Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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andern Seite verknüpft wäre; so würde, konsequent, der Staat es keineswegs verbieten. – Ferner, weil in der Moral der Wille, die Gesinnung, der Gegenstand der Betrachtung und das allein Reale ist, gilt ihr der feste Wille zum zu verübenden Unrecht, den allein die äußere Macht zurückhält und unwirksam macht, dem wirklich verübten Unrecht ganz gleich, und sie verdammt den solches Wollenden als ungerecht vor ihrem Richterstuhl. Hingegen den Staat kümmern Wille und Gesinnung, bloß als solche, ganz und gar nicht; sondern allein die That (sie sei nun bloß versucht oder ausgeführt) wegen ihres Korrelats, des Leidens von der andern Seite: ihm ist also die That, die Begebenheit, das allein Reale: die Gesinnung, die Absicht wird bloß erforscht, sofern aus ihr die Bedeutung der That kenntlich wird. Daher wird der Staat Niemanden verbieten, Mord und Gift gegen einen Andern beständig in Gedanken zu tragen, sobald er nur gewiß weiß, daß die Furcht vor Schwerdt und Rad die Wirkungen jenes Wollens beständig hemmen werden. Der Staat hat auch keineswegs den thörichten Plan, die Neigung zum Unrechtthun, die böse Gesinnung zu vertilgen; sondern bloß jedem möglichen Motiv zur Ausübung eines Unrechts immer ein überwiegendes Motiv zur Unterlassung desselben, in der unausbleiblichen Strafe, an die Seite zu stellen: demgemäß ist der Kriminalkodex ein möglichst vollständiges Register von Gegenmotiven zu sämmtlichen, als möglich präsumirten, verbrecherischen Handlungen, – Beides in abstracto, um vorkommenden Falles die Anwendung in concreto zu machen. Die Staatslehre, oder die Gesetzgebung, wird nun, zu diesem ihrem Zweck, von der Moral jenes Kapitel, welches die Rechtslehre ist und welches neben der Innern Bedeutung des Rechts und des Unrechts, die genaue Gränze zwischen Beiden bestimmt, borgen, aber einzig und allein, um dessen Kehrseite zu benutzen und alle die Gränzen, welche die Moral als unüberschreitbar, wenn man nicht Unrecht thun will, angiebt, von der andern Seite zu betrachten, als die Gränzen, deren Ueberschrittenwerden vom Andern man nicht dulden darf, wenn man nicht Unrecht leiden will, und von denen man also Andere zurückzutreiben ein Recht hat: daher diese Gränzen nun, von der möglicherweise passiven Seite aus, durch Gesetze verbollwerkt werden. Es ergiebt sich, daß wie man, recht witzig, den Geschichtschreiber einen umgewandten Propheten genannt hat, der Rechtslehrer der umgewandte Moralist ist, und daher auch die Rechtslehre im eigentlichen Sinn, d.h. die Lehre von den Rechten, welche man behaupten darf, die umgewandte Moral, in dem Kapitel, wo diese die Rechte lehrt, welche man nicht verletzen darf. Der Begriff des Unrechts und seiner Negation des Rechts, der ursprünglich moralisch ist, wird juridisch, durch die Verlegung des Ausgangspunktes von der aktiven auf die passive Seite, also durch Umwendung. Dieses, nebst der Rechtslehre Kants, der aus seinem kategorischen Imperativ die Errichtung des Staats als eine moralische Pflicht sehr fälschlich ableitet, hat dann auch in der neuesten Zeit, hin und wieder, den sehr sonderbaren Irrthum veranlaßt, der Staat sei eine Anstalt zur Beförderung der Moralität, gehe aus dem Streben nach dieser hervor und sei demnach gegen den Egoismus gerichtet. Als ob die innere Gesinnung, welcher allein Moralität oder Immoralität zukommt, der ewig freie Wille, sich von außen modificiren und durch Einwirkung ändern ließe! Noch verkehrter ist das Theorem, der Staat sei die Bedingung der Freiheit im moralischen Sinne und dadurch der Moralität: da doch die Freiheit jenseit der Erscheinung, geschweige jenseit menschlicher Einrichtungen liegt. Der Staat ist, wie gesagt, so wenig gegen den Egoismus überhaupt und als solchen gerichtet, daß er umgekehrt gerade aus dem sich wohlverstehenden, methodisch verfahrenden, vom einseitigen auf den allgemeinen Standpunkt tretenden und so durch Aufsummirung gemeinschaftlichen Egoismus Aller entsprungen und diesem zu dienen allein daist, errichtet unter der richtigen Voraussetzung, daß reine Moralität, d.h. Rechthandeln aus moralischen Gründen, nicht zu erwarten ist; außerdem er selbst ja überflüssig wäre. Keineswegs also gegen den Egoismus, sondern allein gegen die nachtheiligen Folgen des Egoismus, welche aus der Vielheit egoistischer Individuen ihnen allen wechselseitig hervorgehn und ihr Wohlseyn stören, ist, dieses Wohlseyn bezweckend, der Staat gerichtet. Daher sagt schon Aristoteles (De Rep., III): Telos men oun poleôs to eu zên; touto de estin to zên eudaimonôs kai kalôs; (Finis civitatis est bene vivere, hoc autem est beate et pulchre vivere.) Auch Hobbes hat diesen Ursprung und Zweck des Staats ganz richtig und vortrefflich auseinandergesetzt; wie denn auch der alte Grundsatz aller Staatsordnung, salus publica prima lex esto, denselben bezeichnet. – Wenn der Staat seinen Zweck vollkommen erreicht, wird er die selbe Erscheinung hervorbringen, als wenn vollkommene Gerechtigkeit der Gesinnung allgemein herrschte. Das innere Wesen und der Ursprung beider Erscheinungen wird aber der umgekehrte seyn. Nämlich im letztem Fall wäre es dieser, daß Niemand Unrecht thun wollte; im erstem aber dieser, daß Niemand Unrecht leiden wollte und die gehörigen Mittel zu diesem Zweck vollkommen angewandt wären. So läßt sich die selbe Linie aus entgegengesetzten Richtungen beschreiben, und ein Raubthier mit einem Maulkorb ist so unschädlich wie ein grasfressendes Thier. – Weiter aber als bis zu diesem Punkt kann es der Staat nicht bringen: er kann also nicht eine Erscheinung zeigen, gleich der, welche aus allgemeinem wechselseitigen Wohlwollen und Liebe entspringen würde. Denn, wie wir eben fanden, daß er, seiner Natur zufolge, ein Unrechtthun, dem gar kein Unrechtleiden von einer andern Seite entspräche, nicht verbieten würde, und bloß weil dies unmöglich ist, jedes Unrechtthun verwehrt; so würde er umgekehrt, seiner auf das Wohlseyn Aller gerichteten Tendenz gemäß, sehr gern dafür sorgen, daß Jeder Wohlwollen und Werke der Menschenliebe aller Art erführe; hätten nicht auch diese ein unumgängliches Korrelat im Leisten von Wohlthaten und Liebeswerken, wobei nun aber jeder Bürger des Staats die passive, keiner die aktive Rolle würde übernehmen wollen, und letztere wäre auch aus keinem Grund dem Einen vor dem Andern zuzumuthen. Demnach läßt sich nur das Negative, welches eben das Recht ist, nicht das Positive, welches man unter dem Namen der Liebespflichten, oder unvollkommenen Pflichten verstanden hat, erzwingen.

      Die Gesetzgebung entlehnt, wie gesagt, die reine Rechtslehre, oder die Lehre vom Wesen und den Gränzen des Rechts und des Unrechts, von der Moral, um dieselbe nun zu ihren, der Moral fremden Zwecken, von der Kehrseite anzuwenden und danach positive Gesetzgebung und die Mittel zur Aufrechthaltung derselben, d.h. den Staat, zu errichten. Die positive Gesetzgebung ist also die von der Kehrseite angewandte rein moralische Rechtslehre. Diese Anwendung kann mit Rücksicht auf eigenthümliche Verhältnisse und Umstände eines bestimmten Volks geschehn. Aber nur wenn die positive Gesetzgebung im Wesentlichen durchgängig nach Anleitung der reinen Rechtslehre bestimmt ist und für jede ihrer Satzungen ein Grund in der reinen Rechtslehre sich nachweisen läßt, ist die entstandene Gesetzgebung eigentlich ein positives Recht, und der Staat ein rechtlicher Verein, Staat im eigentlichen Sinn des Worts, eine moralisch zulässige, nicht unmoralische Anstalt. Widrigenfalls ist hingegen die positive Gesetzgebung Begründung eines positiven Unrechts, ist selbst ein öffentlich zugestandenes erzwungenes Unrecht. Dergleichen ist jede Despotie, die Verfassung der meisten Mohammedanischen Reiche, dahin gehören sogar manche Theile vieler Verfassungen, z.B. Leibeigenschaft, Frohn u. dgl. m. – Die reine Rechtslehre, oder das Naturrecht, besser moralisches Recht, liegt, obwohl immer durch Umkehrung, Jeder rechtlichen positiven Gesetzgebung so zum Grunde, wie die reine Mathematik jedem Zweige der angewandten. Die wichtigsten Punkte der reinen Rechtslehre, wie die Philosophie, zu jenem Zweck, sie der Gesetzgebung zu überliefern hat, sind folgende: 1) Erklärung der innern und eigentlichen Bedeutung und des Ursprungs der Begriffe Unrecht und Recht, und ihrer Anwendung und Stelle in der Moral. 2) Die Ableitung des Eigenthumsrechts. 3) Die Ableitung der moralischen Gültigkeit der Verträge; da diese die moralische Grundlage des Staatsvertrages ist. 4) Die Erklärung der Entstehung und des Zweckes des Staats, des Verhältnisses dieses Zweckes zur Moral und der in Folge dieses Verhältnisses zweckmäßigen Uebertragung der moralischen Rechtslehre, durch Umkehrung, auf die Gesetzgebung. 5) Die Ableitung des Strafrechts. – Der übrige Inhalt der Rechtslehre ist bloße Anwendung jener Principien, nähere Bestimmung der Gränzen des Rechts und des Unrechts, für alle möglichen Verhältnisse des Lebens, welche deshalb unter gewisse Gesichtspunkte und Titel vereinigt und abgetheilt werden. In diesen besondern Lehren stimmen die Lehrbücher des reinen Rechts alle ziemlich überein: nur in den Principien lauten sie sehr verschieden; weil solche immer mit irgend einem philosophischen System zusammenhängen. Nachdem wir in Gemäßheit des unserigen die vier ersten jener Hauptpunkte kurz und allgemein, jedoch bestimmt und deutlich erörtert haben, ist noch vom Strafrechte eben so zu reden.

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