Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

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Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон

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aus der Gestalt und den Gliedern des menschlichen Körpers, welche selbst zeigen, dass die Natur dabei auf die Fortpflanzung Rücksicht genommen habe, und wenn die Natur die Fortpflanzung wollte, aber für die Liebe des Erzeugten nicht gesorgt hätte, so würde dies nicht mit einander übereinstimmen. Auch an den Thieren könne man die Kraft der Natur erkennen; wenn man sehe, welche Mühe sie bei der Geburt und bei dem Aufziehen der Jungen ertragen, so meine man die Stimme der Natur selbst zu vernehmen. So offenbar wie daher die Natur uns den Schmerz fliehen lässt, so treibt sie uns auch, die Kinder, welche wir erzeugt haben, zu lieben. (§ 63.) Daraus schreibt sich auch jene allgemeine natürliche Zuneigung unter den Menschen als solchen her, so dass jeder Mensch dem Andern, schon weil er ein Mensch ist, nicht als etwas gilt, was ihn nichts anginge. Schon unter den Gliedern erscheinen manche nur für sich gemacht: so die Augen, die Ohren; andere unterstützen auch andere Glieder, wie es die Beine und die Hände thun; in gleicher Weise sind manche wilde Thiere nur für sich selbst geschaffen, während andere Thiere, wie das Thier, was bei der Muschel die Stockmuschel heisst, und das Thier, was aus der Muschel herausschwimmt, und weil es jenes bewacht, Stockmuschelhüter heisst, und von jener, wenn es sich dahin zurückgezogen hat, eingeschlossen wird, gleichsam als hätte es zur Vorsicht ermahnen wollen, ferner die Ameisen, Bienen, die Grashüpfer, Mancherlei auch für andere Thiere vorrichten. Um viel grösser ist diese Verbindung bei dem Menschen, und deshalb sind wir schon von Natur zum Zusammenkommen, zur Vereinigung und zum Staate geeignet. (§ 64.) Die Stoiker nehmen ferner an, dass die Welt durch den Willen der Götter regiert werde; die Welt sei gleichsam die gemeinsame Stadt und der gemeinsame Staat der Menschen und Götter; jeder Einzelne sei ein Theil dieser Welt, und daraus ergebe sich als natürlich, dass man den gemeinsamen Vortheil dem eignen voranstellen müsse. So wie die Gesetze das Wohl Aller dem Wohle Einzelner voranstellen, so sorge ein guter und weiser Mann, der den Gesetzen gehorche und seine bürgerlichen Pflichten kenne, für den allgemeinern Nutzen mehr als für den Nutzen des Einzelnen oder seiner selbst. Der Vaterlandsverräther sei nicht tadelnswerther als Der, welcher das allgemeine Wohl und Heil seinem besondern Wohle und Vortheile opfere. Deshalb sei Der zu loben, welcher dem Tode für den Staat entgegengeht; denn das Vaterland soll uns theurer sein, als wir uns selbst. Mit Recht gilt der Ausspruch Jener für unmenschlich und verbrecherisch, welche sagen, es sei ihnen gleich, ob nach ihrem Tode die Welt und alle Länder in Flammen aufgehen; worüber man einen bekannten griechischen Vers hat. Deshalb ist es sicherlich richtig, dass man auch für die Nachkommen um derer selbst willen zu sorgen habe.

      Kap. XX. (§ 65.) Ans diesen Gefühlen sind die Testamente und die Empfehlungen der Sterbenden hervorgegangen. Niemand mag in völliger Einsamkeit sein Leben verbringen, selbst wenn eine Lust ohne Ende damit verbunden wäre, und daraus erhellt deutlich, dass die Menschen zur Verbindung und Gesellschaft mit einander und zum natürlichen Verkehr geschaffen sind. Die Natur treibt uns, möglichst Vielen zu nützen, vorzugsweise durch Belehrung und durch Mittheilung der Gebote der Klugheit. (§ 66.) Deshalb findet man nicht leicht Jemand, der sein Wissen nicht dem Andern mittheilen möchte, und wir neigen nicht minder zum Lehren, wie zum Lernen. So wie die Stiere von Natur für ihre Jungen mit den Löwen auf das Heftigste und Angestrengteste kämpfen, so haben die an Macht und Geschick Hervorragenden, wie dies von Hercules und Bachus berichtet wird, von Natur den Trieb, das menschliche Geschlecht zu vertheidigen. Wenn man den Jupiter den Besten und Grössten nennt und ebenso den Heilbringenden, den Beschützer der Fremden und den Erhalter des Staats, so will man damit sagen, dass das Wohl der Menschen unter seinem Schutze steht. Am wenigsten passt es dann, wenn wir unter einander uns niedrig benehmen, uns um einander nicht kümmern, aber von den himmlischen Göttern verlangen, dass sie uns lieben und werthhalten sollen. So wie man die Glieder eher gebraucht, als man weiss, zu welchem Zweck man sie empfangen hat, so hat auch die Natur uns zu einer bürgerlichen Gesellschaft verbunden und vereinigt. Wäre dem nicht so, so gäbe es weder eine Gerechtigkeit, noch eine Wohlthätigkeit. (§ 67.) Aber so wie die Stoiker annehmen, dass zwischen den Menschen gegenseitig Bande des Rechts bestehn, so halten sie dafür, dass zwischen den Menschen und Thieren kein Recht besteht Schön, sagt Chrysipp, dass alles Andere um der Menschen und Götter willen geworden sei, aber diese seien der Gemeinschaft und der Gesellschaft unter einander wegen da, und so könnten sie die Thiere ohne Unrecht zu ihrem Vortheil benutzen. Wenn die menschliche Natur sonach von der Art sei, dass unter dem menschlichen Geschlecht gleichsam ein bürgerliches Recht gelte, so werde Der, welcher dasselbe inne halte, der Gerechte, und wer davon abweiche, der Ungerechte sein. So wie aber das Theater zwar ein gemeinsames sei, aber dennoch Jeder den Platz, welchen er inne habe, mit Recht den seinigen nennen könne, so hindere auch in der gemeinsamen Stadt und Welt das Recht nicht, dass Jedem Etwas ausschliesslich als sein gehöre. (§ 68.) Wenn man so sehe, dass die Menschen zur gegenseitigen Beschützung und Erhaltung geboren seien, so stimme es mit dieser Natur, dass der Weise bereit sei, den Staat zu verwalten und dass er nach der Natur lebt, eine Frau nimmt und Kinder von ihr verlangt. Selbst die sittsame Knabenliebe verträgt sich nach den Stoikern mit dem Weisen; und Einzelne unter ihnen meinen, dass der Weise auch ein Leben nach der Lehre der Cyniker führen dürfe, wenn die Umstände ihn dazu nöthigen; Andere halten dies jedoch niemals für gestattet.

      Kap. XXI. (§ 69.) Um die menschliche Gesellschaft, Verbindung und die gegenseitige Liebe zu erhalten, verlangen wir, dass die sittlichen Vortheile und Nachtheile, welche ôphelêmata und blammata heissen, gemeinsam seien, jene nützen, diese schaden. Nicht blos gemeinsam, sondern auch einander gleich sollen sie sein. Dagegen solle das Nützliche und das Schädliche, wie ich die euchrêstêmata und die dyschrêstêmata übersetze, zwar gemeinsam, aber nicht einander gleich sein. Denn jene, die sittlich nützen oder schaden, sind entweder Güter oder Uebel, die nothwendig gleich sein müssen; dagegen ist das blos Nützliche und Schädliche von der Art, dass bei demselben ein Vorziehn und Verwerfen statt hat, mithin kann es nicht gleich sein. Wenn aber auch das Sittlich-Nützliche gemeinsam ist, so kann doch das recht und unrecht Handeln nicht gemeinsam sein. (§ 70.) Die Freundschaft hat der Mensch, nach unsrer Ansicht, mit zu suchen, denn sie gehört zu dem sittlich Nützlichen. Nach einer Ansicht ist dem Weisen bei der Freundschaft das Wohl seiner Freunde ebenso werth wie sein eigenes; nach einer andern soll letzteres höher stehn; allein auch hier hat man später anerkannt, dass es der Gerechtigkeit widerstreite, zu der wir von Natur bestimmt sind, einem Andern etwas zu entziehn, um es für sich zu behalten. Am wenigsten wird von den Anhängern dieser Lehre gebilligt, dass die Gerechtigkeit und die Freundschaft nur des Nutzens wegen zu suchen und zu loben sei; denn dieser Nutzen könne auch zur Schwächung und Zerstörung beider führen, und es bestehe überhaupt keine Gerechtigkeit und Freundschaft, wenn sie nicht um ihrer selbst willen gesucht werde. (§ 71.) Das Recht aber, das man so nennen und bezeichnen kann, besteht nach der Stoiker Ansicht von Natur, und der Weise wird deshalb Niemandem Unrecht thun oder ihm schaden. Es ist aber nicht recht, mit Freunden und Solchen, denen man Dank schuldet, sich zum Unrecht zu verbinden und zu vereinen, und sehr richtig und nachdrücklich wird gelehrt, dass die Gerechtigkeit von dem Nutzen nicht getrennt werden könne und dass das Billige und Gerechte auch sittlich, und umgekehrt das Sittliche auch gerecht und billig sei. (§ 72.) Zu den besprochenen Tugenden fügen die Stoiker auch die Dialektik und die Naturwissenschaft; beide heissen bei ihnen Tugenden, weil die erstere sorgt, dass man dem Falschen nicht zustimme und durch eine trügerische Wahrscheinlichkeit sich nicht täuschen lasse; auch werde durch sie das über die Güter und Uebel Erkannte festgehalten und vertheidigt. Ohne diese Kunst kann nach ihrer Meinung man leicht von dem Wahren abgeführt und getäuscht werden. Deshalb werde mit Recht, wenn das dreiste Behaupten und die Unwissenheit überall ein Fehler sei, die Kunst, welche diese Fehler beseitigt, eine Tugend genannt.

      Kap. XXII. (§ 73.) Der Naturwissenschaft ist die gleiche Ehre und nicht ohne Grund zugesprochen worden, weil Der, welcher naturgemäss leben will, von der ganzen Welt und ihrer Verwaltung ausgehen muss. Niemand kann über die Güter und Uebel ohne Kenntniss der Verhältnisse der Natur, des Lebens und selbst der Götter richtig urtheilen, und ob die Natur des Menschen mit der allgemeinen übereinstimmt oder nicht. Die alten Vorschriften weiser Männer, welche verlangen, »der Zeit sich zu fügen«, »der Gottheit zu folgen«, »sich selbst zu erkennen« und »ja nichts zu viel zu thun«, kann Niemand ohne die Naturkenntniss in ihrer vollen Bedeutung (und diese ist eine sehr weit reichende) erfassen. Auch kann nur diese Wissenschaft lehren, was die Natur vermag zur Pflege der Freundschaft und andern Verbindungen

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