bloßer Vorgang in uns, und nichts von ihr gänzlich Verschiedenes, von ihr Unabhängiges, läßt sich als ein Ding an sich hineinbringen, oder als nothwendige Voraussetzung darthun. Wirklich ist und bleibt die empirische Anschauung unsere bloße Vorstellung: es ist die Welt als Vorstellung. Zum Wesen an sich dieser können wir nur auf dem ganz anderartigen, von mir eingeschlagenen Wege, mittelst Hinzuziehung des Selbstbewußtseyns, welches den Willen als das An sich unserer eigenen Erscheinung kund giebt, gelangen: dann aber wird das Ding an sich ein von der Vorstellung und ihren Elementen toto genere Verschiedenes; wie ich dies ausgeführt habe.

      Das, wie gesagt, früh nachgewiesene, große Gebrechen des Kantischen Systems in diesem Punkt ist ein Beleg zu dem schönen Indischen Sprichwort: »Kein Lotus ohne Stengel.« Die fehlerhafte Ableitung des Dinges an sich ist hier der Stengel: jedoch auch nur die Art der Ableitung, nicht die Anerkennung eines Dinges an sich zur gegebenen Erscheinung. Auf diese letztere Weise aber mißverstand es Fichte; was er nur konnte, weil es ihm nicht um die Wahrheit zu thun war, sondern um Aufsehn, zur Beförderung seiner persönlichen Zwecke. Demnach war er dreist und gedankenlos genug, das Ding an sich ganz abzuleugnen und ein System aufzustellen, in welchem nicht, wie bei Kant, das bloß Formale der Vorstellung, sondern auch das Materiale, der gesammte Inhalt derselben, vorgeblich a priori aus dem Subjekt abgeleitet wurde. Er rechnete dabei ganz richtig auf die Urtheilslosigkeit und Niaiserie des Publikums, welches schlechte Sophismen, bloßen Hokuspokus und unsinniges Wischiwaschi für Beweise hinnahm; so daß es ihm glückte, die Aufmerksamkeit desselben von Kant auf sich zu lenken und der Deutschen Philosophie die Richtung zu geben, in welcher sie nachher von Schelling weiter geführt wurde und endlich in der unsinnigen Hegelschen Afterweisheit ihr Ziel erreichte.

      Ich komme jetzt auf den schon oben berührten großen Fehler Kants zurück, daß er die anschauliche und die abstrakte Erkenntniß nicht gehörig gesondert hat, woraus eine heillose Konfusion entstanden ist, die wir jetzt näher zu betrachten haben. Hätte er die anschaulichen Vorstellungen von den bloß in abstracto gedachten Begriffen scharf getrennt, so würde er dieseBeiden auseinander gehalten und jedesmal gewußt haben, mit welchen von Beiden er es zu thun hätte. Dies ist nun leider nicht der Fall gewesen, obgleich der Vorwurf darüber noch nicht laut geworden, also vielleicht unerwartet ist. Sein »Objekt der Erfahrung«, davon er beständig redet, der eigentliche Gegenstand der Kategorien, ist nicht die anschauliche Vorstellung, ist aber auch nicht der abstrakte Begriff, sondern von Beiden verschieden, und doch Beides zugleich, und ein völliges Unding. Denn es hat ihm, so unglaublich dies scheint, an Besonnenheit. oder aber an gutem Willen gefehlt, um hierüber mit sich selbst ins Reine zu kommen und sich und Andern deutlich zu erklären, ob sein »Gegenstand der Erfahrung, d.h. der durch Anwendung der Kategorien zu Stande kommenden Erkenntniß«, die anschauliche Vorstellung in Raum und Zeit (meine erste Klasse der Vorstellungen) ist, oder bloß der abstrakte Begriff. Ihm schwebt, so seltsam es auch ist, beständig ein Mittelding von Beiden vor, und daher kommt die unsälige Verwirrung, die ich jetzt ans Licht ziehn muß: zu welchem Zweck ich die ganze Elementarlehre im Allgemeinen durchzugehn habe.

      Die transscendentale Aesthetik ist ein so überaus verdienstvolles Werk, daß es allein hinreichen könnte, Kants Namen zu verewigen. Ihre Beweise haben so volle Ueberzeugungskraft, daß ich die Lehrsätze derselben den unumstößlichen Wahrheiten beizähle, wie sie ohne Zweifel auch zu den folgenreichsten gehören, mithin als das Seltenste auf der Welt, nämlich eine wirkliche, große Entdeckung

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