Gestillt. Daniel Zindel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gestillt - Daniel Zindel страница 4
nein, bei uns in der Ewigkeit braucht es keine Seelsorge. Damit also auch nicht eine an der eigenen Seele. Gott erfüllt bei uns alles mit seiner Gegenwart. Es gibt bei uns keine Tränen, kein Geschrei, keinen Schmerz12. Ich kann mir nicht einmal mehr vorstellen, was Zahnweh ist oder ein Ehekrach.
Damals, als ich vor der Lade tanzte13, hatte ich für einen Moment einen Vorgeschmack davon, was es heißt, in der Gegenwart Gottes zu leben. Ich war so durch und durch glücklich. Gott zog in unsere Stadt ein. Ich war ganz in Gott verliebt. Im Nachhinein kann ich sogar die Reaktion meiner Frau Michal einordnen. Sie war am Königshof erzogen worden, wusste genau, was sich schickte, und fühlte sich dadurch gedemütigt, dass ich kulturloser Bauerntrampel halbnackt meiner Freude an Gott Ausdruck gab.
Habe darüber mit Paulus gesprochen. Für das damalige Verhalten meiner Frau hat er überhaupt kein Verständnis. Als »Single« – nennt Ihr das nicht so? – hat er ja auch keine Chance, Verständnis für die Komplexität einer Frau zu entwickeln. »Du handeltest damals goldrichtig«, sagte er zu mir, »›man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen‹. Das hat mir einmal ein guter Freund beigebracht, obschon er es in seinem Leben nicht immer konsequent durchgezogen hat.«14 Paulus hat mir sogar dazu gratuliert, dass ich beim Tanzen den himmlischen König wichtiger nahm als mich selbst und die höfische Etikette. Übrigens hat mir mein Schwiegervater Michal dann wieder weggenommen und einem anderen gegeben, sozusagen als Strafaktion, als ich vor ihm auf der Flucht war.
Noch kurz zur Stärkung des Geistes: Wenn Du nahe am Bibelwort bleibst und die Worte der Schrift betend in Dir bewegst, wirst Du merken, dass so etwas wie eine Trennung der Kräfte der Seele und des Geistes stattfindet. Da merkst Du plötzlich: »Aha, hier meldet sich meine Seele. Die ist jetzt wütend, traurig, neidisch, euphorisch oder frustriert, weil meine Arbeit oder gar ich selber zurückgewiesen wurde.« Aber da gibt es noch einen anderen Ort in Dir, den Geist, der ganz Gott zugewandt ist. Dort wohnt Gottes Friede. Dort hörst Du seine Stimme. Bleibe am Wort! Je weniger Du Worte der Bibel intus hast, desto mehr wird das Seelische zur Lokomotive Deines Glaubens. Weißt Du, es kann manchmal so wunderbar emotional oder religiös zu- und hergehen, aber es ist dabei nicht klar, ob der Geist wirkt oder die religiös trainierte Seele. Der innige Umgang mit dem Wort stärkt in Dir das feine Gespür dafür, von welcher Seite her Du bewegt wirst.
Habe ein Thema mit Dir zu besprechen, das wir heute im Café Paradiso diskutiert haben; Paulus war auch dabei, er bestellt meistens eine Granatapfelschorle. Wie kommen bei Euch einige Konfessionen dazu, Frauen predigen zu lassen? Wir verstehen das einfach nicht. Antworte möglichst bald!
Sei herzlich gegrüßt Dein David
P. S.: Lies Deine Bibel bitte genau. Die von Dir erwähnte Stelle stammt nicht aus meinen Gebeten. Aber sie ist trotzdem gut!
Lieber David,
man merkt, dass Du schon längere Zeit in den himmlischen Gefilden logierst. »Nahe am Bibelwort bleiben« oder »die Worte der Schrift betend in sich bewegen«, was meinst Du damit? Wir sollen mehr in der Bibel lesen und Verse auswendig lernen, damit wir sie innerlich wiederholen können, wenn wir gerade den Bus verpasst haben oder sonst warten – am Kopierer bei Papierstau? Meinst Du das?
Ihr versteht nicht, warum bei uns Frauen Pfarrerinnen werden. In der Frage der Ordinierung von Frauen zum Pfarramt bin ich befangen. Meine Nichte, deren Pate ich bin, studiert Theologie. Ich gehöre zu einer Kirche, wo das nicht nur möglich, sondern auch erwünscht ist. Ich meine nicht nur die Ausbildung zur Theologin, sondern auch die Übernahme eines Amtes. Der größere Teil der Christenheit lehnt es jedoch ab, dass Frauen einer Gemeinde vorstehen können. Die größte christliche Kirche verbietet es sogar, dass ein verheirateter Mann Priester wird bzw. dass ein Priester heiratet. Du siehst also, dass da im Laufe der Jahrhunderte in der Entwicklung der Kirchen verschiedene Ausprägungen stattgefunden haben. Sie alle berufen sich dabei auf die biblische Tradition. Die einen auf einzelne Bibelstellen, die anderen mehr auf den Gesamtzusammenhang der Bibel. Bibelstellen (an sich) finde ich nur solche, aus denen man eine Ablehnung der Ordination von Frauen herauslesen könnte. »Die Frau schweige in der Gemeinde. Zu lehren gestatte ich einer Frau nicht«15, so dein Freund Paulus im Originalton. Aber muss man denn alles so wörtlich nehmen? Dann müssten doch konsequenterweise alle Frauen Kopftücher tragen, ohne jeglichen Schmuck einhergehen und einzig als »Gebärmaschinen« ihren Job verrichten. Ich würde einiges darum geben, mit Paulus im Café Paradiso seine Begründung zu diskutieren: »Adam wurde nicht verführt, das Weib wurde vielmehr verführt und ist in Übertretung geraten. Sie wird aber gerettet werden durch das Kindergebären«.16 Gut, es war nicht Adam, der verführt wurde. Aber wo war er gerade in dieser kritischen Zeit. Tummelte er sich mit den Delphinen im Wasser? Jedenfalls war er im entscheidenden Augenblick nicht da.
Ich bin der Meinung, dass viel Unheil gerade daraus hervorgeht, dass Männer äußerlich und innerlich wegtreten. Ich muss Dir vielleicht einmal später von der Arbeitssucht und Fahnenflucht der Väter berichten. Ich bin ja jeden Sonntag zu Hause und rufe nur am Sonntagabend meine Geschäftsmails ab.
Gerade auch bei unserem Thema stellt sich eben die Frage, ob man gestützt auf einzelne, isolierte Bibelstellen in irgendeiner Sache Klarheit bekommen kann. Biblische Aussagen muss man doch in einem Gesamtzusammenhang interpretieren. Sonst müsste man ja einen ungehorsamen Sohn nach biblischen Prinzipien steinigen17 und das Leinen-Wolle-Mischgewebe meines Hemdes wäre Gott nach dem mosaischen Gesetz ein Anstoß.18
David, unsere Gesellschaft verfügt über das Internet. Wir müssen lernen, mit 70 TV-Sendern umzugehen. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Andere Zeiten, andere Sitten, wir haben uns halt entwickelt.
Grüß Paulus von mir. Wenn er das mit der »Gebärmaschine« hört, wird er sich wohl im Café Paradiso gleich einen doppelten Schnaps bestellen.
Dein Reinhold
Lieber Reinhold,
beim Lesen Deiner Zeilen habe ich mich geärgert. Dabei habe ich gemerkt, dass hier oben der Ärger anders ist als bei Euch unten. Irgendwie geläuterter, es fehlt ihm der Stachel, mit dem man sich selbst weh tun oder jemand anders verletzen kann. Aber ehrlich, der Spruch vom »mit der Zeit gehen« ist etwas vom Dümmsten, das ich je gehört habe. Beschäftige Dich ein bisschen mehr mit der Ewigkeit, dann bist Du stets modern. Wechselst Du Deine Überzeugungen wie Kleider, je nach der Mode? Die Grundfrage ist doch in allen Generationen immer die gleiche geblieben: Wie kann man vor Gott ein gelingendes Leben führen? Diese Aufgabe bleibt immer dieselbe. Es ist doch nur die Kulisse unseres Lebens, die wechselt. Die Herausforderungen für die Akteure auf der Bühne des Lebens bleiben durch die Jahrhunderte hindurch dieselben: Kampf ist doch Kampf – ob mit der Steinschleuder oder dem Sturmgewehr. Leiter sein ist doch Leiter sein – ob mit einer Krone oder einer Krawatte ausgezeichnet. Kommunikation ist doch Kommunikation – ob mit Pfeilbogen oder »Phone« (über die Freundschaft mit Jonathan muss ich Dir ein andermal schreiben). Altwerden ist Altwerden – ob mit fünfzig oder fünfundachtzig. Loslassen ist Loslassen – ob durch Krieg oder Krebs erzwungen. In all diesen Herausforderungen bleibt Er, gepriesen sei sein Name, der unerschütterlich treue Gott! Darum lade ich Dich dazu ein, unsere Texte in der Bibel sehr ernsthaft zu lesen. Sie sind geronnene Erfahrung mit Gott! Was Du über die Ordination von Frauen schreibst, habe ich verstanden. Du hast Recht, es geht ja eigentlich darum, wie wir die Bibel verstehen und auslegen sollen. Ich finde das gut, wenn Du nicht einzelne Bibelstellen aus dem Gesamtzusammenhang der Bibel herausbrichst. Jede Stelle in der Bibel muss von der Mitte her, vom Messias, den Ihr den Christus nennt, verstanden werden. Mir ist übrigens erst jetzt, von der Ewigkeit her bewusst, wie auch meine Lieder von Christus her eine neue Bedeutung bekommen haben. Weißt Du, nimm doch die Bibel nicht wie eine Ansammlung toter Buchstaben. Lies sie vor Gott mit der Bitte, dass er Dir selber durch seinen Heiligen Geist das Wort auslege.