Maigret und das Gespenst. Georges Simenon
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Читать онлайн книгу Maigret und das Gespenst - Georges Simenon страница 5
»Nein, danke. Heute Nacht also haben Sie geschlafen, als …«
»Ja. Ich habe eine Stimme gehört. Man bat mich, die Tür zu öffnen.«
»Wissen Sie, wie spät es da war?«
»Mein Wecker hat Leuchtziffern. Zwanzig nach zwei.«
»Handelte es sich um einen Ihrer Mieter, der rauswollte?«
»Nein. Es war der Herr …«
Sie machte ein verlegenes Gesicht, wie jemand, den man zu einer Indiskretion zwingt.
»Welcher Herr?«
»Der, auf den geschossen wurde.«
Maigret und Lapointe blickten sich verblüfft an.
»Sie meinen Inspektor Lognon?«
Sie nickte und sagte:
»Man muss der Polizei alles sagen, nicht wahr? Eigentlich spreche ich nicht über meine Mieter, über das, was sie tun, oder darüber, wer sie besucht. Ihr Privatleben geht mich nichts an. Aber nach dem, was geschehen ist …«
»Kennen Sie den Inspektor schon lange?«
»Ja, seit Jahren, seit wir hier wohnen, mein Mann und ich … Aber ich kannte seinen Namen nicht … Ich wusste, dass er von der Polizei ist, denn er war mehrmals bei mir in der Loge gewesen, um die Identität von irgendwelchen Leuten zu überprüfen … Er war nicht gerade gesprächig …«
»Wann haben Sie ihn näher kennengelernt?«
»Als er begonnen hat, mit dem Fräulein im vierten Stock zu verkehren …«
Diesmal verschlug es Maigret die Sprache, und auch Lapointe konnte das kaum fassen. Polizisten sind nicht unbedingt Heilige, Maigret wusste sehr wohl, dass es auch bei der Kriminalpolizei so mancher mit der ehelichen Treue nicht sehr genau nahm.
Aber Lognon! Dass Inspektor Griesgram mitten in der Nacht eine junge Frau besuchte, kaum zweihundert Meter von seiner eigenen Wohnung entfernt!
»Sind Sie sicher, dass es sich um denselben Mann handelte?«
»Den kann man ja wohl kaum verwechseln!«
»Geht das schon lange so, dass er … diese Person besucht?«
»Seit zwei Wochen etwa.«
»Er ist also eines Abends mit ihr hinaufgegangen?«
»Ja.«
»Hat er sein Gesicht verborgen, als er an der Loge vorbeikam?«
»So wirkte es zumindest.«
»War er oft da?«
»Fast jeden Abend.«
»Ging er sehr spät wieder weg?«
»Anfangs, ich meine, in den ersten drei oder vier Tagen, ging er kurz nach Mitternacht … Dann ist er länger geblieben, bis zwei oder drei Uhr morgens …«
»Wie heißt diese Frau?«
»Marinette … Marinette Augier. Ein hübsches Mädchen, fünfundzwanzig Jahre alt, gut erzogen.«
»Hat sie häufig Männerbesuch?«
»Ich glaube, ich kann die Frage beantworten, denn sie hat nie ein Hehl daraus gemacht … Ein Jahr lang hat sie zwei- oder dreimal die Woche einen attraktiven jungen Mann empfangen, ihr Verlobter, wie sie mir sagte …«
»Blieb er über Nacht?«
»Sie werden es ja doch erfahren … Ja … Als er nicht mehr gekommen ist, wirkte sie traurig. Eines Morgens, als sie die Post holte, habe ich sie gefragt, ob sie die Verlobung gelöst hätten, und sie hat mir geantwortet:
›Ach, meine gute Angèle, sprechen wir nicht mehr darüber. Die Männer sind es nicht wert, dass man sich ihretwegen den Kopf zerbricht …‹
Sie scheint ihm aber nicht lange nachgetrauert zu haben, denn bald war sie wieder ganz vergnügt … Sie ist ein sehr fröhliches, gesundes Mädchen …«
»Arbeitet sie?«
»Sie ist Kosmetikerin in einem Schönheitssalon in der Avenue Matignon, wie sie mir gesagt hat. Das erklärt, warum sie immer so gepflegt ist und so geschmackvoll gekleidet.«
»Und ihr Freund?«
»Der Verlobte, der nicht wiedergekommen ist? Er war etwa dreißig Jahre alt. Ich weiß aber nicht, was für einen Beruf er hatte. Ich kenne nur seinen Vornamen. Für mich war er Monsieur Henri. Diesen Namen nannte er, wenn er nachts an der Loge vorbeiging.«
»Wann haben sich die beiden getrennt?«
»Im letzten Winter kurz vor Weihnachten.«
»Und danach hat dieses Fräulein also … Wie heißt sie? Marinette?«
»Marinette Augier.«
»Danach hat dieses Fräulein also fast ein Jahr keinen Besuch mehr gehabt?«
»Nur von ihrem Bruder, hin und wieder. Er wohnt mit seiner Frau in einem Vorort und hat drei Kinder.«
»Und vor etwa zwei Wochen ist sie dann abends in Begleitung von Inspektor Lognon nach Hause gekommen?«
»Wie gesagt …«
»Und seither ist er jeden Tag hergekommen?«
»Außer sonntags, zumindest habe ich ihn da weder rein- noch rausgehen sehen.«
»Tagsüber kam er nie?«
»Nein. Aber da fällt mir etwas ein. Eines Abends, als er wie gewöhnlich gegen neun Uhr kam, bin ich ihm hinterher, ehe er die Treppe hinaufging, und habe gesagt:
›Marinette ist nicht zu Hause.‹
›Ich weiß‹, hat er geantwortet. ›Sie ist bei ihrem Bruder.‹
Er ist dennoch hoch, ohne zu erklären, warum. Daraus habe ich geschlossen, dass sie ihm den Schlüssel gegeben hatte.«
Jetzt verstand Maigret, warum Inspektor Chinquier nach oben gegangen war.
»Ist Ihre Mieterin zu Hause?«
»Nein.«
»Ist sie bei der Arbeit?«
»Das weiß ich nicht, aber als ich ihr schonend beibringen wollte, was passiert ist …«
»Wann?«
»Nachdem ich die Polizei gerufen hatte.«
»Also noch vor drei Uhr morgens?«
»Ja.