Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
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Ist nun jede Aktion meines Leibes Erscheinung eines Willensaktes, in welchem sich, unter gegebenen Motiven, mein Wille selbst überhaupt und im Ganzen, also mein Charakter, wieder ausspricht; so muß auch die unumgängliche Bedingung und Voraussetzung jener Aktion Erscheinung des Willens seyn: denn sein Erscheinen kann nicht von etwas abhängen, das nicht unmittelbar und allein durch ihn, das mithin für ihn nur zufällig wäre, wodurch sein Erscheinen selbst nur zufällig würde: jene Bedingung aber ist der ganze Leib selbst. Dieser selbst also muß schon Erscheinung des Willens seyn, und muß zu meinem Willen im Ganzen, d.h. zu meinem intelligibeln Charakter, dessen Erscheinung in der Zeit mein empirischer Charakter ist, sich so verhalten, wie die einzelne Aktion des Leibes zum einzelnen Akte des Willens. Also muß der ganze Leib nichts Anderes seyn, als mein sichtbar gewordener Wille, muß mein Wille selbst seyn, sofern dieser anschauliches Objekt, Vorstellung der ersten Klasse ist. – Als Bestätigung hievon ist bereits angeführt, daß jede Einwirkung auf meinen Leib sofort und unmittelbar auch meinen Willen afficirt und in dieser Hinsicht Schmerz oder Wollust, im niedrigeren Grade angenehme oder unangenehme Empfindung heißt, und auch, daß umgekehrt jede heftige Bewegung des Willens, also Affekt und Leidenschaft, den Leib erschüttert und den Lauf seiner Funktionen stört. – Zwar läßt sich, wenn gleich sehr unvollkommen, von der Entstehung, und etwas besser von der Entwickelung und Erhaltung meines Leibes auch ätiologisch eine Rechenschaft geben, welche eben die Physiologie ist: allein diese erklärt ihr Thema gerade nur so, wie die Motive das Handeln erklären. So wenig daher die Begründung der einzelnen Handlung durch das Motiv und die nothwendige Folge derselben aus diesem damit streitet, daß die Handlung überhaupt und ihrem Wesen nach nur Erscheinung eines an sich selbst grundlosen Willens ist; eben so wenig thut die physiologische Erklärung der Funktionen des Leibes der philosophischen Wahrheit Eintrag, daß das ganze Daseyn dieses Leibes und die gesammte Reihe seiner Funktionen nur die Objektivirung eben jenes Willens ist, der in des selben Leibes äußerlichen Aktionen nach Maaßgabe der Motive erscheint. Sucht doch die Physiologie auch sogar eben diese äußerlichen Aktionen, die unmittelbar willkürlichen Bewegungen, auf Ursachen im Organismus zurückzuführen, z.B. die Bewegung des Muskels zu erklären aus einem Zufluß von Säften (»wie die Zusammenziehung eines Strickes der naß wird« sagt Reil, in seinem Archiv für Physiologie, Bd. 6, S. 153): allein gesetzt, man käme wirklich zu einer gründlichen Erklärung dieser Art, so würde dies doch nie die unmittelbar gewisse Wahrheit aufheben, daß jede willkürliche Bewegung (functiones animales) Erscheinung eines Willensaktes ist. Eben so wenig nun kann je die physiologische Erklärung des vegetativen Lebens (functiones naturales, vitales), und gediehe sie auch noch so weit, die Wahrheit aufheben, daß dieses ganze, sich so entwickelnde thierische Leben selbst Erscheinung des Willens ist. Ueberhaupt kann ja, wie oben erörtert worden, jede ätiologische Erklärung nie mehr angeben, als die nothwendig bestimmte Stelle in Zeit und Raum einer einzelnen Erscheinung, ihren nothwendigen Eintritt daselbst nach einer festen Regel: hingegen bleibt das innere Wesen jeder Erscheinung auf diesem Wege immer unergründlich, und wird von jeder ätiologischen Erklärung vorausgesetzt und bloß bezeichnet durch die Namen Kraft, oder Naturgesetz, oder, wenn von Handlungen die Rede ist, Charakter, Wille. – Obgleich also jede einzelne Handlung, unter Voraussetzung des bestimmten Charakters, nothwendig bei dargebotenem Motiv erfolgt, und obgleich das Wachsthum, der Ernährungsproceß und sämmtliche Veränderungen im thierischen Leibe nach nothwendig wirkenden Ursachen (Reizen) vor sich gehn; so ist dennoch die ganze Reihe der Handlungen, folglich auch jede einzelne, und eben so auch deren Bedingung, der ganze Leib selbst, der sie vollzieht, folglich auch der Proceß durch den und in dem er besteht – nichts Anderes, als die Erscheinung des Willens, die Sichtbarwerdung, Objektität des Willens. Hierauf beruht die vollkommene Angemessenheit des menschlichen und thierischen Leibes zum menschlichen und thierischen Willen überhaupt, derjenigen ähnlich, aber sie weit übertreffend, die ein absichtlich verfertigtes Werkzeug zum Willen des Verfertigers hat, und dieserhalb erscheinend als Zweckmäßigkeit, d.i. die teleologische Erklärbarkeit des Leibes. Die Theile des Leibes müssen deshalb den Hauptbegehrungen, durch welche der Wille sich manifestirt, vollkommen entsprechen, müssen der sichtbare Ausdruck derselben seyn: Zähne, Schlund und Darmkanal sind der objektivirte Hunger; die Genitalien der objektivirte Geschlechtstrieb; die greifenden Hände, die raschen Füße entsprechen dem schon mehr mittelbaren Streben des Willens, welches sie darstellen. Wie die allgemeine menschliche Form dem allgemeinen menschlichen Willen, so entspricht dem individuell modificirten Willen, dem Charakter des Einzelnen, die individuelle Korporisation, welche daher durchaus und in allen Theilen charakteristisch und ausdrucksvoll ist. Es ist sehr bemerkenswerth, daß dieses schon Parmenides, in folgenden von Aristoteles (Metaph. III, 5) angeführten Versen, ausgesprochen hat:
Hôs gar hekastos echei krasin meleôn polykamptôn, Tôs noos anthrôpoisi parestêken; to gar auto Estin, hoper phroneei, meleôn physis anthrôpoisi, Kai pasin kai panti; to gar pleon esti noêma.
(Ut enim cuique complexio membrorum flexibilium se habet, ita mens hominibus adest: idem namque est, quod sapit, membrorum natura hominibus, et omnibus et omni: quod enim plus est, intelligentia est.) 34
§ 21
Wem nun, durch alle diese Betrachtungen, auch in abstracto, mithin deutlich und sicher, die Erkenntniß geworden ist, welche in concreto Jeder unmittelbar, d.h. als Gefühl besitzt, daß nämlich das Wesen an sich seiner eigenen Erscheinung, welche als Vorstellung sich ihm sowohl durch seine Handlungen, als durch das bleibende Substrat dieser, seinen Leib, darstellt, sein Wille ist, der das Unmittelbarste seines Bewußtseyns ausmacht, als solches aber nicht völlig in die Form der Vorstellung, in welcher Objekt und Subjekt sich gegenüber stehn, eingegangen ist; sondern auf eine unmittelbare Weise, in der man Subjekt und Objekt nicht ganz deutlich unterscheidet, sich kund giebt, jedoch auch nicht im Ganzen, sondern nur in seinen einzelnen Akten dem Individuo selbst kenntlich wird; – wer, sage ich, mit mir diese Ueberzeugung gewonnen hat, dem wird sie, ganz von selbst, der Schlüssel werden zur Erkenntniß des Innersten Wesens der gesammten Natur, indem er sie nun auch auf alle jene Erscheinung übertragt, die ihm nicht, wie seine eigene, in unmittelbarer Erkenntniß neben der mittelbaren, sondern bloß in letzterer, also bloß einseitig, als Vorstellung allein, gegeben sind. Nicht allein in denjenigen Erscheinungen, welche seiner eigenen ganz ähnlich sind, in Menschen und Thieren, wird er als ihr Innerstes Wesen jenen nämlichen Willen anerkennen; sondern die fortgesetzte Reflexion wird ihn dahin leiten, auch die Kraft, welche in der Pflanze treibt und vegetirt, ja, die Kraft, durch welche der Krystall anschießt, die, welche den Magnet zum Nordpol wendet, die, deren Schlag ihm aus der Berührung heterogener Metalle entgegenfährt, die, welche in den Wahlverwandtschaften der Stoffe als Fliehn und Suchen, Trennen und Vereinen erscheint, ja, zuletzt sogar die Schwere, welche in aller Materie so gewaltig strebt, den Stein zur Erde und die Erde zur Sonne zieht, – diese Alle nur in der Erscheinung für verschieden, ihrem Innern Wesen nach aber als das Selbe zu erkennen, als jenes ihm unmittelbar so intim und besser als alles Andere Bekannte, was da, wo es am deutlichsten hervortritt, Wille heißt. Diese Anwendung der Reflexion ist es allein, welche uns nicht mehr bei der Erscheinung stehn bleiben läßt, sondern hinüberführt zum Ding an sich. Erscheinung heißt Vorstellung, und weiter nichts: alle Vorstellung, welcher Art sie auch sei, alles Objekt, ist Erscheinung. Ding an sich aber ist allein der Wille: als solcher ist er durchaus nicht Vorstellung, sondern toto genere von ihr verschieden: er ist es, wovon alle Vorstellung, alles Objekt, die Erscheinung,