Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Sir Arthur Conan Doyle

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Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Sir Arthur Conan Doyle

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ersteren Fall war eine grössere Entfernung zurückzulegen.“

      „Aber dies gilt auch von dem Brief.“

      „Dann werde ich nicht klug daraus.“

      „Es liegt wenigstens die Vermutung nahe, dass der Mann oder die Männer an Bord eines Seglers sind. Fast scheint es, sie schicken ihre eigentümliche Warnung oder ihr Zeichen voraus, sobald sie sich auf den Weg machen, um ihre Absicht auszuführen. Du siehstm wie rasch die That auf den Brief aus Dundee folgte. Wären die Leute auf einem Dampfer von Ponditscherri gekommen, so würden sie fast zugleich mit ihrem Brief angelangt sein. Es steht aber fest, dass sieben Wochen dazwischen verstrichen. Mir scheint, diese sieben Wochen bilden den Unterschied in der Zeit zwischen der Fahrt des Postdampfers, der den Brief beförderte, und dem Segler, der den oder die Schreiber brachte.“

      „Das ist möglich.“

      „Mehr als das — es ist wahrscheinlich. Und nun begreifft du die Dringlichkeit dieses neuen Falles und weshalb ich den jungen Openshaw zur Vorsicht ermahnte. Der Schlag fiel stets, wenn die Zeit um war, deren der Absender bedurfte, um selbst die Entfernung zurückzulegen. Der letzte Brief kommt aus London, und so ist nicht auf Aufschub zu rechnen.“

      „Grosser Gott!“ rief ich aus, „was mag diese erbarmungslose Verfolgung bedeuten?“

      „Sichtlich sind die Papiere, welche Openshaw besass, der Person oder den Personen auf dem Segler von grösster Wichtigkeit. Offenbar sind es ihrer mehrere. Ein Mann allein hätte schwerlich zwei derartige Mordthaten auszuführen vermocht. Es müssen entschlossene, verwegene Leute sein. Sie wollen ihre Papiere — mag sie haben, wer da will. Wie mir scheint, sind diese drei K nicht sowohl die Anfangsbuchstaben eines Einzelnen, als das Kennzeichen einer Verbindung — aber welcher Verbindung? — Hast du nie,“ fragte Sherlock Holmes, sich vorbeugend und leiser sprechend, „vom Ku-Klux-Klan reden hören?“

      „Niemals.“

      Holmes blätterte in dem Buche auf seinem Knie. „Da ist’s,“ sagte er:

      Ku-Klux-Klan. Das Wort kommt von der sonderbaren Aehnlichkeit seines Klanges mit dem Spannen einer Feuerwasse. Dieser schreckliche Geheimbund wurde von einigen exkonföderierten Soldaten in den Südstaaten nach dem Bürgerkrieg geschlossen, und schnell verzweigte er sich in verschiedenen Gegenden, besonders in Tennessee, in Louisiana, Carolina, Georgia und Florida. Seine Macht diente politischen Zwecken, hauptsächlich dazu, die Neger-Wähler, welche für die Stimmberechtigung der Neger eintraten, zu terrorisieren und diejenigen zu morden oder aus dem Lande zu treiben, die sich den Prinzipien der geheimen Gesellschaft widersetzten. Ihren Gewaltthaten ging meist eine Warnung an das ausersehene Opfer voraus, ein phantastisches, leicht zu erkennendes Zeichen — ein Büschel Eichenlaub in manchen Gegenden, in anderen Melonen- oder Apfelsinenkerne. Nach Empfang solcher Warnung musste der Betreffende entweder seine Gesinnung ändern oder die Gegend schleunigst verlassen. Bot er Trotz, so war er unrettbar verloren, und der Tod ereilte ihn meist auf sonderbare, unerwartete Weise. Die Organisation der Verbindung war so vollendet, ihre Methode so systematisch, dass sich kaum von einem Fall berichten lässt, wo es einem Menschen gelungen wäre, sich ihr ungestraft zu wiedersetzten oder die Urheber zu ermitteln. Viele Jahre hindurch nahm der Bund einen immer grösseren Aufschwung trotz aller Anstrengungen der Regierung wie der angesehensten Bürger im Süden. Im Jahr 1869 geriet er aber ganz plötzlich in Verfall, und nur vereinzelt kamen von jener Zeit an noch durch ihn verübte Gewaltthätigkeiten vor.

      „Beachte wohl,“ sagte Holmes, das Buch beiseite legend, „dass das plötzliche Aufhören dieses Geheimbundes mit der Zeit zusammenfällt, wo Openshaw mit jenen Papieren Amerika verliess. Wer weiss, ob nicht Ursache und Wirkung hier nahe bei einander liegen. Da wäre es kein Wunder, wenn einzelne der Unversöhnlichsten es auf ihn und seine Familie abgesehen hätten. Du begreifst, was von diesen Registern und Notizen für manche hochgestellte Persönlichkeit in den Südstaaten abhängen kann, und dass da mancher nicht ruhig schläft, ehe die Papiere wieder herbeigeschafft sind.“

      „Demnach enthielte das Blatt, das wir gesehen haben . . .“

      „Was zu erwarten stand. Irre ich nicht, so hiess es dort: ,Die Kerne wurden zugestellt an A, B und C,‘ — das bedeutet so viel wie: die Warnung der Verbindung wurde ihnen zugeschickt. Dann folgten Angaben, wonach sich A und B rechtfertigten oder auswanderten, C aber nahm, wie ich fürchte, ein schlimmes Ende. Ich hoffe, Doktor, es wird uns gelingen, den Schleier dieser dunkeln Geschichte zu lüften; einstweilen aber kann der junge Openshaw nichts thun, als was ich ihm riet. Heute ist alles weitere Reden und Handeln überflüssig — darum reiche mir meine Geige! Wir wollen versuchen, auf eine halbe Stunde das garstige Wetter und das noch garstigere Gebaren unserer Mitmenschen zu vergessen.“

      Der Himmel hatte sich am nächsten Morgen aufgehellt, und in gedämpfter Klarheit schien die Sonne durch den grauen Schleier, der gewöhnlich über der Grossstadt schwebt.

      Sherlock Holmes frühstückte bereits, als ich herabkam.

      „Entschuldige, dass ich nicht gewartet habe,“ sagte er, „voraussichtlich bekomme ich heute für den jungen Openshaw tüchtig zu thun.“

      „Was sind deine ersten Schritte?“

      „Die hängen vom Ergebnis meiner ersten Erkundigung ab. Vielleicht muss ich doch nach Horsham.“

      „So fängst du nicht damit an?“

      „Nein, mein erster Weg ist nach der City. — Klingle gefälligst. Das Mädchen bringt dir den Kaffee.“

      Während ich wartete, warf ich einen Blick in die noch ungelesene Zeitung; er fiel auf einen Bericht, bei dem es mich kalt überlief.

      „Holmes!“ rief ich aus, „du kommst zu spät.“

      „Was?“ sagte er und stellte die Tasse hin. „Ich befürchtete es schon! Wie ist’s geschehen?“ Er sprach gelassen, doch sah ich, dass er tief erschüttert war.

      Ich hatte den Namen Openshaw gelesen und darüber stand: ,Tragödie ander Waterloo-Brücke.‘ Da ist der Bericht.

      Gestern abend zwischen neun und zehn Uhr vernahm der Schutznmann Cook von der Division H., bei der Waterloo-Brücke stationiert, einen Hilferuf und einen Fall ins Wasser. Die Nacht war so stürmisch und finster, dass trotz der Hilfe mehrerer Vorübergehenden jegliche Rettung unmöglich blieb. Die Stadtpolizei wurde alarmiert, und es gelang, der Körper herauszuziehen. Der Ertrunkene ist ein junger Mann, Namens John Openshaw, wohnhaft zu Horsham, wie sich aus einem Briefumschlag erwies, den er in seiner Tasche trug. Es ist anzunehmen, dass er zum letzten Zug an die Waterloo-Station wollte; bei seiner Hast und der ausserordentlichen Dunkelheit hat er wohl den Weg verfehlt und ist auf einen der schmalen Stege geraten, die den Flussdampfern zur Landung dienen. Der Leichnam trug keine Zeichen der Gewaltthat, und so war der Verstorbene also offenbar das Opfer eines Unglücksfalles, durch den sich die Behörden veranlasst sehen sollten, ihre Aufmerksamkeit auf den Zustand der Landungsstellen am Fluss zu lenken.“

      Stumm sassen wir beisammen, Holmes war niedergedrückter, als ich ihn je gesehen.

      „Das verletzt meinen Stolz, Watson,“ sagte er endlich. „Es mag ein kleinliches Gefühl sein — aber es verletzt meinen Stolz. Jetzt betrachte ich die Sache als meine persönliche Angelegenheit, und erhält mich Gott gesund, so soll mir diese Bande nicht entgehen. — Bei mir suchte er Hilfe, und ich — ich schicke ihn in den Tod!“ Er sprang auf und rannte erregt im Zimmer hin und her; seine fahlen Wangen waren gerötet, und mit nervösem Zucken öffneten und schlossen sich seine langen, schmalen Hände.

      „Das

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