Pinien sind stumme Zeugen. Will Berthold

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Pinien sind stumme Zeugen - Will Berthold

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tust du doch auch, James, wenn’s darauf ankommt«, kontert Ginty.

      »Das tut in einem solchen Fall jeder, der etwas von seinem Handwerk versteht«, räumt der CIA-Gewaltige ein. »Aber nicht jeder führt in seinem Reisegepäck sechzigtausend Dollars im Nennwert von je fünftausend Greenbacks mit sich …«

      »Du meinst, Steel hat einen Koffer voll Geld bei sich gehabt?«

      »Zwölf Madisons, soeben einbezahlt bei einer Filiale der ›Chase Manhattan« in New York.«

      »Und das waren Lardos?« fragt Ginty heftig.

      »Mal den Teufel nicht an die Wand!« dämpft der Partner seinen Unmut. »Bis jetzt haben wir es ja nur mit gefälschten Fünfzig- und Hundert-Dollar-Noten zu tun. Aber du mußt doch zugeben, daß es ziemlich ungewöhnlich ist, wenn ein kleiner Captain mit soviel Geld über den Atlantik fliegt.«

      »Ich hab’ dir ja gesagt, daß Bob ein höchst ungewöhnlicher Mann ist.«

      »Aber bevor ich deinem Old Fellow Vollmachten anvertraue, vor denen mir selbst schwindlig wird, sehe ich ihn mir mindestens dreimal an«, erklärt der CIA-Vice. »Heute mittag haben wir ihn hier. Ob meine letzte Kontrollmaßnahme bis dahin abgeschlossen ist oder nicht – ausquetschen werden wir ihn in jedem Fall.«

      Bankgeheimnisse, zumal schweizerische, sind zwar vor der Steuerfahndung dicht, aber ein Geheimdienst, der in einem solchen Fall nicht hintenherum die Indiskretion schafft, taugt nichts. Kurz nach Mitternacht Ortszeit meldet sich der CIA-Außen-Agent Gellert telefonisch aus Zürich: »Ich hab’s, Sir«, sagt er. »Unser Mann hat tatsächlich eine mütterliche Erbschaft gemacht, als Teilhaber einer Erbengemeinschaft, und zwar schon vor einem halben Jahr. Das Geld verwahrte er auf einem Konto der ›Nobis‹-Bank in Zürich. Ein Bankbeamter hat sich deshalb genau an diesen Vorgang erinnert, weil unser Mann unbedingt die Summe in Form von zwölf Madisons ausbezahlt haben wollte und die Bank einige Schwierigkeiten hatte, so große Scheine in Zürich aufzutreiben.«

      »Laß dich vergolden, Frankie«, schließt Partaker das Gespräch.

      Captain Robert S. Steel, in wenigen Stunden Major Steel, hat die letzten Bedenken des CIA-Gewaltigen zerstreut.

      Der Tag, in den die Hitze der Nacht mündet, ist noch jung und kühl. Bob Steel fröstelt einen Moment, als er sich nackt aus den Armen der Schlafenden löst und auf seine Armbanduhr sieht: sieben Uhr dreißig, New Yorker Zeit, zu früh noch, um aufzustehen, zu spät eigentlich, um Gipsy aufzuwecken und anzuheizen. Ein Spalt in der Fensterjalousie malt Längsstreifen in ihr Gesicht, Licht und Schatten – sie ist ohnedies eine Frau mit Atmosphäre. Die Haare der schwarzen Madonna sind zerwühlt, ihr Gesicht wirkt glatt und sanft wie die Oberfläche eines Bergsees bei Windstille.

      Schon während des Flugs hatten die beiden einander eingeheizt und gespürt, daß einer zum Brandstifter des anderen werden könnte, und so war der Mittdreißiger auf einen nächtlichen Ausbruch der Sinnlichkeit gefaßt gewesen. Trotzdem wurde er dann doch von den Eruptionen eines Vulkans überrumpelt. Steel mochte Frauen; Frauen waren sein Fall, nicht selten auch sein Sündenfall. Er schätzte die Abwechslung, aber über der Nachfolgerin vergaß er selten die Vorgängerin. Jetzt, da er im Katalog seiner Vergangenheit blättert, tut er sich schwer damit, eine ebenbürtige Matratzen-Matadorin zu finden.

      Er lotet die Schlafende aus; sein Blick wird zum Nimmersatt. Ist er bereits verliebt? So genau kann er es nicht analysieren. Bislang ist er immer mit Bravour in Affären hineingestolpert, um sich schon bald mit Fraktur wieder herauszuwinden – ein Blessierter der Gewohnheit. Irgendwie spürt Steel, aufgewühlt wie beglückt, daß ihm diese Frau aus Philadelphia womöglich mehr bedeuten könnte als seine bisherigen Eintagsliebchen.

      »Schuft!« sagt sie. »Du vergleichst mich bereits mit anderen …«

      »Du bist doch unvergleichlich«, entgegnet er. »Seit wann unterschätzt du dich?«

      »Wir müssen verrückt sein«, plaudert Gipsy, noch etwas schlaftrunken. »Du genauso wie ich.«

      »Verrückt aufeinander, Mrs. Sandler.«

      »Nenn mich nicht Mrs. Sandler«, versetzt die schwarze Madonna und gähnt. »Nenn mich deine Partnerin, Gespielin, Geliebte oder ganz einfach deine Reisebekannte mit dem nervösen Unterleib …«

      »Am Morgen auch?« fragt Steel und zieht sie an sich.

      Gipsy macht sich steif. »Nein, nicht schon wieder«, wehrt sie ihn ab. »Kannst du nicht einmal ernsthaft sein? Außerdem mußt du doch nach Washington …«

      »Das Pentagon ist weit, doch du bist nah«, entgegnet er, bereits leicht außer Atem. »Und wenn wir nicht so lange herumreden, sondern zur Tat …«

      »Ich bin gegen Quickies«, versetzt sie. »Vor allem am Morgen – nein, überhaupt bin ich dagegen.«

      »Ich auch«, versichert Steel, »aber nicht wenn Not am Mann ist. Weißt du, daß sich Tiger alle zwölf Minuten miteinander paaren – drei Tage lang?«

      »Du Bestie!« entgegnet Gipsy. Sie gähnt demonstrativ. »Mußt du denn um diese Zeit schon so munter sein?«

      »Ich bin Frühaufsteher«, erklärt er.

      »Ich dachte, du seist ein Nachtmensch.«

      »Beides«, erwidert Steel. »Ich brauche nicht viel Schlaf, und der frühe Tagesbeginn ist eigentlich die einzig bewiesene Art, sein Leben wirklich zu verlängern.«

      »Eine gräßliche Philosophie, Bob«, entgegnet Gipsy.

      Sie schnellt hoch und stürzt sich auf ihn.

      Steel fängt sie auf.

      Der Funke springt sofort über, wird zum Lauffeuer auf der Haut. Ihre Körper foltern und mögen sich. Das Karussell dreht sich im wilden Morgentaumel, zwei, die sich ineinander verkrallt haben, wirbeln herum: Washington, der Flug, die Beförderung, der Kriegsminister – nichts kann das Karussell anhalten. Und Colonel Wringler, der uniformierte Frühstücksdirektor, der ihn vom ›Plaza‹ abholen wird, soll warten.

      Sie liegen erschöpft in den Kissen.

      Bob Steel sieht wieder auf die Uhr. Inzwischen ist es wirklich Zeit, aber er verlängert noch einmal um ein paar Minuten, nicht nur weil er eine Schnaufpause nötig hat.

      Sie liegen nebeneinander, ihre Herzen schlagen wieder ruhig, keiner sagt ein Wort.

      In Mrs. Sandlers Apartment klingelt das Telefon. Laut, aufdringlich.

      »Laß«, sagt Gipsy.

      Als Bob Anstalten macht, abzuheben, nimmt sie ihm den Hörer aus der Hand. »Nein, jetzt nicht«, wehrt die Werbedame einen Anrufer verärgert ab. »Auf keinen Fall. Ich verbitte mir künftig wirklich jede Störung um diese Zeit. Ich ruf später zurück – wenn ich ausgeschlafen habe.«

      Sie legt den Hörer auf, teils verlegen, teils wütend.

      »Schon wieder der Promotion-Direktor deiner Scheißfirma?« fragt der Liebhaber ironisch.

      »Wirklich ein aufdringlicher Mensch«, behauptet Gipsy, »wenn auch ein großzügiger.«

      »Trage ich vielleicht schon ein Geweih?«

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