Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß jeder Begriff, eben weil er abstrakte und nicht anschauliche und eben daher nicht durchgängig bestimmte Vorstellung ist, Dasjenige hat, was man einen Umfang oder Sphäre nennt, auch sogar in dem Fall, daß nur ein einziges reales Objekt vorhanden ist, das ihm entspricht. Nun finden wir durchgängig, daß die Sphäre jedes Begriffs mit den Sphären anderer etwas Gemeinschaftliches hat, d.h. daß in ihm zum Theil das Selbe gedacht wird, was in jenen andern, und in diesen wieder zum Theil das Selbe, was in jenem erstern; obgleich, wenn sie wirklich verschiedene Begriffe sind, jeder, oder wenigstens einer von beiden etwas enthält, das der andere nicht hat: in diesem Verhältniß steht jedes Subjekt zu seinem Prädikat. Dieses Verhältniß erkennen, heißt urtheilen. Die Darstellung jener Sphären durch räumliche Figuren ist ein überaus glücklicher Gedanke. Zuerst hat ihn wohl Gottfried Ploucquet gehabt, der Quadrate dazu nahm; Lambert, wiewohl nach ihm, bediente sich noch bloßer Linien, die er unter einander stellte: Euler führte es zuerst mit Kreisen vollständig aus. Worauf diese so genaue Analogie zwischen den Verhältnissen der Begriffe und denen räumlicher Figuren zuletzt beruhe, weiß ich nicht anzugeben. Es ist inzwischen für die Logik ein sehr günstiger Umstand, daß alle Verhältnisse der Begriffe sich sogar ihrer Möglichkeit nach, d.h. a priori, durch solche Figuren anschaulich darstellen lassen, in folgender Art:
1) Die Sphären zweier Begriffe sind sich ganz gleich: z.B. der Begriff der Nothwendigkeit und der der Folge aus gegebenem Grunde; desgleichen der von Ruminantia und Bisulca (Wiederkäuer und Thiere mit gespaltenem Huf); auch von Wirbelthieren und Rothblütigen (wogegen jedoch wegen der Anneliden etwas einzuwenden wäre): es sind Wechselbegriffe. Solche stellt dann ein einziger Kreis dar, der sowohl den einen als den andern bedeutet.
2) Die Sphäre eines Begriffs schließt die eines andern ganz ein:
3) Eine Sphäre schließt zwei oder mehrere ein, die sich ausschließen und zugleich die Sphäre füllen:
4) Zwei Sphären schließen jede einen Theil der andern ein:
5) Zwei Sphären liegen in einer dritten, die sie jedoch nicht füllen:
Dieser letztere Fall gilt von allen Begriffen, deren Sphären nicht unmittelbare Gemeinschaft haben, da immer ein dritter, wenn gleich oft sehr weiter, beide einschließen wird.
Auf diese Fälle möchten alle Verbindungen von Begriffen zurückzuführen seyn, und die ganze Lehre von den Urtheilen, deren Konversion, Kontraposition, Reciprokation, Disjunktion (diese nach der dritten Figur) läßt sich daraus ableiten: eben so auch die Eigenschaften der Urtheile, auf welche Kant die vorgeblichen Kategorien des Verstandes gründete, jedoch mit Ausnahme der hypothetischen Form, welche nicht mehr eine Verbindung von bloßen Begriffen, sondern von Urtheilen ist; sodann mit Ausnahme der Modalität, über welche, wie über jede Eigenschaft von Urtheilen, die den Kategorien zum Grunde gelegt ist, der Anhang ausführlich Rechenschaft giebt. Ueber die angegebenen möglichen Begriffsverbindungen ist nur noch zu bemerken, daß sie auch unter einander mannigfaltig verbunden werden können, z.B. die vierte Figur mit der zweiten. Nur wenn eine Sphäre, die eine andere ganz oder zum Theil enthält, wieder von einer dritten ganz oder zum Theil eingeschlossen wird, stellen diese zusammen den Schluß in der ersten Figur dar, d.h. diejenige Verbindung von Urtheilen, durch welche erkannt wird, daß ein Begriff, der in einem andern ganz oder zum Theil enthalten ist, es auch eben so in einem dritten ist, der wieder diesen enthält: oder auch das Umgekehrte davon, die Negation; deren bildliche Darstellung natürlich nur darin bestehn kann, daß zwei verbundene Sphären nicht in einer dritten liegen. Umschließen sich viele Sphären auf diese Weise, so entstehn lange Ketten von Schlüssen. – Diesen Schematismus der Begriffe, der schon in mehreren Lehrbüchern ziemlich gut ausgeführt ist, kann man der Lehre von den Urtheilen, wie auch der ganzen Syllogistik zum Grunde legen, wodurch der Vortrag Beider sehr leicht und einfach wird. Denn alle Regeln derselben lassen sich daraus ihrem Ursprung nach einsehn, ableiten und erklären. Diese aber dem Gedächtniß aufzuladen, ist nicht nothwendig, da die Logik nie von praktischem Nutzen, sondern nur von theoretischem Interesse für die Philosophie seyn kann. Denn obwohl sich sagen ließe, daß die Logik zum vernünftigen Denken sich verhält wie der Generalbaß zur Musik, und auch, wenn wir es weniger genau nehmen, wie die Ethik zur Tugend, oder die Aesthetik zur Kunst; so ist dagegen zu bedenken, daß noch kein Künstler es durch Studium der Aesthetik geworden ist, noch ein edler Charakter durch Studium der Ethik, daß lange vor Rameau richtig und schön komponirt wurde, und auch, daß man nicht den Generalbaß inne zu haben braucht, um Disharmonien zu bemerken: eben so wenig braucht man Logik zu wissen, um sich durch Trugschlüsse nicht täuschen zu lassen. Jedoch muß eingeräumt werden, daß, wenn auch nicht für die Beurtheilung, dennoch für die Ausübung der musikalischen Komposition der Generalbaß von großem Nutzen ist: sogar auch mögen, wenn gleich in viel geringerm Grade, Aesthetik und selbst Ethik für die Ausübung einigen, wiewohl hauptsächlich negativen Nutzen haben, also auch ihnen nicht aller praktische Werth abzusprechen seyn; aber von der Logik läßt sich nicht ein Mal so viel rühmen. Sie ist nämlich bloß das Wissen in abstracto Dessen, was Jeder in concreto weiß. Daher, so wenig als man sie braucht, einem falschen Räsonnement nicht beizustimmen, so wenig ruft man ihre Regeln zu Hülfe, um ein richtiges zu machen, und selbst der gelehrteste Logiker setzt sie bei seinem wirklichen Denken ganz bei Seite. Dies erklärt sich aus Folgendem. Jede Wissenschaft besteht aus einem System allgemeiner, folglich abstrakter Wahrheiten, Gesetze und Regeln, in Bezug auf irgend eine Art von Gegenständen. Der unter diesen nachher vorkommende einzelne Fall wird nun jedesmal nach jenem allgemeinen Wissen, welches ein für alle Mal gilt, bestimmt; weil solche Anwendung des Allgemeinen unendlich leichter ist, als den vorkommenden einzelnen Fall für sich von Vorne an zu untersuchen; indem allezeit die ein Mal erlangte allgemeine abstrakte Erkenntniß uns näher zur Hand liegt, als die empirische Untersuchung des Einzelnen. Mit der Logik aber ist es gerade umgekehrt. Sie ist das allgemeine, durch Selbstbeobachtung der Vernunft und Abstraktion von allem Inhalt erkannte und in der Form von Regeln ausgedrückte Wissen von der Verfahrungsweise der Vernunft. Dieser aber ist jene Verfahrungsweise nothwendig und wesentlich: sie wird also in keinem Fall davon abweichen, sobald sie sich selbst überlassen ist. Es ist daher leichter und sicherer, sie in jedem besondern Fall ihrem Wesen gemäß verfahren zu lassen, als ihr das aus diesem Verfahren erst abstrahirte Wissen davon, in Gestalt eines fremden von außen gegebenen Gesetzes, vorzuhalten. Es ist leichter: weil, wenn gleich bei allen andern Wissenschaften die allgemeine Regel uns näher liegt, als die Untersuchung des einzelnen Falles allein und durch sich selbst; umgekehrt, beim Gebrauch der Vernunft, das im gegebenen Fall nöthige Verfahren derselben uns immer näher liegt, als die daraus abstrahirte allgemeine Regel, da das Denkende in uns ja selbst jene Vernunft ist. Es ist sicherer: weil viel leichter