Aufregend war es immer. Hugo Portisch
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Eine Woche lang saß man beisammen, vom 4. bis zum 11. Februar. In diesen Tagen fassten die drei Staatsmänner für die Zukunft Europas entscheidende Beschlüsse: Das demnächst besiegte Deutschland sollte in vier Besatzungszonen aufgeteilt – die vierte war Frankreich zugedacht –, aber von allen vier Siegermächten gemeinsam verwaltet werden. Von Berlin aus, das ebenfalls in vier Sektoren geteilt werden sollte.
Danach beriet man, was mit jenen Ländern geschehen sollte, die von der Roten Armee befreit und besetzt wurden. Dazu zählten Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, die Tschechoslowakei und vermutlich auch Österreich. Vor allem Churchill fürchtete, dass die Sowjetunion in diesen Ländern kommunistische Regierungen einsetzen und damit westlichen Einflüssen verschließen würde. Roosevelt war bestrebt, Stalin nicht durch offenes Misstrauen vor den Kopf zu stoßen und daher eine Formel für die Zukunft dieser Länder zu finden, die von beiden Seiten akzeptiert werden konnte. Und Stalin war, so schien es, bereit, auf diese Formel einzugehen: In allen diesen Ländern sollten demokratische Parteien gegründet und provisorische Regierungen eingesetzt werden, deren Aufgabe es wäre, freie Wahlen durchzuführen. Aufgrund der Wahlergebnisse sollten dann Koalitionsregierungen aller Parteien gebildet werden. Das klang gut und war für Churchill und Roosevelt zu akzeptieren. Stalin hatte nur um Zustimmung zu einem Zusatz gebeten: Diese Regierungen sollten verpflichtet sein, sich gegenüber der Sowjetunion freundschaftlich zu verhalten. Für Roosevelt war das eine Selbstverständlichkeit, Churchill blieb misstrauisch, aber nahm das auch hin.
Die künftigen Besatzungszonen in Deutschland wurden festgelegt, zunächst ohne Frankreich zu beteiligen, aber das wurde bald korrigiert. Für Österreich war Ähnliches vorgesehen, aufgrund seiner Kleinheit dachte man zuerst an zwei Zonen, eine sowjetische und eine britische, dann an drei und schließlich an vier wie in Deutschland. Sosehr später diese Beschlüsse von Jalta für alle Putschversuche und kommunistischen Machtergreifungen in den von den Sowjets befreiten und besetzten Gebieten verantwortlich gemacht wurden – Stalin hat seine Zusagen zunächst gehalten, wenn auch auf etwas unterschiedliche Weise. In das zuerst befreite Polen brachten die Sowjets schon eine von polnischen Kommunisten im Moskauer Exil gebildete Regierung mit, während der in England residierenden polnischen Exilregierung die Einreise nach Polen lange Zeit verwehrt wurde. So schien das künftige Schicksal Polens bereits besiegelt, obwohl es doch gerade Polen war, für dessen Freiheit und Unabhängigkeit Großbritannien in den Krieg gezogen war.
Aber in Bulgarien, Rumänien, in Ungarn, der Tschechoslowakei und auch in Österreich löste Stalin seine Zusagen ein. In Anwesenheit der sowjetischen Truppen konnten in diesen Ländern demokratische Parteien gebildet werden. In der Regel waren es vor allem drei: eine konservative, die das Bürger- und Bauerntum vertreten sollte, eine sozialdemokratische und eine kommunistische. In allen diesen Ländern wurden auch freie, demokratische Wahlen von den Sowjets zugelassen. Die Wahlergebnisse waren unterschiedlich, doch die Kommunisten blieben in allen Ländern in der Minderheit. In Österreich erhielten sie nur fünf Prozent aller abgegebenen Stimmen, in der Tschechoslowakei 33 Prozent. Unabhängig von den Wahlresultaten wurden Koalitionsregierungen gebildet, in denen alle Parteien vertreten waren. Doch bestanden die Sowjets in jedem Land darauf, dass das Innenministerium von einem Kommunisten geführt wird. Und den Innenministerien unterstanden Polizei, Staatspolizei und Geheimpolizei. Der jeweilige Chef der Staats- und Geheimpolizei war nun vom Innenminister einzusetzen und das war in allen diesen Staaten ein bewährter, sowjettreuer Kommunist.
In Sofia, in Bukarest, in Budapest sorgte die Staatspolizei bald dafür, dass die demokratischen Mitglieder der Regierungen unter den verschiedensten Anschuldigungen verdächtigt, beschuldigt, ihrer Ämter enthoben, vor Gericht gestellt, abgeurteilt und eingesperrt wurden – so es ihnen nicht gelang, in letzter Minute ins Ausland zu fliehen. Nur in Prag lief es ein wenig anders, aber im Endeffekt gleich: Mit 33 Prozent Stimmanteil waren dort die Kommunisten die stärkste Partei und stellten schon den Ministerpräsidenten des Landes, Klement Gottwald. Und es dauerte bis 1948, bis Gottwald versuchte, die Polizei zur Gänze unter seine Kontrolle zu bringen.
Die nicht-kommunistischen Mitglieder seiner Regierung traten aus Protest zurück und glaubten, durch ihren Rücktritt den Ministerpräsidenten zur Auflösung der Regierung zwingen zu können. Doch gefehlt: Gottwald ersetzte die zurückgetretenen Minister durch willfährige Kollaborateure. Der tschechoslowakische Staatspräsident Edvard Beneš wäre nun gefordert gewesen, er hätte die Anerkennung dieser Regierung verweigern können. Doch da mobilisierten die Kommunisten die Straße. Die Bevölkerung wurde zu Demonstrationen aufgerufen, der unter kommunistischem Befehl stehende sogenannte »Werkschutz« in den Fabriken war bewaffnet, wurde mobilisiert und beherrschte bald die Straßen. Beneš gab nach und erkannte die neue Regierung Gottwald an.
Die Tschechoslowakei war der letzte Staat im sowjetischen Einflussbereich, in dem die Kommunisten die Macht ergriffen. Ein Schicksal, das ein Jahr später auch noch der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland blühen sollte. Aus Sorge, es könnten dort, wie in Österreich, die Kommunisten bei einer freien Wahl verlieren, wurden hier zunächst von den Sowjets die Sozialdemokraten gezwungen, sich mit den Kommunisten zu einer Partei zu vereinigen, der Sozialistischen Einheitspartei (SED). Echt oder gefälscht wurde sie bei den Wahlen zur stärksten Partei und stellte damit die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, der DDR.
Es war diese mit List und Gewalt herbeigeführte Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs in Europa, die den Westen befürchten ließ, die Sowjets könnten es auch zu einer militärischen Konfrontation kommen lassen, etwa wenn auch in Italien und Frankreich die dort erstarkten Kommunisten die Macht ergreifen wollten und es zu Bürgerkriegen käme.
Die österreichischen Kommunisten glaubten offenbar daran. Bei den nächsten Wahlen im Jahre 1949 sah ich diese Plakate selbst, auf denen die KPÖ die schon kommunistisch geführten Länder in roter Farbe, Frankreich und Italien bereits rot umrandet darstellte – demnächst in Europa! In ihren Reden und ihrer Zeitung »Volksstimme« forderten sie von der österreichischen Regierung, den westlich-demokratischen Kurs aufzugeben und dem Beispiel Jugoslawiens zu folgen, das unter Führung Titos als immer noch sowjettreuer, kommunistischer Staat galt.
Auch in Wien hatten die Sowjets von Karl Renner gefordert, das Innenministerium mit einem geeichten Kommunisten zu besetzen, mit Franz Honner. Honner, noch 1934 im Exil in Moskau, während des Krieges von den Sowjets mit Flugzeug nach Jugoslawien gebracht, gründete innerhalb der Tito-Armee ein österreichisches Bataillon. Dieses Bataillon, das vorwiegend aus desertierten Soldaten und überzeugten Kommunisten bestand, wurde 1945 mit Zustimmung der Sowjets, wenn nicht auf deren Befehl, nach Wien gebracht und zog voll bewaffnet in die Stadt ein, begrüßt von Honner, auch er in Partisanenuniform mit dem Sowjetstern auf der Kappe.
Als Innenminister setzte Honner einen weiteren Kommunisten als Chef der Staatspolizei ein, Heinrich Dürmayer. Auch er war nach 1934 im Moskauer Exil, kam aber dann nach Spanien und wurde in den Internationalen Brigaden, die gegen Franco kämpften, als Kommissar eingesetzt. Nach dem Sieg Francos floh Dürmayer nach Frankreich, wurde dort interniert, nach dem Einmarsch der Deutschen verhaftet und nach Mauthausen ins Konzentrationslager gebracht. Von dort gelangte er nach Auschwitz.
Ich sage gelangte, weil, wie er mir erzählte, er sich als Lager-schreiber in Mauthausen selbst nach Auschwitz »versetzt« hatte. In dieses Vernichtungslager der Nazis, in dem über eine Million Juden mit Gas ermordet wurden, aber auch nicht-jüdische Häftlinge zur Arbeit in deutschen Industrieniederlassungen gezwungen waren. Dort gründete Dürmayer eine Widerstandsbewegung, die es immerhin zustande brachte, gefangene Sowjetkommissare aus dem Lager zu schmuggeln. Diese, so erzählte mir Dürmayer, wären von polnischen Widerstandskämpfern aufgenommen und von kleinen Sowjetflugzeugen abgeholt worden. Dürmayer schilderte mir das so im Detail, dass ich an der Wahrheit dieser Geschichte nicht zweifle. Er war für die Sowjets offenbar eine ganz spezielle Persönlichkeit, flog auch jetzt immer wieder nach Moskau, wo er sich – auch das stammt von ihm – in dem für die Sowjetführung reservierten Krankenhaus behandeln ließ.