Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

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Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон

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Vernunft geleitet hat. Das Neue tritt bei ihm immer nur in der Weise hinzu; dass das Frühere, was sie gewährt hat, nicht aufgegeben wird. (§ 38.) So fügt sie den Sinnen später die Vernunft bei, aber wenn dies geschehen ist, verlässt sie die Sinne nicht. Wenn z.B. der Weinbau, dem es obliegt, den Weinstock in allen seinen Theilen aufs Beste herzustellen und zu erhalten, wenn man also sich vorstellte (da auch uns eine Erdichtung, wie Euch, zur Belehrung gestattet sein wird), dass dieser Weinbau in dem Weinstock selbst enthalten wäre, so wird er, ebenso wie vorher, für Alles sorgen, was zur Entwickelung des Weinstocks nöthig ist; aber er wird sich selbst über alle Theile des Weinstocks stellen und sich selbst für das Beste in demselben halten; ebenso werden die Sinne, wenn sie der menschlichen Natur hinzutreten, zwar diese, aber auch sich selbst beschützen, und wenn die Vernunft dann noch hinzugetreten ist, so wird ihr eine solche Herrschaft eingeräumt werden, dass alle ersten Triebe der Natur ihrem Schutze untergeben werden. (§ 39.) Sie wird also von deren Pflege nicht ablassen, wenn sie als die Vorgesetzte das ganze Leben leiten soll. Ich kann mich deshalb über die Widersprüche Derer nicht genug verwundern, die das eine Mal anerkennen, dass die Triebe, welche sie hormê nennen, ferner die Pflichten und die Tugenden selbst zu dem Naturgemässen gehören, aber dann bei Aufsuchung des höchsten Guts dies Alles überspringen und uns zwei Aufgaben statt einer setzen; Einiges soll man annehmen, Anderes begehren, während sie vielmehr Beides in ein Ziel hätten zusammenfassen sollen.

      Kap. XV. (§ 40.) Ihr sagt indess, dass die Tugend nicht fest begründet werden könne, wenn das ausserhalb der Tugend Liegende auch zum glücklichen Leben gehören solle. Allein dies ist durchaus verkehrt; man kann die Tugend nicht einführen, wenn nicht Alles, was sie erwählen und was sie verwerfen soll, auf ein Höchstes bezogen wird. Wollten wir uns selbst ganz vernachlässigen, so würden wir in die Fehler und Laster des Aristo verfallen und vergessen, welche Grundsätze wir selbst für die Tugend aufgestellt haben; wollten wir aber diese Dinge zwar nicht vernachlässigen, aber doch nicht zu dem Höchsten mit rechnen, so würden wir so ziemlich der Leichtfertigkeit Herill's uns nähern, und wir hätten dann die Einrichtung für zwei Leben zu treffen. Herill stellt nämlich zweierlei höchste Güter auf; wäre dies richtig, so hätten sie vereinigt werden müssen; jetzt werden sie aber getrennt hingestellt; eines oder das andere, was durchaus verkehrt ist. (§ 41.) Deshalb verhält es sich umgekehrt und die Tugend kann nicht begründet werden, wenn sie nicht die ersten Triebe der Natur als zum Höchsten mit gehörig festhält. Man sucht nach einer Tugend, welche die Natur nicht verlässt, sondern sie beschützt; aber die Eure schützt nur einen Theil und vernachlässigt das Uebrige. Die menschliche Natur würde, wenn sie sprechen könnte, sagen, dass ihre ersten gleichsam Griffe im Begehren auf Erhaltung dessen gerichtet gewesen, womit sie auf die Welt gekommen sei. Indess habe ich noch nicht erklärt, was die Natur am meisten verlangt, und ich will es deshalb nachholen. Es ist offenbar nichts Anderes, als dass kein Theil der Natur vernachlässigt werde. Besteht sie nun blos aus Vernunft, so mag das höchste Gut lediglich in der Tugend bestehn; gehört aber auch ein Leib dazu, sollte da wohl die Entwickelung der Natur dahin führen, dass man das vernachlässigt, was man vor dieser Entwickelung besass? Wäre dann das naturgemässe Leben nicht vielmehr ein Abweichen von der Natur? (§ 42.) So wie einige Philosophen, die von den Sinnen ausgehend später Grösseres und Göttlicheres geschaut haben und dann die Sinne verlassen haben, so verfahren auch Die, welche, von dem Begehren nach den Dingen ausgehend, dann die Schönheit der Tugend erblickt haben; sie werfen alles ausser der Tugend Gesehene bei Seite und vergessen, dass jede Natur in ihrem Begehren sich so entwickelt, dass sie von den Anfängen zu den Zielen fortgeht und sie übersehen, dass sie diesen schönen und bewundernswerthen Dingen die Grundlage entziehen.

      Kap. XVI. (§ 43.) Mir scheinen daher Alle sich geirrt zu haben, welche das höchste Gut in das sittliche Leben setzten; indess der Eine mehr als der Andere; am meisten Pyrrho, welcher nach Aufstellung der Tugend durchaus nichts Begehrenswerthes daneben gelten lässt; dann Aristo, der nicht so weit ging, sondern Dinge anerkannte, welche den Weisen erregen, so dass er sie begehrt, wenn sie ihm in den Sinn kommen, oder gleichsam begegnen. Er steht über Pyrrho, weil er noch andere Dinge neben der Tugend als begehrenswerth anerkennt, aber er steht hinter den Uebrigen zurück, weil er ganz von der Natur abgewichen ist. Die Stoiker stehen Beiden in so weit gleich, als sie in die Tugend allein das höchste Gut setzen; indem sie aber auch eine Grundlage für die Pflichten suchen, stehen sie über Pyrrho, und indem sie kein solches Entgegenkommendes sich ausdenken, auch höher als Aristo; indem sie aber das von ihnen als naturgemäss Anerkannte und um sein selbst willen zu Suchende nicht in das höchste Gut einschliessen, fallen sie von der Natur ab und gleichen gewissermassen dem Aristo. Dieser stellt entgegenkommende Dinge auf, ich weiss nicht welche; die Stoiker stellen nun zwar ein erstes Naturgemässe auf, aber trennen es vom Endziele und vom höchsten Gute; soweit sie nun jenes zu einem bevorzugten machen, um damit eine Auswahl zu ermöglichen, folgen sie der Natur; indem sie aber bestreiten, dass es zu dem höchsten Gute gehöre, weichen sie wieder von der Natur ab. (§ 44.) Bis hierher habe ich ausgeführt, dass Zeno keinen Grund hatte, von den anerkannten Lehren der Aeltern abzuweichen; ich gehe nun zu dem Uebrigen fort, wenn Du, mein Cato, nicht auf das Bisherige Etwas erwidern willst oder ich nicht schon zu lange gesprochen habe. – Keines von Beiden, sagte er; vielmehr möchte ich, dass Du Deine Ausführung vollendetest, und Deine Rede wird mir nicht zu lang werden. – Sehr gut, sagte ich; was kann mir lieber sein, als mit Cato, dem Muster aller Tugenden, über die Tugend mich zu unterhalten. (§ 45.) Ich bitte Dich, zunächst zu beachten, dass Euer oberster Grundsatz, der alles Andere nach sich zieht und wonach nur das Sittliche allein das Gut und ein sittliches Leben das höchste Gut ist, Euch mit allen Denen gemeinsam ist, welche in der Tugend allein das höchste Gut finden, und wenn Ihr sagt, dass man sich von der Tugend keinen Begriff machen könne, wenn noch etwas Anderes als das Sittliche dazu gerechnet werde, so wird auch dies von Denen behauptet, die ich eben genannt habe. Mir hätte es nun richtiger geschienen, wenn Zeno bei seinem Streit mit Polemo, von dem er die ersten Naturtriebe übernommen hatte und mit dem er die Grundlagen, von Denen sie ausgingen, gemeinsam hatte, den Punkt beachtet hätte, wo er zuerst einzuhalten habe, und bei welchem Punkte der Anlass zu seinen abweichenden Ansichten zuerst hervortrete; und wenn er sich nicht Denen zugesellt hätte, welche gar nicht behaupteten, dass ihr höchstes Gut von der Natur ausgehe, während er doch dieselben Beweisgründe und Aussprüche, welche diese aufgestellt hatten, benutzte.

      Kap. XVII. (§ 46.) Ich kann es nicht billigen, dass, nachdem Ihr nur in das Sittliche das höchste Gut verlegt habt, denn doch wieder es für nothwendig anerkennt, Anfänge, die der Natur angemessen und entsprechend sind, aufzustellen und die Tugend in der Auswahl unter diesen bestehen zu lassen. Ihr durftet die Tugend nicht in eine solche Auswahl setzen, und so dem höchsten Gute noch etwas Anderes anfügen; vielmehr muss Alles, was man ergreifen, auswählen und wünschen soll, in dem höchsten Gute selbst enthalten sein, damit Dem, welcher es erreicht hat, nichts abgehe. Siehst Du nicht, wie klar für Die, welche das höchste Gut in die Lust setzen, vorliegt, was sie zu thun und zu unterlassen haben? Bei diesen zweifelt Niemand, wohin all ihre Pflichten abzielen, was er aufsuchen und vermeiden solle. Und wenn das von mir vertheidigte als das höchste Gut anerkannt wird, so erhellt auch hier sofort, welche Pflichten bestehen und was zu thun ist. Bei Euch dagegen, die Ihr nur das Rechte und Sittliche als höchstes Gut anerkennt, sucht man vergebens die Grundlage für die Pflichten und die Handlungen. (§ 47.) Um diese Grundlage zu gewinnen, müssen Alle, sowohl Die, welche sagen, dass sie nur dem nachgehen, was ihnen einfällt oder in dem Sinn kommt, als auch Ihr, zur Natur zurückkehren; und die Natur wird Euch und Jenen mit Recht antworten, dass es falsch sei, wenn man das Endziel des glücklichen Lebens wo anders suche, aber doch die Grundsätze des Handelns von der Natur entnehme; vielmehr müsse dieselbe Grundlage sowohl die Grundsätze des Handelns, wie das höchste Gut befassen. So wie die Ansicht Aristo's schon beseitigt ist, wonach kein Unterschied in den Dingen bestehn, und es neben den Tugenden und Lastern nichts geben soll, wobei eines mehr werth sei als das andere, so irrt auch Zeno, wenn er nur in der Tugend oder dem Laster und in sonst keinem Dinge die geringste Bedeutung für die Erlangung des höchsten Gutes findet. So soll also alles Andere für das glückliche Leben keine Bedeutung haben, aber dennoch soll unter demselben Einzelnes das Begehren bestimmen; als ob dieses Begehren in keiner Beziehung zu dem höchsten Gute stehe. – (§ 48.) Was ist widersprechender,

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