Pinien sind stumme Zeugen. Will Berthold

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Pinien sind stumme Zeugen - Will Berthold

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stellt sein Bordcase ab, läßt es aber nicht aus den Augen, so, als enthielte es ein wertvolles Mitbringsel für Mrs. Steel – doch eine solche gibt es nicht. Die elegante Flugtasche birgt nur Geld, Dollars, allerdings in ungewöhnlicher Menge.

      Der Mann, der jetzt über die Bodentreppe geht, ist einen Meter achtzig groß, hat ein schmales intelligentes Gesicht, das einmal geordnet werden müßte, eine hohe Stirn, selbstsichere Augen und Geld wie Heu. Er ist bester Laune, denn er sieht seine Zukunft mit Annehmlichkeiten aller Art tapeziert. Er lächelt fröhlich wie der Junge auf der Zahnpastareklame. Eigentlich ist Robert S. Steel noch immer Offizier der US-Army und müßte auf einem dichtbesetzten Truppen-Transporter die Heimreise antreten, aber er hatte noch ein paar Wochen Urlaub gut und sich entschlossen, auf eigene Kosten und in ziviler Gelassenheit in die Staaten zurückzufliegen. Fünf Jahre Militärzeit sind schließlich genug; die Uniform wird er nur noch ein einziges Mal anlegen: bei seiner offiziellen Verabschiedung.

      Der Heimkehrer verstaut sein Handgepäck vorsichtig, als enthielte es blattfeines Porzellan. Dann überfliegt er lustlos die Schlagzeilen der ›New York Times‹. Professor George Gallup, der Erfinder und Papst der Demoskopie – er verkauft seine Vorhersagen an 162 Zeitungen –, prophezeit als Ausgang der US-Präsidentenwahl eine vernichtende Niederlage für Harry S. Truman. Der Ex-Captain zeigt für diese Prognose nur mäßiges Interesse. Zwar gab es in seinem Leben einmal einen Zeitpunkt, zu dem er überlegte, ob er nicht in der Demokratischen Partei eine Karriere anstreben sollte; inzwischen aber hält er Politik für eine Disziplin von Selbstdarstellern, Illusionisten, Lügnern und Gauklern. Für die Kunst des möglichen Profits. Es hindert ihn aber nicht daran, die Rivalen Truman und Dewey gleichermaßen zu schätzen; den amtierenden Präsidenten, weil er den Augiasstall seines Vorgängers rasch gesäubert, Dewey, weil er sich als Generalstaatsanwalt beim Kampf gegen die Mafia besonders ausgezeichnet hatte, und das zu einer Zeit, in der FBI-Chef Hoover noch immer behauptete, in Amerika gäbe es kein organisiertes Verbrechen; dabei lagen in den obskuren Vierteln New Yorks die Leichen erschossener Gangster auf den Straßen herum wie Müll.

      Die Meldung, die er auf der nächsten Seite unter ›Vermischtes‹ findet, amüsiert ihn: Im Vergnügungspark der schwedischen Stadt Göteborg, einem bevorzugten Tummelplatz für Liebespaare, waren nach Abschluß der Sommersaison bei der Herbstreinigung einige hundert Eheringe gefunden und nicht abgeholt worden. Schwerenöter, nicht treu wie Gold, verfügen meistens über genügend Geld, um sich neue Eheringe anzuschaffen. Meistens gilt: Wer arm ist, bleibt auch treu.

      Zwei Reihen vor ihm schlichtet die Stewardeß den Streit um einen Fensterplatz. Sie hat eine angenehme Stimme, stammt offensichtlich aus New England. Steel beugt sich nach vorn, bekommt aber nicht viel von ihr zu sehen, nur schmale Fesseln und prächtig gewachsene lange Beine in dunkelblauen Nylons. Diesmal kann er nichts dafür, doch sonst ist sein erster Blick auf Frauen und Mädchen oft peinlich beinlich. Er möchte die ganze Bordfee inspizieren, aber sie ist noch immer beschäftigt und es ist mehr von ihr zu hören als zu sehen. Als sie sich Steel schließlich zuwendet, macht er sich klar, daß er ihre Beine mindestens fünf Minuten länger kennt als ihr Gesicht, das ihn keineswegs enttäuscht. Es wird von brünetten Haaren umrahmt. Die Hochgewachsene hat helle Augen und lustige Grübchen und ist perfekt zurechtgemacht.

      Laut Namensschild heißt sie Copperfield.

      »Where are you from?« fragt der Passagier die Stewardeß.

      »From Boston.«

      Steel hat richtig getippt, die Stewardeß ist eine Neuengländerin. Sie bietet ihm wahlweise Bonbons oder Chewing-gum an und stellt dabei fest, daß sich der Passagier noch nicht angegurtet hat.

      »Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?« fragt sie und beugt sich über ihn.

      Der Passagier lächelt und holt mit geübter Hand das Versäumte nach. »Jederzeit«, sagt er dann anzüglich, »aber nicht beim Anschnallen.«

      Die himmelblaue Helferin erfaßt die Zweideutigkeit, wirkt aber keine Spur verlegen. Sie zeigt auch nicht das gefrorene Allerweltslächeln, mit dem sie laut Dienstvorschrift zumindest alle First-Class-Passagiere zu beglücken hat. Entweder ist sie abgehärtet, oder sie hat Sympathie für ihn. Steel ist sich da ganz sicher; bei Frauen ist er kein heuriger Hase. Er gehört zu den Privilegierten seines Geschlechts, die weniger Mühe haben, ihre Gespielinnen in das gastliche Bett zu bekommen, als sie hinterher wieder loszuwerden. Als Captain hat er im Nachkriegsdeutschland gelebt wie Gott in Frankreich. Einer seiner Chefs hatte ihn einmal als Stationsvorsteher eines Verladebahnhofs bezeichnet: Jedenfalls waren seine Züge immer pünktlich abgefahren.

      Er lehnt sich zurück, starrt auf die Piste. Vielleicht ist er auch nur zu sehr von seiner Besatzungszeit in Germany verwöhnt. Er war das letzte Mal vor eineinhalb Jahren in den Staaten gewesen und hatte bei der ›Hallo-Fräulein-Masche‹ gewaltig zurückstecken müssen. Die Prüderie ist drüben so verbreitet wie Coca-Cola oder Cornflakes. Selbst Filme, die das lasterhafte Hollywood produziert, zeigen nie zwei Unverheiratete in einem Bett. Die Moral der Heuchler zwingt ein riesiges Land zu Ersatzbefriedigung oder Duckmäuserei.

      Die Viermotorige jagt über die Startbahn, hebt ab, bohrt ihre Schnauze zielstrebig nach oben, geht mit mächtigem Gedröhn auf Kurs. Über London hängt der Schlechtwetterdunst wie eine Glocke; doch in 1200 Meter Höhe durchstößt die ›Super Constellation‹ die Waschküche. Wie in einem Zaubertrick wölbt sich ringsum der blaue Himmel wie ein riesiges Zelt. Fast gleichzeitig verkündet der Flugkapitän über Bordlautsprecher: »Ladies und Gentlemen, ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß die Schönwetterbrücke voraussichtlich bis New York anhält.«

      Kurz vor dem Bord-Lunch bietet die Stewardeß Erfrischungen an: »What would you like, Mr. Steel?« fragt sie den Passagier mit den provokanten Augen. »Coke, Tea, Orange-Juice?«

      Er schüttelt wie entsetzt den Kopf. »Two Bourbons, please«, ordert er an. »Einen für Sie und einen für mich.«

      »Das ist leider nicht möglich«, entgegnet sie höflich. »Sie wissen doch, daß ich im Dienst nichts trinken darf.«

      »Und was dürfen Sie nach Dienst?«

      »Ausschlafen«, versetzt die Bordfee. »Zwei Tage lang.«

      »In Boston?«

      »Nein, in New York.«

      »Bei einer so hübschen Neuengländerin eine schiere Zeitverschwendung«, fährt der Passagier etwas plump fort. »Würde eine Nacht für den Schönheitsschlaf nicht auch genügen?«

      »Vielleicht«, erwidert Miß Copperfield, »aber ich bin am Ziel der Reise immer ziemlich erschöpft.«

      »Ich werde eine ganze Woche in New York bleiben«, erklärt der Passagier. »Sähen Sie eine Chance, daß wir uns an Ihrem zweiten freien Tag treffen?«

      »Sorry«, entgegnet die Stewardeß. »Ich will meinen Job nicht verlieren; auf Verabredungen mit Passagieren steht fristlose Entlassung.«

      »Bringen Sie mir bitte trotzdem zwei Drinks«, beendet er das Smalltalk.

      Der Ex-Captain ist über die Abfuhr nicht verärgert; für ihn ist sie auch nicht endgültig. Bis Bew York hat er noch viel Zeit zur Fortsetzung seines Flirts. Das First-Class-Abteil im vorderen Teil der ›Super Constellation‹ ist nur mäßig besetzt, so daß fast alle Fluggäste einen Fensterplatz haben. Gelegentlich kommen Gespräche auf und versanden bald wieder. Erst jetzt begegnet der Heimkehrer dem Blick einer adretten Mitreisenden, von der er bisher nur die dunklen Haare gesehen hatte.

      Sie sitzt in der gleichen Reihe auf der anderen Seite.

      Auch

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