Aufregend war es immer. Hugo Portisch

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Aufregend war es immer - Hugo Portisch

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unbekannt. Danach wurde an der nächsten Telegrafenleitung ein ebenfalls mitgebrachtes Sendegerät angeschlossen und das Foto an die Zeitung gesendet. Mit dem Internet ist das heute alles selbstverständlich, aber damals war es für mich sensationell. Als wir in Des Moines eintrafen, war die Zeitung mit dem Bericht samt Foto bereits im Verkauf.

      Am nächsten Tag wollte ich es mir einfach machen. Ich blieb in der Redaktion und nahm mir vor, die außenpolitischen Meldungen zu redigieren. Zu Mittag kam einer der amerikanischen Kollegen vorbei und lud mich ein, mit ihm zu kommen. Ich dachte, es ginge in die Kantine. Stattdessen ging es in einen kahlen, kleinen Raum und der Kollege sagte: »Gleich bist du dran.« – »Wo dran?«, dachte ich. Da ging an der Wand ein Rotlicht auf, daneben die Leuchtschrift »On the Air«, also »Auf Sendung«. Ich war in einem Radiostudio der Zeitung gelandet. Was sollte ich nun tun? Der Kollege: »Sag, wer du bist, woher du kommst und was du hier tust.« In der nächsten halben Stunde lernte ich Englisch zu sprechen, denn bisher kannte ich nur Schulenglisch.

      In St. Louis gab es eine andere Überraschung. Die Zeitung war mit den modernsten Techniken und Kontrollen ausgestattet: Das sollte Zeit und Geld sparen. Alle Kollegen hier standen daher unter enormem Stress. Hans Dichand, dem ich das nach meiner Heimkehr erzählte, unternahm im Jahr darauf eine USA-Reise und wollte sich das technologische Wunderwerk in St. Louis selbst ansehen. Er betrat ein verlassenes Haus, und wie er berichtete, wehte ein Luftzug gerade noch eine Zeitungsseite der »St. Louis Star and Times« durch das Gebäude. Die Zeitung war an ihrer eigenen hochmodernen, aber offenbar Geist tötenden Technologie zugrunde gegangen.

      St. Louis ist die Heimat des amerikanischen Budweiser Beer. Die Herrin dieses großen Bierkonzerns, Frau Anheuser-Busch, gab uns einen großen Empfang in ihrem luxuriösen Heim. Dazu hatte sie einen besonderen Gast gebeten: Kurt Schuschnigg, den letzten Bundeskanzler Österreichs vor dem Einmarsch Hitlers. Schuschnigg, der bis Kriegsende mit seiner Frau in einem Konzentrationslager interniert war, wanderte nach dem Krieg in die USA aus und wirkte in St. Louis als Universitätsprofessor.

      Wir waren überrascht, Schuschnigg hier zu treffen. Aber offenbar war es sein Wunsch, Frau Anheuser-Busch möge dieses Treffen mit den österreichischen Journalisten arrangieren. Tatsächlich bat Schuschnigg nach dem Empfang die »nicht-sozialistischen« Journalisten zu einem Besuch in seine Wohnung. So war auch ich dabei. Schuschnigg jedoch hatte nur ein Anliegen: Wir mögen doch versuchen herauszufinden, ob der sozialdemokratische »Schutzbund« für den Bürgerkrieg (1934) mit Waffen aus der Tschechoslowakei beliefert worden war. So als wäre das eine Rechtfertigung für sein hartes Vorgehen gegen gefangene, auch verwundete Schutzbündler, die er als Justizminister »wegen Hochverrats« aufhängen ließ.

      Bemerkenswert in St. Louis aber war auch, dass wir auf unseren größeren Fahrten durch die Stadt von Polizeiwagen mit Blaulicht angeführt wurden. Die Kollegen erklärten das so: Die Polizei versuche, sich mit der Presse besonders gutzustellen und hervorzuheben, dass St. Louis die einzige Stadt im Mittleren Westen sei, in der es weder Glücksspiel noch Alkohol gäbe. Und das sei auch so, sagten die Kollegen. Das wäre einem Bürgermeister großartig gelungen, da Glücksspiel und illegaler Alkoholverkauf in St. Louis lange Zeit ein besonderes Übel waren. Und wie ist das gelungen? Mit einem Deal, er machte aus den Mafiosi Polizisten samt ihren Chefs. Und aus war es mit Glücksspiel und – zumindest sichtbar – mit dem Alkohol. Letzteres stellten wir auf die Probe: Der nächste Taxichauffeur holte unter seinem Sitz eine Whiskyflasche hervor, als wir ihn danach fragten.

      Wieder etwas gelernt.

      In Kansas City unternahm ein Kollege mit mir eine Rundfahrt durch die Stadt. Und er zeigte mir etwas Unerwartetes: den kleinen Fluss, der in einem überdimensionalen Flussbett aus dickem Beton durch die Stadt rieselte, ebenso überdimensionale Stadien für Football und andere Sportarten aus Beton, ein Open-Air-Theater, auf dessen Bühne eine Wildwestszene mit einer vierfach bespannten Postkutsche, fünf Dutzend Cowboys und Indianern einschließlich großer Schießerei live über die Bühne ging. Auch diese Bühne und die große Zuschauerarena waren aus dickem Beton.

      Dann hörte ich die Geschichte: Die Werke, von denen dieser Beton stammte, gehörten einem Mann namens Pendergast. Er wurde mit diesen und vielen anderen Bauten sehr reich. Mit dem Reichtum förderte er Politiker. Einen besonders: Harry S. Truman, der zuerst Senator und im Jahr 1944 Vizepräsident der USA wurde. Ein Jahr später starb Präsident Roosevelt und Truman wurde sein Nachfolger. Ein mutiger und bedeutender Präsident: In seiner Ära wurde der Marshallplan geschaffen, in Korea trat er den Kommunisten militärisch entgegen, er schützte Westberlin und wohl auch Österreich. Aber vorwärts kam er durch die reichlichen Zuwendungen für seine Wahlkämpfe durch Pendergast. Ob zufällig oder nicht gar so zufällig, wurde Pendergast an dem Tag, als Truman überraschend Präsident wurde, von der Polizei angehalten und über Nacht in eine Zelle gesperrt. In der er am nächsten Morgen leider tot aufgefunden wurde.

      So die Geschichte, die ich von dem Kollegen hörte. Als ich sie jetzt durch das Internet überprüfen wollte, stieß ich auf Hinweise und Bücher, in denen diese Theorie zurückgewiesen und denen zufolge die Verbreiter der Geschichte wegen Verleumdung angeklagt worden seien. Doch heute gibt es für mich keinen Zweifel, dass die amerikanische Politik in einem sehr hohen Maß vom Geld abhängt. Von den Zuwendungen, die mächtige Konzerne und reiche Interessengruppen den einzelnen Politikern gewähren. Und erst vor kurzer Zeit entschied der auch parteipolitisch dominierte Oberste Gerichtshof der USA, dass finanzielle Wahlzuwendungen in jeder Höhe und ohne Einschränkung gesetzlich erlaubt seien. Wer in Amerika gewählt werden will, benötigt viel Geld, erhält aber nur wenig von der Partei, für die er antritt. Er muss Geld von Sponsoren auftreiben und für alles bezahlen, für Werbespots im Radio und im Fernsehen, für Wahlinserate in den Zeitungen, für alle Veranstaltungen, für die Wahlreisen und die Wahlhelfer. Je mehr davon, desto größer seine Chancen, gewählt zu werden, aber auch sein Geldbedarf. Die Lobbyisten rund um die Abgeordneten und Senatoren im Kongress sind sonder Zahl. Die Geschichte Pendergasts erscheint mir daher gar nicht so absonderlich.

      Das war Kansas City. In Memphis waren wir über die damals noch existierende strenge Trennung von Weißen und Schwarzen und der ganz offensichtlichen schweren Diskriminierung der Schwarzen geschockt. Viele Lokale verwehrten ihnen den Zutritt, im Autobus hatten sie auf den hinteren Sitzen Platz zu nehmen, im Kino auf dem meist sehr heißen, weil noch nicht klimatisierten Balkon, in der Eisenbahn in den jeweils für »Negroes« gekennzeichneten Waggons und auch die Schulen waren streng nach Rassen getrennt mit deutlichem Niveauunterschied.

      Otto Schönherr und ich beschlossen, uns anzusehen, wo die Schwarzen – heute werden sie Afroamerikaner genannt – wohnten und wie es dort aussah. Das nannte man damals Slum, und Slum stand für Verwahrlosung. Durch einen solchen Slum wanderten wir nun. Und fürs Erste waren wir überrascht. Viele Schwarze lebten in kleinen Häusern mit offener Veranda. Vor den Häusern standen Autos. In den Häusern gab es Fernsehgeräte und Kühlschränke. Für unsere Verhältnisse in Österreich recht unerwartet. Das erzählten wir dann auch unseren Kollegen bei der Zeitung.

      Die waren überrascht, dass wir das erstaunlich fanden, und sie hatten eine Erklärung dafür: Die Häuser seien filigran und meist baufällig, die Autos sehr alt, ebenso wie die Fernsehgeräte und Kühlschränke, daher billig oder beinahe umsonst zu haben. Nein, diese Menschen lebten nicht in guten Verhältnissen. Und das Schlimmste waren die Schulen, die ihnen zur Verfügung standen, kaum eine davon eine Mittelschule. All das und vieles mehr prangerten die Kollegen vom »Memphis Commercial Appeal« an.

      So lernten wir unsere Lektion. Verstanden dann aber Jahre später auch, was Martin Luther King für die Schwarzen bedeutete und was Präsident Lyndon B. Johnson mit seinem Programm der »Great Society« in den USA bewegte, angefangen damit, dass die Schulkinder in manchen Südstaaten von der Nationalgarde bewacht in die gemeinsamen Schulen gebracht wurden. Nein, die School of Journalism hatte uns dieses Training in Tennessee nicht zufällig zugedacht.

      Bemerkenswert auch, was wir in Cleveland vorfanden. Nicht die Zeitung selbst, die »Cleveland Press«, sondern

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