Aufregend war es immer. Hugo Portisch
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Check, re-check, double-check Journalismus, wie er sein sollte
1949 wurde Hans Kronhuber als Chefredakteur der »Tageszeitung« von Hermann Mailer abgelöst. Kronhuber wurde in den Bundespressedienst berufen, und nun stand mein Chefredakteur Hermann Mailer vor mir und sagte: »Sie fahren nach Amerika.« Amerika – das war damals, im Jahre 1950, ein weit entfernter Kontinent. Dorthin zu kommen, war für uns junge Journalisten kaum vorstellbar. Aber Mailer hatte soeben eine Anfrage des Bundespressedienstes – die damals wichtige Pressestelle der Regierung – erhalten, ob er auf mich in der Redaktion etwa ein halbes Jahr lang verzichten könnte. Es läge eine Einladung der »School of Journalism« der Universität Missouri vor, zehn junge österreichische Journalisten zur Weiterbildung an diese Journalistenschule zu entsenden.
Um es vorwegzunehmen: Das war und ist bis heute eine der besten Ausbildungsstätten für Journalisten in Amerika. Das Geld für diese Weiterbildung, so teilte der Bundespressedienst mit, komme aus der solche Ausbildungen fördernden »Rockefeller-Foundation«, die Patronanz und Durchführung des Projekts aber liege allein bei der Universität. Das State Department, das amerikanische Außenministerium, sei von der Universität um Unterstützung beim Transport der österreichischen Journalisten ersucht worden und habe dieses Ersuchen an die amerikanischen Militärbehörden in Österreich weitergeleitet. Es war der Bundespressedienst, der diese zehn Journalisten aussuchen und empfehlen sollte.
Ich war also offenbar einer der Ausgesuchten, aber alles Weitere hing nun von meinem Chef ab. Zu diesem Zeitpunkt leitete ich die außenpolitische Redaktion der »Tageszeitung«, war aber gleichzeitig auch der einzige außenpolitische Redakteur. Karl Polly war inzwischen Chefredakteur beim Hörfunk, Hans Dichand Chefredakteur bei der »Kleinen Zeitung« in Graz. Nur die Innenpolitik war mit zwei erfahrenen Journalisten an der Spitze gut besetzt, mit Gottfried Heindl, dem stellvertretenden Chefredakteur, und Richard Barta. Woher Mailer den Ersatz für mich nehmen wollte, war auch ihm noch unklar. Doch er erkannte die einzigartige Chance, die sich mir da bot, und wollte ihr nicht im Wege stehen. Wir saßen dann eine Zeit lang beisammen, um dieses Problem zu lösen. Ich schlug vor, einen der sehr vifen Lokaljournalisten in einem Blitzkurs als Außenpolitiker auszubilden.
Einen Monat später sollte es losgehen, per Eisenbahn nach Bremerhaven und von dort per Schiff nach New York. Doch da gab es einen kleinen Haken und von dem muss ich berichten: Ich leitete in der Zeitung nicht nur die Außenpolitik, sondern war auch zuständig für einen Teil der Besatzungspolitik, die ja fast zur Außenpolitik gehörte. In dieser Funktion hatte ich immer wieder zu berichten und auch zu kommentieren, was da in den von den Sowjetrussen in Besitz genommenen Industriebetrieben und besonders in den Erdölfeldern vor sich ging. Die Informationen darüber erhielt ich aus der Wirtschaftssektion im Ministerium für Wiederaufbau und Vermögenssicherung, in der – bis zu ihrer Verschleppung in die Sowjetunion – Margarethe Ottillinger zuständig war. Dort war man bemüht, stets herauszufinden, was gerade von den Sowjets aus den Betrieben und den Erdölfeldern entnommen und nach Osten abtransportiert wurde. Auch wichtig für die spätere Bewertung dieser Betriebe, für die Österreich vermutlich eine Ablöse zu zahlen haben würde.
Die »Tageszeitung« stand der Wirtschaft nahe und so war sie und damit ich ausersehen, Teile dieser Berichte zu veröffentlichen und gegebenenfalls heftig zu kommentieren. Ab und zu wurden wir dafür vom »sowjetischen Element« im Alliierten Rat abgemahnt. Dann wurde Margarethe Ottillinger an der Zonengrenze an der Enns vom sowjetischen Kontrollposten aus dem Auto geholt, in dem sie zusammen mit ihrem Minister von Linz nach Wien fahren wollte. Herausgeholt, verschleppt, in Moskau zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Das war für uns alle ein Alarmzeichen. Unter alle meine ich all jene Journalisten, die sich in den österreichischen Zeitungen mit der Berichterstattung über die Vorfälle in der Sowjetzone und in den beschlagnahmten Betrieben beschäftigten. Führend in dieser Berichterstattung war die »Arbeiter-Zeitung« unter der Chefredaktion von Oscar Pollak. In der Sowjetzone selbst recherchierte unter riskantem Einsatz sein Reporter Franz Kreuzer. Das lief dann unter der Rubrik »Die Unbekannten« – damit waren die Angehörigen der Sowjetarmee und ihre Taten gemeint.
Soweit die Vorgeschichte. Jetzt sollte ich nach Amerika reisen. Und mit dem Zug die Zonengrenze an der Enns überqueren, wo die Ausweise der Reisenden von den Sowjets genau kontrolliert wurden. Vorgesehen war die Reise mit dem normal von Wien nach Frankfurt am Main verkehrenden Zug. Zuständig für den Transport der zehn Journalisten von Wien bis New York war aber die amerikanische Militärbehörde, waren die United States Forces in Austria, kurz USFA. Da bat mich der für die Presse zuständige Attaché Craig Hazelwood um eine Unterredung. Offenbar kannten die Amerikaner die an der Zonengrenze eventuell gefährdeten Personen, denn Hazelwood schlug mir vor, nicht mit dem Zug über die Zonengrenze zu fahren, ich könnte eines der kleinen Kurierflugzeuge benützen, die vom amerikanischen Airstrip am Donaukanal nach Linz und Salzburg flogen.
Ich nahm das Angebot an und das führte zu einer komischen Situation: Als ich bei dem Airstrip am Donaukanal ankam, stand dort ein kleiner Trupp amerikanischer Soldaten bereit, um mich mit präsentierten Gewehren zu empfangen. Entsprechend verwirrt ging ich die »Ehrenkompanie« entlang. Der Irrtum klärte sich sofort danach auf. Aus dem USFA-Hauptquartier wurde mein Flug von Wien nach Linz telefonisch angemeldet mit den Worten: »There is a journalist to travel to Linz.« Der diensthabende Offizier verstand routinemäßig nicht »journalist«, sondern »general« – in Englisch ähnlich klingend – General. Und wie bei so einem üblich, ließ er die Soldaten zum Salut antreten.
Das ist noch nicht das Ende der Geschichte über diesen Flug. Ich nahm also in dem kleinen Kurierflugzeug neben dem Piloten Platz und wir starteten in Richtung Linz. Kaum aber waren wir über St. Pölten, tauchte rechts vor meinem Fenster ein kleines Flugzeug mit Sowjetsternen an den Tragflächen auf, kam nahe heran und begleitete uns bis zur Zonengrenze. Dazu der Pilot: »They always like to know who is travelling – Sie wollen immer wissen, wer da mitfliegt.« Wir landeten auf dem Flugplatz Hörsching bei Linz und man brachte mich zum Bahnhof, wo bald darauf der Zug eintraf mit den Kollegen aus Wien und Graz, während mit mir in Linz die Kollegen aus Innsbruck, Salzburg und Linz einstiegen.
Da wir in den nächsten Monaten als Gruppe vieles gemeinsam erlebten, will ich die Kollegen namentlich anführen: Otto Schönherr, damals von der »Kleinen Zeitung« in Graz, später Chefredakteur der APA, Robert Stern von der »Arbeiter-Zeitung«, Ulrich Baumgartner, damals »Neue Zeit« Graz, später Festwochenintendant in Wien, Werner Sonvico von den »Oberösterreichischen Nachrichten«, Ludwig Stricker, Chefredakteur der »Tiroler Tageszeitung«, Kurt Paupié vom Publizistikinstitut der Universität Wien, Kurt Hampe, österreichischer Chef der Associated Press, Jochen Fiehn, österreichischer Chef von International News Service, Harry Maltschek, Außenpolitiker der APA.
Am Abend des gleichen Tages erreichten wir Bremerhaven, und noch immer war das amerikanische Militär für uns zuständig. So kamen wir in einem großen Militärcamp an. Wie wir tags darauf mit großem Schock sahen, wäre in Bremerhaven selbst für uns kaum ein Quartier zu finden gewesen, die Stadt war noch ein einziges Ruinenfeld, fast alle Häuser durch Bomben im Krieg zerstört. Eine derartige Verwüstung habe ich später nur noch in Filmen gesehen, die in Hannover und Berlin gedreht wurden.
Aber es gab auch eine andere Überraschung. In einem Camp neben unserem befanden sich so an die hundert junge Frauen, einige mit Babys am Arm. »Kriegsbräute«, wurden wir aufgeklärt, »Frauen aus Deutschland und Österreich, die amerikanische Soldaten geheiratet haben und jetzt in ihre neue Heimat reisen werden.« Wir sollten sie nicht zum letzten Mal gesehen haben: Am nächsten Tag bestiegen sie vor uns das Schiff »General Maurice Rose«, mit dem auch wir nach New York reisen sollten. Es war ein wunderschönes, weiß gestrichenes Passagierschiff, aber im Dienst der US Navy, benannt nach einem amerikanischen General, gefallen bei Kriegsende in Deutschland.
Die für diesen Transport