Aufregend war es immer. Hugo Portisch
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Konfrontiert mit der Sowjetblockade in Berlin und den Blockadeängsten in Wien, entschloss sich Helmer nun doch, Dürmayer von seinem Posten abzuziehen. Helmer ernannte den verlässlich demokratischen Chef der Wiener Feuerwehr, Josef Holaubek, zum Polizeipräsidenten und beauftragte ihn, Dürmayer zur Polizei nach Salzburg zu versetzen. Als Chef der Staatspolizei war Dürmayer über diese Absicht natürlich schon längst unterrichtet, räumte seinen Tresor aus und begab sich mit den Akten in die sowjetische Kommandantur. Und nichts geschah, die Sowjets nahmen das hin. Bundespräsident Karl Renner, der sich auf Urlaub in Mürzsteg aufhielt, bedankte sich persönlich bei Bundeskanzler Figl mit einem Brief dafür, dass alle Mitglieder der Regierung diese Aktion Helmers und Holaubeks voll mitgetragen hatten. Für so außerordentlich und mutig schätzte Renner diesen Schritt ein.
Doch so ungefährlich, wie ich dachte, war die Situation damals in Wien nicht. Amerikaner und Briten bereiteten sich durchaus darauf vor, dass die Sowjets auch die Westsektoren in Wien blockieren würden. Dafür fanden sich bei unseren späteren Recherchen für die TV-Dokumentationen drei Zeitzeugen. Halvor Ekern, amerikanischer Vertreter im Alliierten Rat, berichtete, es habe eine »Alarmstufe Rot« gegeben, als ein militärischer Konvoi der Amerikaner, der von Oberösterreich nach Wien fahren sollte, auf der Ennsbrücke von Sowjetsoldaten aufgehalten und an der Weiterfahrt gehindert wurde. Rasche Rückfrage in Washington, wie man sich verhalten soll. Anweisung an den amerikanischen Hochkommissar: Mit der sowjetischen Hochkommission Kontakt aufnehmen, protestieren und möglichst eine problemlose Weiterfahrt des Konvois erreichen.
Ekern war einer der Offiziere, die diese Verhandlungen führten. Die Sowjets verwendeten mehrere Ausreden, um den »Zwischenfall«, wie sie es nannten, zu erklären. Aber letztlich entschuldigten sie sich und ließen den Konvoi passieren. Doch Amerikaner und Briten waren alarmiert. Ekern: »Ich wurde beauftragt, in Wien rasch einen Platz auszusuchen, auf dem wir eine Landepiste für große Flugzeuge anlegen konnten. Ich habe ihn gefunden – eine Menge Gärten in Grinzing wären da draufgegangen. Doch wir hätten die Piste gebaut, innerhalb von Tagen, um auch Wien aus der Luft versorgen zu können.« Ekern konnte die Stelle nicht genau nennen, an der die Amerikaner Platz für die Piste schaffen wollten. So haben wir uns Grinzing angesehen und kamen zu dem Schluss, dass es in diesem hügeligen Gebiet schwer gewesen wäre, eine lange Landebahn anzulegen. Aber dann fanden wir in Wien doch einen Kronzeugen dieses geplanten Unternehmens: Egon Rothblum, gebürtiger Österreicher, amerikanischer Staatsbürger und nach 1945 Mitglied der amerikanischen Verwaltung in Wien.
Rothblum konnte sich an jene kritischen Tage sehr gut erinnern: »Dann kam eine Überraschung. Eine Abendsitzung wurde angesetzt. Das war recht ungewöhnlich für uns. Normalerweise waren auch unsere österreichischen Mitarbeiter bei den Besprechungen dabei. Diesmal wurde uns strenge Geheimhaltung befohlen. Daher wurden wir auch am Abend zusammengerufen, es sollte niemand merken. Es ging darum, dass für den Fall einer sowjetischen Blockade von Wien eine Luftbrücke errichtet werden sollte. Und der einzige Ort, der für den raschen Bau eines Flugplatzes infrage käme, das wäre die Heiligenstädter Straße.«
Nach dieser Aussage Rothblums haben wir uns die Heiligenstädter Straße angesehen. Zwischen dem Karl-Marx-Hof und der Hohen Warte gibt es in der Tat ein ebenes Stück, das sich für die Anlage einer Piste für die damaligen propellerbetriebenen Flugzeuge geeignet hätte. Allerdings nur für eine einzige Piste. Diese hätte wahrscheinlich ausgereicht, um Flugzeuge landen zu lassen, nicht aber, um die entladenen Flugzeuge gleich wieder zum Start zu bringen. Rothblum erinnerte sich: »Ja, es hätte einer zweiten Piste bedurft, aber da dachten wir an den Ausbau des schon existierenden Landestreifens entlang des Donaukanals.«
Rothblum berichtete, wie es in der Nachtsitzung der Amerikaner weiterging: »Ich gehörte zur Industriesektion der Militärverwaltung. Und so sollte ich noch in der gleichen Nacht berechnen, was zur Anlegung der Piste notwendig wäre. Ich bin die ganze Nacht gesessen, habe jede Position ausgerechnet. Also was brauchen wir, was kostet das? Auf der Heiligenstädter Straße waren einige Häuser im Weg, die mussten entfernt werden. Da waren die notwendigen Maschinen heranzubringen. Auch standen dort Bäume, also brauchten wir Sägen. Zum Glück ist es dann nicht dazu gekommen, obwohl wir bereits alle Details geplant hatten. So hatte sich eine andere Gruppe damit beschäftigt, wo die Güter, die ja in großen Mengen eingeflogen werden sollten, gelagert werden könnten. Da boten sich die Fußballplätze auf der Hohen Warte an.«
Wir fanden dann einen weiteren Zeugen, der allerdings nicht genannt werden wollte. Er stellte eine kühne Behauptung auf: »Mit den Landepisten wäre es ja nicht getan gewesen, die Flugzeuge mussten auch abgestellt und entladen werden. Ein Dutzend gleichzeitig. Nein, das wussten wir schon: Wenn wir Wien aus der Luft zu versorgen gehabt hätten, dann hätten wir auch den Karl-Marx-Hof schleifen müssen.« Eine Behauptung. Wir fanden kein Dokument, das einen Plan dieser Art bestätigt hätte. Unsere Schlussfolgerung: Als sich die Amerikaner über den raschen Bau eines Flugplatzes in Wien den Kopf zerbrachen und dabei auf die Heiligenstädter Straße kamen, wurde wahrscheinlich auch die Möglichkeit einer Schleifung des Karl-Marx-Hofes diskutiert.
Da waren die Briten schon konkreter. In London fanden wir die fix und fertig vorbereiteten Pläne zum Bau eines britischen Flugfelds auf der Simmeringer Haide, die zum britischen Sektor gehörte.
Aber die Amerikaner sorgten auch schon vor für den Fall, dass man mit dem Bau der Flugplätze nicht schnell genug fertig werden würde. Das bestätigte mir Eleanor L. Dulles, die Schwester des US-Außenministers John Foster Dulles und des CIA-Chefs Allen W. Dulles. Sie war damals als Finanz- und Wirtschaftsexpertin bei der amerikanischen Gesandtschaft in Wien eingesetzt. Ich traf sie in ihrem Washingtoner Heim. Sie berichtete mir: »Nach der versuchten Blockade an der Ennsbrücke beschlossen wir, in Wien große Vorräte an Lebensmitteln und Brennstoffen anzulegen, um einer Blockade wenigstens einige Wochen lang trotzen zu können. Es war eine geheime Operation, die unter dem Decknamen ›Squirrel Cage‹ (Eichhörnchen-Käfig) durchgeführt wurde. Die österreichische Regierung wusste davon, war eingeweiht. Die Sowjets fanden es auch bald heraus, es konnte nicht schaden, wenn sie wussten, dass wir vorbereitet waren.«
Die Sowjetblockade in Berlin dauerte fast ein Jahr, vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949. Zweck dieser Blockade konnte es nur sein, die Westmächte zum Verlassen Berlins zu bringen, um aus der Ostzone einen funktionsfähigen kommunistischen Staat zu machen, wie er dann auch als DDR gegründet wurde. So fürchteten die Westalliierten in Österreich durchaus, dass es nicht nur bei einer Blockade der Westsektoren in Wien bleiben würde, sondern dass das ein Vorspiel zur Teilung Österreichs sein könnte. Damit wurde allen Ernstes gerechnet.
Oliver Rathkolb fand das Dokument, das dies bestätigt, datiert mit 8. Januar 1948, abgesendet von der amerikanischen Legation in Wien an das State Department in Washington. »Geheim – betrifft die Teilung Österreichs«, gerichtet an den »Secretary of State«, also an den Außenminister persönlich. In dem Dokument werden die Vor- und Nachteile aufgezählt, die eine Teilung Österreichs für die Sowjetunion haben könnte. Dieser Bericht kommt zwar zu dem Schluss, dass vermutlich die Nachteile für die Sowjetunion größer wären, aber nach dem kommunistischen Putsch in Prag schließt man einen solchen Putschversuch in Wien nicht mehr aus.
Wie ein Damoklesschwert hing die Möglichkeit einer kommunistischen Machtergreifung damals über der Regierung. Bis wohin würde die Sowjetunion mit ihrer Expansion gehen? Was war Stalin bei der Konferenz in Jalta vom amerikanischen Präsidenten Roosevelt zugesichert worden? Jalta, das Stichwort für die Teilung Europas. Jalta, so hatte ich das Gefühl, wurde uns nie wirklich erklärt. Natürlich fand diese