Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Читать онлайн книгу Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer страница 19
Ich werde mich hier nicht damit aufhalten, Anekdoten als Beispiele desselben zu erzählen, um daran meine Erklärung zu erläutern: denn diese ist so einfach und faßlich, daß sie dessen nicht bedarf, und zum Beleg derselben ist jedes Lächerliche, dessen sich der Leser erinnert, auf gleiche Weise tauglich. Wohl aber erhält unsere Erklärung Bestätigung und Erläuterung zugleich durch die Entfaltung zweier Arten des Lächerlichen, in welche es zerfällt, und die eben aus jener Erklärung hervorgehn. Entweder nämlich sind in der Erkenntniß zwei oder mehrere sehr verschiedene reale Objekte, anschauliche Vorstellungen, vorhergegangen, und man hat sie willkürlich durch die Einheit eines beide fassenden Begriffes Identificirt; diese Art des Lächerlichen heißt Witz. Oder aber umgekehrt, der Begriff ist in der Erkenntniß zuerst da, und man geht nun von ihm zur Realität und zum Wirken auf dieselbe, zum Handeln über: Objekte, die übrigens grundverschieden, aber alle in jenem Begriffe gedacht sind, werden nun auf gleiche Weise angesehn und behandelt, bis ihre übrige große Verschiedenheit zur Ueberraschung und zum Erstaunen des Handelnden hervortritt: diese Art des Lächerlichen heißt Narrheit. Demnach ist jedes Lächerliche entweder ein witziger Einfall, oder eine närrische Handlung, je nachdem von der Diskrepanz der Objekte auf die Identität des Begriffs, oder aber umgekehrt gegangen wurde: ersteres immer willkürlich, letzteres immer unwillkürlich und von außen aufgedrungen. Diesen Ausgangspunkt nun aber scheinbar umzukehren und Witz als Narrheit zu maskiren, ist die Kunst des Hofnarren und des Hanswurst: ein solcher, der Diversität der Objekte sich wohl bewußt, vereinigt dieselben, mit heimlichem Witz, unter einem Begriff, von welchem sodann ausgehend er von der nachher gefundenen Diversität der Objekte diejenige Ueberraschung erhält, welche er selbst sich vorbereitet hatte. – Es ergiebt sich aus dieser kurzen, aber hinreichenden Theorie des Lächerlichen, daß, letztem Fall der Lustigmacher bei Seite gesetzt, der Witz sich immer in Worten zeigen muß, die Narrheit aber meistens in Handlungen, wiewohl auch in Worten, wenn sie nämlich nur ihr Vorhaben ausspricht, statt es wirklich zu vollführen, oder auch sich in bloßen Urtheilen und Meinungen äußert.
Zur Narrheit gehört auch die Pedanterei. Sie entsteht daraus, daß man wenig Zutrauen zu seinem eigenen Verstande hat und daher ihm es nicht überlassen mag, im einzelnen Fall unmittelbar das Rechte zu erkennen, demnach ihn ganz und gar unter die Vormundschaft der Vernunft stellt und sich dieser überall bedienen, d.h. immer von allgemeinen Begriffen, Regeln, Maximen ausgehn und sich genau an sie halten will, im Leben, in der Kunst, ja im ethischen Wohlverhalten. Daher das der Pedanterei eigene Kleben an der Form, an der Manier, am Ausdruck und Wort, welche bei ihr an die Stelle des Wesens der Sache treten. Da zeigt sich denn bald die Inkongruenz des Begriffs zur Realität, zeigt sich, wie jener nie auf das Einzelne herabgeht und wie seine Allgemeinheit und starre Bestimmtheit nie genau zu den feinen Nuancen und mannigfaltigen Modifikationen der Wirklichkeit passen kann. Der Pedant kommt daher mit seinen allgemeinen Maximen im Leben fast immer zu kurz, zeigt sich unklug, abgeschmackt, unbrauchbar: in der Kunst, für die der Begriff unfruchtbar ist, producirt er leblose, steife, manierirte Aftergeburten. Sogar in ethischer Hinsicht kann der Vorsatz, recht oder edel zu handeln, nicht überall nach abstrakten Maximen ausgeführt werden; weil in vielen Fällen die unendlich fein nüancirte Beschaffenheit der Umstände eine unmittelbar aus dem Charakter hervorgegangene Wahl des Rechten nöthig macht, indem die Anwendung bloß abstrakter Maximen theils, weil sie nur halb passen, falsche Resultate giebt, theils nicht durchzuführen ist, indem sie dem individuellen Charakter des Handelnden fremd sind und dieser sich nie ganz verleugnen läßt: daher dann Inkonsequenzen folgen. Wir können Kanten, sofern er zur Bedingung des moralischen Werths einer Handlung macht, daß sie aus rein vernünftigen abstrakten Maximen, ohne alle Neigung oder momentane Aufwallung geschehe, vom Vorwurf der Veranlassung moralischer Pedanterei nicht ganz frei sprechen; welcher Vorwurf auch der Sinn des Schillerschen Epigramms, »Gewissensskrupel« überschrieben, ist. – Wenn, besonders in politischen Angelegenheiten, geredet wird von Doktrinairs, Theoretikern, Gelehrten u.s.w.; so sind Pedanten gemeint, d.h. Leute, welche die Dinge wohl in abstracto, aber nicht in concreto kennen. Die Abstraktion besteht im Wegdenken der näheren Bestimmungen: gerade auf diese aber kommt im Praktischen sehr viel an.
Noch ist, zur Vervollständigung der Theorie, eine Afterart des Witzes zu erwähnen, das Wortspiel, calembourg, pun, zu welchem auch die Zweideutigkeit, l'équivoque, deren Hauptgebrauch der obscöne (die Zote) ist, gezogen werden kann. Wie der Witz zwei sehr verschiedene reale Objekte unter einen Begriff zwingt, so bringt das Wortspiel zwei verschiedene Begriffe, durch Benutzung des Zufalls, unter ein Wort: der selbe Kontrast entsteht wieder, aber viel matter und oberflächlicher, weil er nicht aus dem Wesen der Dinge, sondern aus dem Zufall der Namengebung entsprungen ist. Beim Witz ist die Identität im Begriff, die Verschiedenheit in der Wirklichkeit; beim Wortspiel aber ist die Verschiedenheit in den Begriffen und die Identität in der Wirklichkeit, als zu welcher der Wortlaut gehört. Es wäre nur ein etwas zu gesuchtes Gleichniß, wenn man sagte, das Wortspiel verhalte sich zum Witz, wie die Hyperbel des obern umgekehrten Kegels zu der des untern. Der Mißverstand des Worts aber, oder das quid pro quo, ist der unwillkürliche Calembourg, und verhält sich zu diesem gerade so wie die Narrheit zum Witz; daher auch muß oft der Harthörige, so gut wie der Narr, Stoff zum Lachen geben, und schlechte Komödienschreiber brauchen jenen statt diesen, um Lachen zu erregen.
Ich habe das Lachen hier bloß von der psychischen Seite betrachtet: hinsichtlich der physischen verweise ich auf das in Parerga, Bd. 2, Kap. 6, § 96, S. 134 (erste Aufl.), darüber Beigebrachte.22
§ 14
Von allen diesen mannigfaltigen Betrachtungen, durch welche hoffentlich der Unterschied und das Verhältniß zwischen der Erkenntnißweise der Vernunft, dem Wissen, dem Begriff einerseits, und der unmittelbaren Erkenntniß in der reinsinnlichen, mathematischen Anschauung und der Auffassung durch den Verstand andererseits, zu völliger Deutlichkeit gebracht ist, ferner auch von den episodischen Erörterungen über Gefühl und Lachen, auf welche wir durch die Betrachtung jenes merkwürdigen Verhältnisses unserer Erkenntnißweisen fast unumgänglich geleitet wurden, – kehre ich nunmehr zurück zur fernern Erörterung der Wissenschaft, als des, neben Sprache und besonnenem Handeln, dritten Vorzugs, den die Vernunft dem Menschen giebt. Die allgemeine Betrachtung der Wissenschaft, die uns hier obliegt, wird theils ihre Form, theils die Begründung ihrer Urtheile, endlich auch ihren Gehalt betreffen.
Wir haben gesehn, daß, die Grundlage der reinen Logik ausgenommen, alles Wissen überhaupt seinen Ursprung nicht in der Vernunft selbst hat; sondern, anderweitig als anschauliche Erkenntniß gewonnen, in ihr niedergelegt ist, indem es dadurch in eine ganz andere Erkenntnißweise, die abstrakte, übergieng. Alles Wissen, d.h. zum Bewußtsein in abstracto erhobene Erkenntniß, verhält sich zur eigentlichen Wissenschaft, wie ein Bruchstück zum Ganzen. Jeder Mensch hat durch Erfahrung, durch Betrachtung des sich darbietenden Einzelnen, ein Wissen um mancherlei Dinge erlangt; aber nur wer sich die Aufgabe macht, über irgend eine Art von Gegenständen vollständige Erkenntniß in abstracto zu erlangen, strebt nach Wissenschaft. Durch den Begriff allein kann er jene Art aussondern; daher steht an der Spitze jeder Wissenschaft ein Begriff, durch welchen der Theil aus dem Ganzen aller Dinge gedacht wird, von welchem sie eine vollständige Erkenntniß in abstracto verspricht: z.B. der Begriff der räumlichen Verhältnisse, oder des Wirkens unorganischer Körper auf einander, oder der Beschaffenheit der Pflanzen, der Thiere, oder der successiven Veränderungen der Oberfläche des Erdballs, oder der Veränderungen des Menschengeschlechts im Ganzen, oder des Baues einer Sprache u.s.w. Wollte die Wissenschaft die Kenntniß von ihrem Gegenstande dadurch erlangen, daß sie alle durch den Begriff gedachten Dinge einzeln erforschte, bis sie so allmälig das Ganze erkannt hätte; so würde theils kein menschliches Gedächtniß zureichen, theils keine Gewißheit der Vollständigkeit zu erlangen seyn. Daher benutzt sie jene oben erörterte Eigenthümlichkeit