Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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man die übrigen unbeachtet liegen läßt, oder verdeckt hält. Auf diesem Kunstgriff beruhen eigentlich alle Ueberredungskünste, alle feineren Sophismen: denn die logischen, wie der mentiens, velatus, cornutus u.s.w. sind für die wirkliche Anwendung offenbar zu plump. Da mir nicht bekannt ist, daß man bisher das Wesen aller Sophistikation und Ueberredung auf diesen letzten Grund ihrer Möglichkeit zurückgeführt und denselben in der eigenthümlichen Beschaffenheit der Begriffe, d. i. in der Erkenntnißweise der Vernunft, nachgewiesen hat; so will ich, da mein Vortrag mich darauf geführt hat, die Sache, so leicht sie auch einzusehn ist, noch durch ein Schema auf der beifolgenden Tafel erläutern, welches zeigen soll, wie die Begriffssphären mannigfaltig in einander greifen und dadurch der Willkür Spielraum geben, von jedem Begriff auf diesen oder jenen andern überzugehn. Nur wünsche ich nicht, daß man durch die Tafel verleitet werde, dieser kleinen beiläufigen Erörterung mehr Wichtigkeit beizulegen, als sie ihrer Natur nach haben kann. Ich habe zum erläuternden Beispiel den Begriff des Reisens gewählt. Seine Sphäre greift in das Gebiet von vier an dern, auf jeden von welchen der Ueberredner beliebig übergehn kann: diese greifen wieder in andere Sphären, manche davon zugleich in zwei und mehrere, durch welche der Ueberredner nach Willkür seinen Weg nimmt, immer als wäre es der einzige, und dann zuletzt, je nachdem seine Absicht war, bei Gut oder Uebel anlangt. Nur muß man, bei Verfolgung der Sphären, immer die Richtung vom Centro (dem gegebenen Hauptbegriff) zur Peripherie behalten, nicht aber rückwärts gehn. Die Einkleidung einer solchen Sophistikation kann die fortlaufende Rede, oder auch die strenge Schlußform seyn, je nachdem die schwache Seite des Hörers es anräth. Im Grunde sind die meisten wissenschaftlichen, besonders philosophischen Beweisführungen nicht viel anders beschaffen: wie wäre es sonst auch möglich, daß so Vieles, zu verschiedenen Zeiten, nicht nur irrig angenommen (denn der Irrthum selbst hat einen andern Ursprung), sondern demonstrirt und bewiesen, dennoch aber später grundfalsch befunden worden, z.B. Leibnitz-Wolfische Philosophie, Ptolemäische Astronomie, Stahlsche Chemie, Neutonische Farbenlehre u.s.w. u.s.w.19.

      § 10

       Inhaltsverzeichnis

      Durch dieses Alles tritt uns immer mehr die Frage nah, wie denn Gewißheit zu erlangen, wie Urtheile zu begründen seien, worin das Wissen und die Wissenschaft bestehe, welche wir, neben der Sprache und dem besonnenen Handeln, als den dritten großen durch die Vernunft gegebenen Vorzug rühmen.

      Die Vernunft ist weiblicher Natur: sie kann nur geben, nachdem sie empfangen hat. Durch sich selbst allein hat sie nichts, als die gehaltlosen Formen ihres Operirens. Vollkommen reine Vernunfterkenntniß giebt es sogar keine andere, als die vier Sätze, welchen ich metalogische Wahrheit beigelegt habe, also die Sätze von der Identität, vom Widerspruch, vom ausgeschlossenen Dritten und vom zureichenden Erkenntnißgrunde. Denn selbst das Uebrige der Logik ist schon nicht mehr vollkommen reine Vernunfterkenntniß, weil es die Verhältnisse und Kombinationen der Sphären der Begriffe voraussetzt; aber Begriffe überhaupt sind erst da, nach vorhergegangenen anschaulichen Vorstellungen, die Beziehung auf welche ihr ganzes Wesen ausmacht, die sie folglich schon voraussetzen. Da indessen diese Voraussetzung sich nicht auf den bestimmten Gehalt der Begriffe, sondern nur allgemein auf ein Daseyn derselben erstreckt; so kann die Logik doch, im Ganzen genommen, für reine Vernunftwissenschaft gelten. In allen übrigen Wissenschaften hat die Vernunft den Gehalt aus den anschaulichen Vorstellungen erhalten: in der Mathematik aus den vor aller Erfahrung anschaulich bewußten Verhältnissen des Raumes und der Zeit; in der reinen Naturwissenschaft, d.h. in dem, was wir vor aller Erfahrung über den Lauf der Natur wissen, geht der Gehalt der Wissenschaft aus dem reinen Verstande hervor, d.h. aus der Erkenntniß a priori des Gesetzes der Kausalität und dessen Verbindung mit jenen reinen Anschauungen des Raumes und der Zeit. In allen andern Wissenschaften gehört Alles, was nicht aus den eben genannten entlehnt ist, der Erfahrung an. Wissen überhaupt heißt: solche Urtheile in der Gewalt seines Geistes zu willkürlicher Reproduktion haben, welche in irgend etwas außer ihnen ihren zureichenden Erkenntnißgrund haben, d.h. wahr sind. Die abstrakte Erkenntniß allein ist also ein Wissen; dieses ist daher durch die Vernunft bedingt, und von den Thieren können wir, genau genommen, nicht sagen, daß sie irgend etwas wissen, wiewohl sie die anschauliche Erkenntniß, für diese auch Erinnerung und eben deshalb Phantasie haben, welche überdies ihr Träumen beweist. Bewußtsein legen wir ihnen bei, dessen Begriff folglich, obgleich das Wort von Wissen genommen ist, mit dem des Vorstellens überhaupt, von welcher Art es auch sei, zusammenfällt. Daher auch legen wir der Pflanze zwar Leben, aber kein Bewußtseyn bei. – Wissen also ist das abstrakte Bewußtseyn, das Fixirthaben in Begriffen der Vernunft, des auf andere Weise überhaupt Erkannten.

      § 11

       Inhaltsverzeichnis

      In dieser Hinsicht ist nun der eigentliche Gegensatz des Wissens das Gefühl, dessen Erörterung wir deshalb hier einschalten müssen. Der Begriff, den das Wort Gefühl bezeichnet, hat durchaus nur einen negativen Inhalt, nämlich diesen, daß etwas, das im Bewußtseyn gegenwärtig ist, nicht Begriff, nicht abstrakte Erkenntniß der Vernunft sei: übrigens mag es seyn, was es will, es gehört unter den Begriff Gefühl, dessen unmäßig weite Sphäre daher die heterogensten Dinge begreift, von denen man nimmer einsieht, wie sie zusammenkommen, so lange man nicht erkannt hat, daß sie allein in dieser negativen Rücksicht, nicht abstrakte Begriffe zu seyn, übereinstimmen. Denn die verschiedensten, ja feindlichsten Elemente liegen ruhig neben einander in jenem Begriff, z.B. religiöses Gefühl, Gefühl der Wollust, moralisches Gefühl, körperliches Gefühl als Getast, als Schmerz, als Gefühl für Farben, für Töne und deren Harmonien und Disharmonien, Gefühl des Hasses, Abscheues, der Selbstzufriedenheit, der Ehre, der Schande, des Rechts, des Unrechts, Gefühl der Wahrheit, ästhetisches Gefühl, Gefühl von Kraft, Schwäche, Gesundheit, Freundschaft, Liebe u.s.w. u.s.w. Durchaus keine Gemeinschaft ist zwischen ihnen, als die negative, daß sie keine abstrakte Vernunfterkenntniß sind; aber dieses wird am auffallendsten, wenn sogar die anschauliche Erkenntniß a priori der räumlichen Verhältnisse, und vollends die des reinen Verstandes unter jenen Begriff gebracht wird, und überhaupt von jeder Erkenntniß, jeder Wahrheit, deren man sich nur erst intuitiv bewußt ist, sie aber noch nicht in abstrakte Begriffe abgesetzt hat, gesagt wird, daß man sie fühle. Hievon will ich, zur Erläuterung, einige Beispiele aus neuem Büchern beibringen, weil sie frappante Belege meiner Erklärung sind. Ich erinnere mich, in der Einleitung einer Verdeutschung des Eukleides gelesen zu haben, man solle die Anfänger in der Geometrie die Figuren erst alle zeichnen lassen, ehe man zum Demonstriren schreite, weil sie alsdann die geometrische Wahrheit schon vorher fühlten, ehe ihnen die Demonstration die vollendete Erkenntniß beibrächte. – Eben so wird in der »Kritik der Sittenlehre« von F. Schleiermacher geredet vom logischen und mathematischen Gefühl (S. 339), auch vom Gefühl der Gleichheit oder Verschiedenheit zweier Formeln (S. 342); ferner in Tennemanns »Geschichte der Philosophie«, Bd. 1, S. 361, heißt es: »Man fühlte, daß die Trugschlüsse nicht richtig waren, konnte aber doch den Fehler nicht entdecken.« – So lange man nun diesen Begriff Gefühl nicht aus dem rechten Gesichtspunkte betrachtet und nicht jenes eine negative Merkmal, welches allein ihm wesentlich ist, erkennt, muß derselbe, wegen der übermäßigen Weite seiner Sphäre und seines bloß negativen, ganz einseitig bestimmten und sehr geringen Gehaltes, beständig Anlaß zu Mißverständnissen und Streitigkeiten geben. Da wir im Deutschen noch das ziemlich gleichbedeutende Wort Empfindung haben, so würde es dienlich seyn, dieses für die körperlichen Gefühle, als eine Unterart, in Beschlag zu nehmen. Der Ursprung jenes gegen alle andern disproportionirten Begriffs Gefühl ist aber ohne Zweifel folgender. Alle Begriffe, und nur Begriffe sind es welche Worte bezeichnen, sind nur für die Vernunft da, gehn von ihr aus: man steht mit ihnen also schon auf einem einseitigen Standpunkt. Aber von

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