Pinien sind stumme Zeugen. Will Berthold
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Читать онлайн книгу Pinien sind stumme Zeugen - Will Berthold страница 3
»Aber wir sind nicht schlecht miteinander gefahren, oder?« versetzt der CIA-Vice.
Der FBI-Mann nickt zustimmend.
»Wir sollten uns wirklich öfter sehen, Craig …«
»Nichts dagegen«, erwidert der Pausbäckige. »Aber seit wann hast du soviel Zeit?«
»Wir brauchen uns diesbezüglich nichts vorzuwerfen«, erwidert der Gastgeber. »Aber das muß sich künftig ändern. Ich hab’ durch Zufall dieses Lokal entdeckt, und ich kenne deine Vorliebe für italienische Spezialitäten.« Er lächelt süffisant. »Ich will dir unbedingt diese ausgezeichneten Cannelloni auf sizilianisch vorführen, gefüllt mit delikater Geflügelleber, raffiniert gewürzt. Ich wette, du hast noch nie bessere gegessen.«
»Danke, Skinny«, entgegnet der Freund, ein Vielfraß und doch ein Feinschmecker, auch wenn er fürchten muß, daß sich Partakers Delikatessen hinterher wieder auf den Magen schlagen.
Wenn ein FBI-Mitglied und ein CIA-Mann an einem Tisch sitzen, kann man meistens davon ausgehen, daß einer den anderen hereinlegen will. Die Bundespolizei ist bei bestimmten Verbrechen für das Gebiet der Vereinigten Staaten zuständig, der Geheimdienst für das gesamte Ausland. Überschneidungen sind unvermeidbar, Kompetenzgerangel ist an der Tagesordnung. Das FBI hält sich zugute – nicht ganz zu Unrecht – daß es 23 Jahre älter ist als die Agency, in der alle bisherigen US-Geheimdienste unter einen Hut gebracht wurden.
Solcherlei Schwierigkeiten gibt es zwischen Partaker und Ginty nicht. Der CIA-Mann hatte seinen Kumpel während des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien durch einen verzweifelten Fallschirmeinsatz herausgeholt, als serbische Cetnici begonnen hatten, ihn zu Tode zu foltern. Ein knappes Jahr später konnte sich der heutige FBI-Spezialist dafür revanchieren, als er den total erschöpften und zum Skelett abgemagerten Partaker aus einer Falle in Oberitalien befreite. Seitdem hat der CIA-Vice den Spitznamen Skinny, der Hautige, aber nur ganz wenige Vertraute dürfen ihn so nennen.
Der Padrone serviert die Cannelloni selbst; sie halten, was der Gastgeber versprochen hat. Dazu gibt es einen rubinroten, mindestens drei Jahre alten Chianti vecchio, eine Rarität in einem Land, in dem weit mehr Whisky getrunken wird als Rotwein.
»Als Hauptgericht habe ich noch herrliche Kalbsmedaillons in Vernaccia mit Reistörtchen in Norcia-Trüffeln geordert«, verheißt der Gastgeber.
»Slow down«, erwidert Ginty lachend, »so weit sind wir noch nicht.« Er verlangt zum Entzücken des Padrone in italienischer Sprache noch eine halbe Portion Cannelloni, ißt mit verklärtem Gesicht und schnalzt anerkennend nach jedem Schluck Chianti.
Partaker verfolgt belustigt, wie er den alten Gefährten genau in die Stimmungslage versetzt, die er beim Dessert zerstören muß. Im Rahmen der Nachrichten bringt das Radio halblaut eine Wahlkampfübertragung. Wieder schlägt Harry S. Truman, der kleine Mann im Weißen Haus, nach allen Seiten wild um sich, weder mit Beleidigungen noch Kraftausdrücken sparend, trifft er auch unter die Gürtellinie, wenn er gegen seinen Rivalen Thomas Dewey loszieht.
»Give them the hell, Harry« schreien rasende Parteigänger, aber alle Vorzeichen deuten darauf hin, daß ihm eher der Gegenkandidat die Hölle heiß machen wird.
»Truman hat keine Chance«, stellt der FBI-Dezernent zwischen Vorgericht und Hauptgang fest. »Eigentlich schade. Er machte gar keine so schlechte Figur, als er den politischen Schutt seines Vorgängers auf die Seite räumen mußte.«
»Richtig«, bestätigt Partaker. »Dabei war er von Roosevelt von allen wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen gewesen. Truman wußte nicht einmal etwas über das ›Manhattan-Projekt‹.«
»Was ihn nicht hinderte, die Atombombe dann gegen die Japaner einzusetzen«, erwidert Ginty und fährt sich mit der Hand durch die schütteren Haare.
»Um – wie er erklärte – durch ein rasch herbeigeführtes Kriegsende das Leben zahlloser Amerikaner und Japaner zu schonen«, stellt der CIA-Vice fest.
»Politiker und Militärs berufen sich immer auf die Menschlichkeit«, versetzt Ginty mit vollem Mund und faulem Lächeln, »wenn sie befehlen, im Hunterttausend zu töten.« Einen Moment lang droht seine gute Laune zu kippen, aber die Medaillons sind im Anmarsch, und der Wirt bestätigt, daß ihm der Chianti vecchio so schnell nicht ausgehen wird.
Zwischendurch kommt Partaker behutsam zur Sache: »Hatte man dich nicht nach dem Krieg vorübergehend vom FBI als Flaschgeldspezialist an eine Sonderkommission der US-Army in Europa ausgeliehen?«
»Zusammen mit Herbie Miller. Weißt du, daß er vor ein paar Monaten tödlich verunglückt ist?«
»Ich hab’ davon gehört …«
»Es war damals eine irrsinnige Geschichte …« Partaker braucht den Freund nicht zu nötigen; er spricht bereitwillig über das Abenteuer seines Lebens. »Die letzten Kriegstage waren angebrochen. Unsere Panzerspitzen hatten bereits Salzburg erreicht und stießen in Richtung Steiermark vor. Nur die Staus auf den Straßen hielten sie vorübergehend noch auf. Von der anderen Seite kamen die Russen. Die ›Festung Alpenland‹, ohnedies nur ein Bluff, war bis auf ein paar Quadratkilometer im Ausseer Land zusammengeschrumpft.« Er inhalierte eine Zigarette, ohne sie anzuzünden. »Der Sieg war gelaufen, da geschah etwas völlig Verrücktes: Der letzte Rest des Dritten Reiches war auf einmal mit britischen Pfundnoten aller Nennwerte übersät, die, wie Manna vom Himmel gefallen waren. An der Oberfläche des Toplitzsees standen sie dicht wie Seerosen: Fünf, zehn, fünfzig, hundert, fünfhundert und tausend Pfund Sterling Scheine. Britische Banknoten trieben die Enns hinab, den Russen und der Donau entgegen. Es verbreitete sich das Gerücht, daß es sich um ausgelagerte Devisen-Bestände der Deutschen Reichsbank handele; und nun wurde Fischen zum Volkssport: Kinder sprangen ins kalte Wasser, Hausfrauen warteten mit Eimern an den Ufern. Die Schatzsucher standen oft schon in den nächsten Ortschaften bereit, bevor das Strandgut herangetrieben wurde. Die Gier explodierte, Hunger, Not, Zukunftsangst und Vergangenheitsscham waren vergessen. Kinder, Frauen, Greise füllten sich die Taschen, als könnten sie sich mit den erbeuteten Scheinen in Siegerwährung von allem freikaufen. Auch Soldaten der Roten Armee betätigten sich als Goldgräber, wurden zu Kapitalisten, Habenichtse als Millionäre für zwei, drei Tage …«
»Und das waren alles Blüten?«
»Klar, aber nicht zu unterscheiden von echten Pfundscheinen. Die Briten wußten das seit längerem; sie hatten sehnlichst auf das Kriegsende gewartet, um das schon seit Monaten gedruckte neue Geld auszugeben und den Währungsspuk dadurch zu beenden.«
»Wann haben uns die Engländer über diese Schweinerei informiert?« fragt Partaker.
»Eigentlich überhaupt nicht«, erwidert der FBI-Spezialist. »Genaugenommen haben wir sie auf den Blütenregen zwischen Salzkammergut und Steiermark aufmerksam gemacht«, erinnert sich Ginty. »›Unternehmen Bernhard‹ hatten die Nazis die großangelegte Fälschungsaktion genannt: Englische Pfundnoten hatten als ebenso fälschungssicher gegolten wie unsere Greenbacks. Auf einmal stellte sich heraus, daß von Italien aus via Schweiz und über andere neutrale Länder Millionen wenn nicht Milliarden Pfundblüten aller Größenordnungen vertrieben wurden, ohne daß einer die Fälschung erkannt hätte.«
»Wieso das?« fragt Partaker, als wüßte er es nicht.
»Sie waren nicht von gewöhnlichen Falschmünzern hergestellt worden, sondern von sorgfältig ausgebildeten, mit allen technischen Mitteln unterstützten Staatsfälschern.