Die Unsichtbaren. Roy Jacobsen

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Die Unsichtbaren - Roy Jacobsen

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die Herausforderung, sondern das Kupferrohr, das unter dem ganzen Haus hindurchgezogen werden muss und wahrscheinlich im Winter gefrieren wird. Das Ideale wäre, die Zisterne nach Norden zu legen, Wand an Wand mit der Küche. Im Nordsaal schlafen sie, wenn es im Süden zu warm ist und der Regen zu viel Krach macht. Wenn es im Norden zu kalt wird, wandern sie mit ihren Bettdecken in den Süden. Es ist ein gutes Leben.

      9

      Mit den Bewohnern der anderen Inseln tauschen sie Zuchtbullen und Widder aus. Wenn sie einen Widder haben, darf er nicht zusammen mit den Schafen und Lämmern grasen. Er bekommt eine eigene Insel, die Widderholm genannt wird. Dort geht er fast das ganze Jahr umher und frisst Gras und Tang und ist nur um die Weihnachtszeit zu Hause, für einen Monat, und wenn er zu den Schafen soll. Dann holt Hans ihn, und Ingrid ist dabei.

      Ingrid hat Angst vor dem Widder, er ist böse. Doch der Vater treibt ihn mit einer langen Gerte hinaus auf eine Landzunge, packt ihn am Fell und ringt ihn nieder und fesselt seine Beine und wirft ihn ins Boot, während Ingrid dabeisitzt und zuschaut und schaudert. Es ist viel Leben in einem Widder. Er ist ein wildes Tier. Mit langen, unbeherrschbaren Zotteln voll salziger Krusten aus Sand und Erde, die neben seinen Hufen zu Boden rieseln, ein schwarzer und wogender Panzer, der nach Meer und Viehstall stinkt. Als sie nach Barrøy kommen, wird ihm ein Strick um den Hals gelegt, und er ist nach der Überfahrt so steif und ungefährlich, dass Hans ihn in den Stall führen kann, ohne auf weiteren Widerstand zu stoßen. Hat er seine Aufgabe erfüllt, bringen sie ihn zurück nach Widderholm, oder manchmal zu einer der anderen Inseln, wo es im Moment keine Schafe gibt.

      Alle Inseln haben einen Namen. Eine von ihnen heißt Knuten.

      Einmal versuchte der Widder zu türmen. Da schwamm er hinüber nach Knuten. Als sie es bemerkten, ließen sie ihn einfach dort bleiben. Drei Tage später schwamm er zurück. Das wird ihm eine Lehre sein, sagte Hans. Ingrid fand es furchtbar. Wenn er einsam ist, warum schwimmt er dann nicht zu einer Insel, auf der es Schafe gibt? Sie denkt, dass er vielleicht blind sein könnte. Das macht ihn noch erschreckender. Aber selbst ein blinder Widder kann doch wohl hören?

      Wenn die Sonne im Flammenmeer dort draußen verschwindet, können sie die Silhouette des Widders vor dem roten Horizont erkennen, ein winziges Insekt auf einem steinernen Floß im Meer. Und bläst der Wind aus der richtigen Richtung, können sie ihn auch schreien hören.

      »Jetzt ruft er nach Gott«, sagt Barbro.

      Mit dem Widder ist es wie mit anderen Tieren, sie sterben. Aber dann müssen sie begraben werden. Der Widder ist das einzige Tier, das sie nicht essen.

      10

      Sie essen auch keine Eiderente, aber die ist nun mal kein Haustier, wenngleich sie ihr kleine Steinhäuser bauen, um an die Daunen heranzukommen, und es seit Jahren eine gibt, die unter der Treppe zum Windfang brütet. Wochenlang muss dann die Katze drinnen bleiben. Das mag sie nicht, denn sie darf nur in Martins Kammer bleiben, wo es keine Gardinen gibt, die sie in Stücke reißen kann. Die Katze heißt Bonken, es ist ein Kater, weil sie auf der Insel nun einmal keine Katze halten können, die, wie es heißt, immerfort Junge bekommt, welche Hans dann totschlagen muss, aber mit der Katze ist es wie mit allen anderen auf einer Insel, wo soll sie Junge herbekommen, wenn sie allein ist?

      Wenn das Wetter im Frühsommer so schlecht ist, dass man draußen nichts tun kann, holen Maria und Barbro Daunenharfe und Daunenstock hervor und säubern die Daunen. Daunen sind wohl das Kostbarste und Geheimnisvollste, mit dem sie es zu tun haben. Man kann sie anfassen und an das Gesicht halten und eine vage, heilige Wärme erahnen. Man kann sie in der Hand zusammenpressen und nichts anderes spüren als Luft, und dann die Hand wieder öffnen und eine graue Wolke aufstieben sehen, so als wäre nichts geschehen.

      Wenn sie die Daunen verkaufen wollen, stopfen sie sie in Leinensäcke und hängen ein Schild an den Zwirn, mit dem sie die Säcke zuknoten. Darauf stehen das Jahr, aus dem die Daunen stammen, der Name der Insel und 1 Kilo. Ein Kilo Daunen ist unheimlich groß und ungeheuer leicht. So ist der hohe Preis, den sie erzielen, im Grunde lächerlich gering. Und deshalb behalten sie viel davon selbst. Das ist Hans’ Idee.

      Sie behalten sie in ihren eigenen Betten, wie feine Leute in der Stadt, oder lagern sie auf dem trockensten Heuboden über dem Viehstall, bis die Preise besser werden und die Daunen für das Doppelte davon verkauft werden können, was sie sonst im Sommer auf dem Markt oder von Tommesen bei der Handelsstation bekommen, da nun einmal die Daunenpreise am niedrigsten sind, wenn die Leute verkaufen wollen, und nur dann am höchsten, wenn Hans es macht. Er ist der Einzige aller Inselbewohner, der Glück hat mit diesem Geschäft. Was vielleicht daran liegt, dass sich die Bewohner von Barrøy ein wenig mehr leisten können, denn Hans gehört ein ganzer Fanganteil des Fischs, der von den Lofoten kommt. Aber womöglich liegt es auch daran, dass sie geduldiger sind.

      Die Inselbewohner müssen geduldiger sein als alle anderen.

      Barbro säubert nicht gern die Daunen, ihre Hände sind zu grob, und so muss Ingrid der Mutter helfen, vom Sommer an, in dem sie vier wird. Ingrid liebt die Daunen, erst will sie nur mit ihnen spielen und bringt auf der kleinen Werkbank alles durcheinander. Doch dann hält sie einen Ball aus gesäuberten Daunen in der einen und einen aus ungesäuberten in der anderen Hand, und kann, wie sie entdeckt, den Gedanken nicht ertragen, den ungesäuberten nicht auch zu säubern, er sieht so schrecklich aus mit all den Ästen und Grashalmen und winzig kleinen Muscheln, dass es unmöglich ist, mit ihnen zu leben, ohne zu sterben.

      Die Mutter bringt es ihr bei, indem sie sie auffordert, mit geschlossenen Augen dazusitzen und diese beiden Daunenhäufchen behutsam zu betasten, einen gesäuberten und einen ungesäuberten, während sie laut zählt und nur bis zehn oder elf kommt, bevor sie am Lächeln ihrer Tochter erkennt, dass sie nun weiß, worum es geht. Da sagt sie, jetzt hast du etwas gelernt, das du nie wieder vergessen wirst.

      Von diesem Augenblick an säubert Ingrid die Daunen viel schneller als Barbro, die somit der Sklaverei entkommt und im Stall oder Bootshaus sitzen und Netze flicken kann wie ein Mann.

      11

      Barbro kann auch Netze knüpfen, sie kann ganz neue Kabeljaunetze und Heringsnetze und Flundernetze fertigen, ja sogar Dreiwandnetze. Damit verbringt sie die meiste Zeit des Winters, wenn Hans bei den Lofoten ist. Das Schöne an neuen Netzen ist, dass sie sauber und trocken sind und nicht stinken, man kann mit Rundholz und Nadel in der Küche sitzen und knüpfen und knüpfen und die murmelnde Wärme des Ofens im Rücken spüren, egal wie kalt es draußen auch ist.

      Martin allerdings mag es nicht, wenn diese Arbeit in der Küche verrichtet wird, Fischernetze sollen draußen bearbeitet werden, im Freien oder im Bootshaus.

      Netze in frostiger Kälte zu säubern oder zu flicken, ist die schlimmste Arbeit, die es gibt. Es ist die Arbeit, die alle Hände hier draußen an der Küste zugrunde gerichtet hat, denn nur sie allein lässt sich nicht mit Fäustlingen ausführen, und so betrachtet es Martin als ein Privileg, neue und trockene Netze zu knüpfen, dazu wird nicht noch ein Ofen voll glühenden Torfs im Innern des Hauses benötigt, das ist nicht nur überflüssig, sondern töricht, und so muss Martin nicht erneut daran erinnert werden, dass seine Tochter nun einmal so ist, wie sie ist.

      Barbro kümmert es nicht, was ihr Vater sagt.

      Auch sonst schert sich niemand darum. Es muss erst vor ein paar Jahren passiert sein, keiner könnte heute noch sagen, was genau es damals war, aber von einem Tag auf den anderen war es nicht mehr Martin, der auf der Insel bestimmte, von da an war es Hans.

      Auch wenn sich niemand mehr erinnert, so weiß es Martin noch genau: Es geschah, als er und sein Sohn sich an der russischen Säule versuchten und keine Lösung

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