Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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Daher ist freiwillige und durch gar kein Motiv begründete Entsagung der Befriedigung jenes Triebes schon ein Grad von Verneinung des Willens zum Leben, ist eine, auf eingetretene, als Quietiv wirkende Erkenntniß, freiwillige Selbstaufhebung desselben; demgemäß stellt solche Verneinung des eigenen Leibes sich schon als ein Widerspruch des Willens gegen seine eigene Erscheinung dar. Denn obgleich auch hier der Leib in den Genitalien den Willen zur Fortpflanzung objektivirt, wird diese dennoch nicht gewollt. Eben dieserhalb, nämlich weil sie Verneinung oder Aufhebung des Willens zum Leben ist, ist solche Entsagung eine schwere und schmerzliche Selbstüberwindung; doch davon weiter unten. – Indem nun aber der Wille jene Selbstbejahung des eigenen Leibes in unzähligen Individuen neben einander darstellt, geht er, vermöge des Allen eigenthümlichen Egoismus, sehr leicht in einem Individuo über diese Bejahung hinaus, bis zur Verneinung des selben, im andern Individuo erscheinenden Willens. Der Wille des erstem bricht in die Gränze der fremden Willensbejahung ein, Indem das Individuum entweder den fremden Leib selbst zerstört oder verletzt, oder aber auch, indem es die Kräfte jenes fremden Leibes seinem Willen zu dienen zwingt, statt dem in jenem fremden Leibe selbst erscheinenden Willen; also wenn es dem als fremder Leib erscheinenden Willen die Kräfte dieses Leibes entzieht und dadurch die seinem Willen dienende Kraft über die seines eigenen Leibes hinaus vermehrt, folglich seinen eigenen Willen über seinen eigenen Leib hinaus bejaht, mittelst Verneinung des in einem fremden Leibe erscheinenden Willens. – Dieser Einbruch in die Gränze fremder Willensbejahung ist von jeher deutlich erkannt und der Begriff desselben durch das Wort Unrecht bezeichnet worden. Denn beide Theile erkennen die Sache, zwar nicht wie wir hier in deutlicher Abstraktion, sondern als Gefühl, augenblicklich. Der Unrechtleidende fühlt den Einbruch in die Sphäre der Bejahung seines eigenen Leibes, durch Verneinung derselben von einem fremden Individuo, als einen unmittelbaren und geistigen Schmerz, der ganz getrennt und verschieden ist von dem daneben empfundenen physischen Leiden durch die That, oder Verdruß durch den Verlust. Dem Unrecht-Ausübenden andererseits stellt sich die Erkenntniß, daß er an sich der selbe Wille ist, der auch in jenem Leibe erscheint, und der sich in der einen Erscheinung mit solcher Vehemenz bejaht, daß er, die Gränze des eigenen Leibes und dessen Kräfte überschreitend, zur Verneinung eben dieses Willens in der andern Erscheinung wird, folglich er, als Wille an sich betrachtet, eben durch seine Vehemenz gegen sich selbst streitet, sich selbst zerfleischt; – auch ihm stellt sich, sage ich, diese Erkenntniß augenblicklich, nicht inabstracto, sondern als ein dunkles Gefühl dar: und dieses nennt man Gewissensbiß, oder, näher für diesen Fall, Gefühl des ausgeübten Unrechts.

      Das Unrecht, dessen Begriff wir in der allgemeinsten Abstraktion hiemit analysirt haben, drückt sich in concreto am vollendetesten, eigentlichsten und handgreiflichsten aus im Kannibalismus: dieser ist sein deutlichster augenscheinlichster Typus, das entsetzliche Bild des größten Widerstreites des Willens gegen sich selbst, auf der höchsten Stufe seiner Objektivation, welche der Mensch ist. Nächst diesem im Morde, auf dessen Ausübung daher der Gewissensbiß, dessen Bedeutung wir soeben abstrakt und trocken angegeben haben, augenblicklich mit furchtbarer Deutlichkeit folgt, und der Ruhe des Geistes eine auf die ganze Lebenszeit unheilbare Wunde schlägt; indem unser Schauder über den begangenen, wie auch unser Zurückbeben vor dem zu begehenden Mord, der gränzenlosen Anhänglichkeit an das Leben entspricht, von der alles Lebende, eben als Erscheinung des Willens zum Leben, durchdrungen ist. (Uebrigens werden wir weiterhin jenes Gefühl, das die Ausübung des Unrechts und des Bösen begleitet, oder die Gewissensangst, noch ausführlicher zergliedern und zur Deutlichkeit des Begriffs erheben.) Als dem Wesen nach mit dem Morde gleichartig und nur im Grade von ihm verschieden, ist die absichtliche Verstümmelung, oder bloße Verletzung des fremden Leibes anzusehn, ja jeder Schlag. – Ferner stellt das Unrecht sich dar in der Unterjochung des andern Individuums, im Zwange desselben zur Sklaverei; endlich im Angriff des fremden Eigenthums, welcher, sofern dieses als Frucht seiner Arbeit betrachtet wird, mit jener im Wesentlichen gleichartig ist und sich zu ihr verhält, wie die bloße Verletzung zum Mord.

      Die Ausübung des Unrechts überhaupt betreffend, so geschieht sie entweder durch Gewalt, oder durch List; welches in Hinsicht auf das moralisch Wesentliche einerlei ist. Zuvörderst beim Morde ist es moralisch einerlei, ob ich mich des Dolches, oder des Giftes bediene; und auf analoge Weise bei jeder körperlichen Verletzung. Die anderweitigen Fälle des Unrechts sind allemal darauf zurückzuführen, daß ich, als Unrecht ausübend, das fremde Individuum zwinge, statt seinem, meinem Willen

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