Die schwarze Tulpe. Alexandre Dumas

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Die schwarze Tulpe - Alexandre Dumas

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Wilhelm von Oranien, gebe acht, daß dein Glanz nicht verdunkelt wird.«

      Seine Augen hatten sich zusammengezogen, ein:furchtbarer Blick blitzte zwischen den halbgeschlossenen Wimpern hervor, die Lippen fest aneinander gepreßt, gab er dem Pferde die Sporne mit aller Gewalt, daß dieses nunmehr dem Winde gleich, dahinsauste.

      Und dieser junge Prinz, dieser erbittertste Feind Ludwig XIV. vor einer Stunde noch das unmündige Kind, fühlte sich nun, wo ihm die Leichen der Brüder von Witt, den Weg zur Macht und Hoheit gebahnt hatten, so stolz und übermüthig, daß er die ganze Welt, kühn in die Schranken gefordert hätte.

      Auch er hatte Blut gesehen.

      V.

       Der Tulpenliebhaber und dessen Nachbar.

      In der Zeit, wo die Bürger von Haag ihre blutige Aufgabe glänzender, als man es erwarten konnte, gelöst, und sich, nachdem nichts mehr zu sehen, zu hören oder zu kaufen war, auch wieder ganz gemüthlich, als kehre man von einem Feste heim, in ihre Wohnungen zurückgezogen hatten, in eben dieser Zeit, wo der Prinz von dem Obersten, van Deken, begleitet, auf der Straße nach Leyden galoppirten, mißmuthig, einem Manne sein ganzes Vertrauen geschenkt zu haben, der sich beim Anblicke einiger Blutstropfen so gemüthlich, ja beinahe weichherzig zeigte, gerade zu dieser Stunde sah man aus der Straße, die zu dem Hafen der Schelde führt, einen mit Staub bedeckten Reiter, dessen Blick forschend und beinahe ängstlich einen heiß ersehnten Punkt zu erspähen suchte.

      Es war Craecke, der treue Diener, der gleich nach Erhalt des ihm von Cornelius übergebenen Auftrages fortgeeilt war, die Thore noch glücklich offen gefunden hatte, und nunmehr aus dem schweißtriefenden Pferde, längst der mit Bäumen besetzten Straße dahin flog, ohne im geringsten das entsetzliche Schicksal, das seinen Gebieter ereilte, zu ahnen. An dem Hafen der Schelde angelangt, ließ er sein Pferd um jeden Verdacht zu vermeiden, in einem Wirthshause zurück, und bestieg eines jener Schiffe, die stets den kürzesten Weg einschlagend, die langen und ausgedehnten Krümmungen des Flusses durchschneiden, und den Reisenden in wenigen Stunden, nach der reizenden und anmuthigen Insel führen, deren Ufer von den Wellen gleichsam geliebkost, mit blühenden Gewächsen und Kräutern übersät, und von fetten Herden angefüllt, einen malerischen Anblick gewähren.

      Und hier am Fuße eines Hügels, um den sich in gleichen Zwischenräumen, Tag und Nacht in voller Thätigkeit klappernde und schnarrende Mühlen lagern, hier liegt Dortrecht. Es ist eine wunderschöne, eine von jenen erhabenen Aussichten, die uns in den vorliegenden Gegenständen die Ruhe und majestätische Stille der Natur, ihren Frieden, beurkundet. Weit hin erglänzen in den Strahlen der aufgehenden Morgensonne die netten, glänzend roten Dächer, deren weiße Einfassungen, einer künstlich gezogenen Linie gleich, nach der Größe und Bauart der Häuser, bald regelmäßig fortlaufend, bald in allen möglichen Zikzak, auf- oder absteigend, unterbrochen oder zusammengesetzt, sich so weit das Auge reicht, ausdehnen. Die Grundmauern der dem Wasser zunächst stehenden Gebäude baden sich gleichsam in dem Fluße, die Balkone springen weit über denselben vor, und ihre Geländer sind mit prachtvollen, gold- und silbergestickten Teppichen, den Erzeugnissen China’s und. Indiens, behangen, während von ihren Endpunkten sich lange Schnüre in das Wasser herabsenken, die, als Angeln benützt, die Bestimmung haben, die Unzahl der durch den täglich zugeworfenen Fraß herbeigelockten, Aale zu vermindern. Craecke sah es, er rief ihm einen freundlichen Morgengruß schon von der Ferne zu.

      An der Schiffbrücke angelangt, fiel sein erster Blick auf ein am Abhange des Hügels befindliches, weiß und rothes Haus, das zwischen den vorliegenden Mühlen freundlich hindurch lächelnd, das heiß ersehnte Ziel, dem er entgegenstrebte, zu sein schien. Der Gibel des Daches. verschwand Anfangs unter dem bereits welken Laube, der ihn umgebenden Pappeln, tauchte aber wieder kurz, darauf an einem dunkeln Hintergrunde, den eine Anlage riesenhafter, uralter Ulmen bildete, auf, und erglänzte gleich einem funkelnden Sterne.

      Dieses Haus hatte, wie man es schon aus der Ferne bemerken konnte, eine solche Lage, daß die Sonne gleichsam wie in einen Trichter demselben ihre Strahlen zusendete, und auf diese Art alle vom Wasser aufsteigenden, und selbst durch die dichte Laubwand dringenden Nebel austrocknete, dadurch den so geschützten Boden erwärmend und fruchtbar machend.

      Craecke war ausgestiegen, und ohne sich um das ihn umgebende Getümmel der Marktleute zu kümmern, schlug er seinen Weg nach dem bezeichneten Hause ein.

      Mit der dem Holländer eigenen, und sonst wohl nur selten zu treffenden Nettigkeit, stand dies Gebäude so weiß, so zierlich und schön da, daß man die frisch gebahnten Gänge, die glänzenden Fenster, Rinnen und sonstigen Metalleinfassungen betrachtend, in Versuchung gerieth, es für eine geschmückte Braut zu halten, die sehnsuchtsvoll den Erwählten erwartete. Und dieses kleine, irdische Paradies barg nur einen glücklichen Sterblichen.

      Cornelius, Doktor van Baerle, das Taufkind des Cornelius von Witt. Seit seiner Kindheit bewohnte dieser Beneidenswerthe das erwähnte Haus. Es war der Geburtsort seines Vaters und seines Großvaters, zwei der angesehensten Kaufleute von Dortrecht.

      Baerles Vater hatte theils durch glückliche Speculationen, theils im Handel mit Indien, die namhafte Summe von beinahe drei- bis viermal hunderttausend Gulden erworben, und diesen ganzen Betrag in blank, geputzten Goldstücken, wahrscheinlich aus Laune und, Vergnügen, aufgehäuft. Nach seinem im Jahre 1688 erfolgten Tode übernahm Cornelius van Baerle das ganze hinterlassene Besitzthum seiner Eltern, fand glücklich den so großen Schatz, und wunderte sich nicht wenig, diese Masse in den Jahren 1610 und 1640 geprägter Münzen noch so neu, als wenn sie eben erst die Bank verlassen hätten, zu finden. Und diese große, namhafte Summe war, so zu sagen, für den jungen Baerle; nur seine Art Sparpfennig, den er zu seinem Vergnügen verwenden konnte, da ihm seine übrigen Besitzungen, und angelegten Capitalien jährlich über zehntausend Gulden an Interessen trugen.

      Kurz vor seinem Tode, der beiläufig drei Monate nach dem Ableben seiner Gattin, (die ihm das Leben durch Liebe und Sanftmuth erleichtert hatte, und nunmehr dasselbe auf der Bahn zum ewigen Frieden machen zu wollen schien, ) erfolgte, ließ der alte van Baerle den Sohn an sein Lager kommen, und hielt ihm nachstehende, denkwürdige Abschiedsrede:

      »Mein guter Sohn, beherzige die Worte wohl, die ich Dir als väterlichen Rath in der letzten Stunde meines Lebens gebe, Du hast Geld, viel Geld! — Lebe! — aber begreife ganz, was das heißt: Leben! Esse, trinke, genieße jedes Vergnügen nach Herzenslust, sperre Dich ja nicht in ein dumpfes, düsteres Comptoir, um das bereits Besitzende noch zu vermehren, denn das heißt nicht leben, das ist lebender Tod, oder todtes Leben, wie Du es am besten verstehst. Dann überlege auch wohl, daß Du der einzige van Baerle bist. Was nützte Dich einst Dein ganzer, aufgehäufter Reichthum, wenn Du Dich nicht verehelichen würdest, oder selbst für den letzteren Fall, Deine Ehe keine gesegnete wäre? Dann müßten all diese Goldstücke, die aus der Präge an das Tageslicht gekommen, nur Dein Großvater und ich in Händen hatte, an fremde Leute übergehen, all’ unsere Anstrengungen wären daher ganz fruchtlos.«

      »Aber vor Einem warne ich Dich besonders noch. Hüthe Dich, den Wünschen Deines Pathen Cornelius, der Dich so gerne im Staate glänzen sehen würde, jemals nachzugehen. Der Pfad der Politik ist der schlüpfrigste, den es gibt, er bietet Dir entweder einen eitlen Glanz, leeren Weltflitter, oder ein schmachvolles Ende, er hält Dich immer in Zweifel zwischen — Recht und Unrecht, er zwingt Dich oft zu Handlungen, die Dir Dein Herz verbietet.«

      »Beherzige diese Lehren, mein Sohn!«

      Das waren seine letzten Worte, dann senkte er ruhig sein Haupt und starb, einen Sohn in der Welt zurücklassend, der seinen Vater über Alles, und das Geld nur sehr wenig liebte.

      Da

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