Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Von den Lehren der transscendentalen Aesthetik wüßte ich daher nichts hinwegzunehmen, nur Einiges hinzuzusetzen. Besonders nämlich ist Kant mit seinen Gedanken nicht zu Ende gekommen darin, daß er nicht die ganze Eukleidische Demonstrirmethode verwarf, nachdem er doch S. 87; v, 120, gesagt hatte, alle geometrische Erkenntniß habe aus der Anschauung unmittelbare Evidenz. Es ist höchst merkwürdig, daß sogar einer seiner Gegner, und zwar der scharfsinnigste derselben, G. E. Schulze (Kritik der theoretischen Philosophie, 11, 241), den Schluß macht, daß aus Kants Lehre eine ganz andere Behandlung der Geometrie hervorgehn würde, als die wirklich übliche ist; wodurch er einen apagogischen Beweis gegen Kant zu führen vermeint, in der That aber gegen die Eukleidische Methode den Krieg anfängt, ohne es zu wissen. Ich berufe mich auf § 15 im ersten Buch gegenwärtiger Schrift.
Nach der in der transscendentalen Aesthetik gegebenen, ausführlichen Erörterung der allgemeinen Formen aller Anschauung muß man erwarten, doch einige Aufklärung zu erhalten über den Inhalt derselben, über die Art wie die empirische Anschauung in unser Bewußtsein kommt, wie die Erkenntniß dieser ganzen, für uns so realen und so wichtigen Welt in uns entsteht. Allein darüber enthält die ganze Lehre Kants eigentlich nichts weiter, als den oft wiederholten, nichtssagenden Ausdruck: »Das Empirische der Anschauung wird von außen gegeben.« – Dieserhalb gelangt Kant denn auch hier von den reinen Formen der Anschauung, durch einen Sprung, zum Denken, zur transscendentalen Logik. Gleich am Eingange derselben (Kritik der reinen Vernunft, S. 50; v, 74), wo Kant den materialen Gehalt der empirischen Anschauung zu berühren nicht umhin kann, thut er den ersten falschen Schritt, begeht das prôton pseudos. »Unsere Erkenntniß«, sagt er, »hat zwei Quellen, nämlich Receptivität der Eindrücke und Spontaneität der Begriffe: die erste ist die Fähigkeit Vorstellungen zu empfangen, die zweite die, einen Gegenstand durch diese Vorstellungen zu erkennen: durch die erste wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die zweite wird er gedacht.« – Das ist falsch: denn danach wäre der Eindruck, für den allein wir bloße Receptivität haben, der also von außen kommt und allein eigentlich »gegeben« ist, schon eine Vorstellung, ja sogar schon ein Gegenstand. Er ist aber nichts weiter, als eine bloße Empfindung im Sinnesorgan, und erst durch Anwendung des Verstandes (d. i. des Gesetzes der Kausalität) und der Anschauungsformen des Raumes und der Zeit wandelt unser Intellekt diese bloße Empfindung in eine Vorstellung um, welche nunmehr als Gegenstand in Raum und Zeit dasteht und von letzterem (dem Gegenstand) nicht anders unterschieden werden kann, als sofern man nach dem Dinge an sich fragt, außerdem aber mit ihm identisch ist. Diesen Hergang habe ich ausführlich dargelegt in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, § 21. Damit ist aber das Geschäft des Verstandes und der anschauenden Erkenntniß vollbracht, und es bedarf dazu keiner Begriffe und keines Denkens; daher diese Vorstellungen auch das Thier hat. Kommen Begriffe, kommt Denken hinzu, welchem allerdings Spontaneität beigelegt werden kann; so wird die anschauende Erkenntniß gänzlich verlassen, und eine völlig andere Klasse von Vorstellungen, nämlich nichtanschauliche, abstrakte Begriffe, tritt ins Bewußtsein: dies ist die Thätigkeit der Vernunft, welche Jedoch den ganzen Inhalt ihres Denkens allein aus der diesem vorhergegangenen Anschauung und Vergleichung desselben mit andern Anschauungen und Begriffen hat. So aber bringt Kant das Denken schon in die Anschauung und legt den Grund zu der heillosen Vermischung der intuitiven und abstrakten Erkenntniß, welche zu rügen ich hier beschäftigt bin. Er läßt die Anschauung, für sich genommen, verstandlos, rein sinnlich, also ganz passiv seyn, und erst durch das Denken (Verstandeskategorie) einen Gegenstand aufgefaßt werden: so bringt er das Denken in die Anschauung. Dann ist aber wiederum der Gegenstand des Denkens ein einzelnes, reales Objekt; wodurch das Denken seinen wesentlichen Charakter der Allgemeinheit und Abstraktion einbüßt und statt allgemeiner Begriffe einzelne Dinge zum Objekt erhält, wodurch er wieder das Anschauen in das Denken bringt. Daraus entspringt die besagte heillose Vermischung, und die Folgen dieses ersten falschen Schrittes erstrecken sich über seine ganze Theorie des Erkennens. Durch das Ganze derselben zieht sich die gänzliche Vermischung der anschaulichen Vorstellung mit der abstrakten zu einem Mittelding von beiden, welches er als den Gegenstand der Erkenntniß durch den Verstand und dessen Kategorien darstellt und diese Erkenntniß Erfahrung nennt. Es ist schwer zu glauben, daß Kant selbst sich etwas völlig Bestimmtes und eigentlich Deutliches bei diesem Gegenstand des Verstandes gedacht habe: dieses werde ich jetzt beweisen, durch den Ungeheuern Widerspruch, der durch die ganze transscendentale Logik geht und die eigentliche Quelle der Dunkelheit ist, die sie umhüllt.
Nämlich in der »Kritik der reinen Vernunft«, S. 67-69; v, 92-94; S. 89, 90; v, 122, 123; ferner v, 135, 139, 153, wiederholt er und schärft ein: der Verstand sei kein Vermögen der Anschauung, seine Erkenntniß sei nicht intuitiv, sondern diskursiv; der Verstand sei das Vermögen zu urtheilen (S. 69, v, 94), und ein Unheil sei mittelbare Erkenntniß, Vorstellung einer Vorstellung (S. 68; v, 93); der Verstand sei das Vermögen zu denken, und denken sei die Erkenntniß durch Begriffe (S. 69; v, 94); die Kategorien des Verstandes seien keineswegs die Bedingungen, unter denen Gegenstände in der Anschauung gegeben werden (S. 89; v, 122), und die Anschauung bedürfe der Funktionen des Denkens auf keine Weise (S. 91; v, 123); unser Verstand könne nur denken, nicht anschauen (v, S. 135, 139) – Ferner in den Prolegomenen, § 20: Anschauung, Wahrnehmung, perceptio, gehöre bloß den Sinnen an; das Urtheilen komme allein dem Verstande zu; und § 22: die Sache der Sinne sei anzuschauen, die des Verstandes zu denken, d. i. zu urtheilen. – Endlich noch in der »Kritik der praktischen Vernunft«, vierte Auflage, S. 247; Rosenkranzische Ausgabe S. 281: der Verstand ist diskursiv, seine Vorstellungen sind Gedanken, nicht Anschauungen. – Alles dieses sind Kants eigene Worte.
Hieraus folgt, daß diese anschauliche Welt für uns dawäre, auch wenn wir gar keinen Verstand hätten, daß sie auf eine ganz unerklärliche Weise in unsern Kopf kommt, welches er eben durch seinen wunderlichen Ausdruck, die Anschauung wäre gegeben, häufig bezeichnet, ohne diesen unbestimmten und bildlichen Ausdruck je weiter zu erklären.
Aber nun widerspricht allem Angeführten auf das schreiendeste seine ganze übrige Lehre vom Verstande, von dessen Kategorien und von der Möglichkeit der Erfahrung, wie er solche in der transscendentalen Logik vorträgt. Nämlich: »Kritik der reinen Vernunft«, S. 79; v, 105, bringt der Verstand durch seine Kategorien Einheit in das Mannigfaltige der Anschauung, und die reinen Verstandesbegriffe gehn a priori auf Gegenstände der Anschauung. S. 94; v, 126, sind »die Kategorien Bedingung der Erfahrung, es sei der Anschauung oder des Denkens, das in ihr angetroffen wird«, v, S. 127, ist der Verstand Urheber der Erfahrung, v, S. 128, bestimmen die Kategorien die Anschauung der Gegenstände, v, S. 130, ist Alles, was wir uns im Objekt (das doch wohl ein Anschauliches und kein Abstraktum ist) als verbunden vorstellen, erst durch eine Verstandeshandlung verbunden worden, v, S. 135, wird der Verstand von Neuem erklärt, als das Vermögen a priori zu verbinden und das Mannigfaltige gegebener Vorstellungen unter die Einheit der Apperception zu bringen; aber, nach allem Sprachgebrauch, ist die Apperception nicht das Denken eines Begriffs, sondern ist Anschauung. v, S. 136, finden wir gar einen obersten Grundsatz der Möglichkeit aller Anschauung in Beziehung auf den Verstand, v, S. 143, steht sogar als Ueberschrift, daß alle sinnliche Anschauung durch die Kategorien bedingt sei. Eben daselbst bringt die logische Funktion der Urtheile auch das Mannigfaltige gegebener Anschauungen unter eine Apperception überhaupt, und das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung